Ausstellungseröffnung

26.06.2012

Rainer Ehrt und Martina Schellhorn; Fotografien: Stefan Gloede

Auszüge aus der Eröffnungsrede

Sehr geehrte Damen und Herren,

Sie sind eingeladen zu „Preußischen Betrachtungen“  – und wir hoffen, dass Sie noch immer nicht genug von Preußen haben, wenn wir heute, exakt 300 Jahre und 178 Tage nach der Geburt des großen Friedrich nicht nur ihn, sondern allerlei Preußisches zum Anlass nehmen, um unsere traditionell im Sommer stattfindende Satire-Ausstellung zu gestalten.
 
Der Rundgang beginnt in einem wahren Raritätenkabinett  preußischer Kurfürsten, Könige und Kaiser samt Gemahlinnen und Hofstaat. Der Strich von Rainer Ehrt – mal geradlinig und klassisch, dann wieder kunstvoll verschlungen – geleitet wie ein roter Faden durch die Historie. Die „Preußischen Betrachtungen“ sind hier ganz wörtlich zu verstehen beim Anblick der vergnüglich-hintersinnigen Bilder aus der Ehrt‘schen Gedanken- und Assoziationswelt. Mit geradezu grimmiger Lust zeichnet sich Ehrt die Seele aus dem Leib – zitiert und kommentiert, ironisiert und persifliert, schattiert und schraffiert und offeriert schließlich sein Ergebnis. Und wir? Sein Publikum? Wir stehen, staunen, lachen und lassen uns ein auf die Bilderwelten des Rainer Ehrt.

Das Verschieben von Raum und Zeit ist eine besondere Spezialität von ihm. Und so treffen sich gekrönte und ungekrönte Häupter, Staatsmänner, Philosophen und Künstler  aus drei Jahrhunderten an einer Tafel oder sitzen einträchtig im Schlosstheater zu Potsdam. Auf der Bühne von Friedrichs Theater steht eine, etwas in die Jahre gekommene und deshalb leicht matronenhaft wirkende Minerva. Die dazu gehörige Eule hat sich lieber bei Kant auf dem Rang niedergelassen, statt ihrer neigt sich jetzt der preußische Adler zur Göttin. Vor Minerva aber kniet bittend der Hofnarr. Fast möchte man annehmen, dass dem Hofnarren seine Narreteien abhanden gekommen wären, er, der doch die Wahrheit spricht oder sprechen sollte, bittet vielleicht um  Weisheit?! Damit er die Wahrheit geschickter formulieren kann?
 
Das Publikum schaut zu: Kleist rauft sich die Haare, E.T.A. Hoffmann hat einen Rotwein-Schwips, Hegel kratzt sich am Kopf und Fichte ist abgelenkt. Sein Blick gleitet zu Bettina von Arnim, die mit Theodor Fontane plaudert – was mögen sie sich zu sagen haben? Viel lieber würde ich Knobelsdorff und Schinkel zuhören wollen – geht es vielleicht um die Baukosten? Der eine konnte aus dem Vollen schöpfen, der andere musste sparen. Und so geht es munter fort auf dem großen Rollbild, auf dem nicht weniger als 52 Personen porträtiert sind. Doch ich will Ihre Entdeckungslust nicht bremsen, nur die Neugierde wecken. Auf jeden Fall kann man sagen: Selten wurde politisch-historische Bildung so ideenreich und mit bitterbösem Vergnügen dargestellt.



Doch nicht nur Historisches bietet die Ausstellung. Die Arbeiten im zweiten Raum widmen sich ganz gegenwärtigen Themen und Problemen. Rainer Ehrt hat extra für diese Ausstellung 13 sehr bekannte Zeitgenossen und eine Genossin porträtiert und ihnen preußische Tugenden hinzugefügt. Jeweils eine dieser Tugenden ist hervorgehoben und wird so zum ernst gemeinten oder ironischen Kommentar des Künstlers. Witziger und artifizieller kann man wohl kaum eine Debatte beginnen! Meine Damen und Herren, Sie sind gefragt, wie Sie es mit den Tugenden halten!
 
Sagen Sie uns Ihre Meinung – bzw. schreiben Sie sie uns ins Gästebuch. Und wem Ordnungsinn und Disziplin, Redlichkeit und Sparsamkeit, Tapferkeit und Treue, Gottesfurcht und Härte nicht liegen, für den hat Rainer Ehrt neue Tugenden gesammelt und stellt sie zur Debatte.
 
Martina Schellhorn
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