Grützwurst und Eierschecke

Constanze aus Finsterwalde lebt jetzt in Sachsen. Zuhause bei ihrer Oma isst sie immer zuerst Grützwurst, weil es nirgends so eine gute gibt. In Dresden sind dafür Eierschecke und Kartoffelsuppe großartig. Jeder Landstrich hat sein Essen und das schmeckt wirklich nur dort.

Constanze Wagenschwanz, Jg. 1983 aus Finsterwalde (Elbe-Elster). Foto: Amac Garbe

Foto: Amac Garbe

Constanze Wagenschwanz, geb. 1983 in Finsterwalde (Elbe-Elster), Beutesächsin seit 2011

„Sie müssen von der Wand bis zur Tapete denken!“ Ich bin Zahnärztin am Uniklinikum Dresden und falle bei meinen Studenten sofort auf, weil ich sehr direkt bin. In Brandenburg geht es darum, was man sagt, in Sachsen wie man es sagt.
An den sächsischen Dialekt werde ich mich nie gewöhnen, vom Nu! einmal abgesehen. Das schnappt man irgendwann doch auf.

Nach Dresden zu ziehen war für mich wie Nachhause kommen. Mein Bruder wohnt im benachbarten Coswig. Er sagte zuerst: „Du musst herkommen, das wäre so schön: Wir beide in einer Stadt.“ Von Anfang an kannte ich mehrere Brandenburger in Dresden, sie sind meine Inseln in Sachsen und mein Bruder ist der Hafen. Ich meine, dass Brandenburger sich irgendwie immer automatisch „finden“ in Sachsen. Mit den Leuten von Zuhause bin ich mehr bei mir selbst, näher an meinen Wurzeln. Wer einmal ins Herz eines Brandenburgers reingekrochen ist, kommt nicht wieder raus. Mich wird man auch nicht mehr los.

In Finsterwalde aufzuwachsen war so schön, ich würde nie tauschen wollen. Meine Oma hat den größten Saal im Ort bewirtschaftet, den Lindenhof an der B96. An dessen Stelle steht jetzt ein Supermarkt. Wenn ich Zuhause bin esse ich immer zuerst Grützwurst, weil es nirgends so eine gute Grützwurst gibt wie bei meiner Oma. In Dresden sind dafür Eierschecke und Kartoffelsuppe großartig. Ich glaube, jeder Landstrich hat sein Essen und das schmeckt wirklich nur dort.

Ich finde, dass sich der Norden Sachsens und der Süden Brandenburgs nicht nur landschaftlich ähnlich sind sondern dass auch die Leute ähnlich ticken. Wir Nachbarn verstehen uns, meistens jedenfalls. Brandenburger haben es nicht so mit Komplimenten, das finde ich aber in Ordnung.

Sachsen sind allgemein freundlicher, nur die sächsischen Bäckersfrauen nicht. Da ist jeder Südbrandenburger netter. Sächsische Bäckersfrauen sind unfreundlich, so schnappig. Ich weiß noch, als ich neu in Dresden war habe ich mich ständig gefragt, was ich falsch gemacht habe. Umgekehrt kann ich nachvollziehen dass ein Sachse beleidigt ist, wenn ein Preuße seine Mahlzeit mit „kann man essen“ kommentiert. Dabei heißt das, dass es ihm schmeckt!

Wenn ich normal spreche, bin ich vom Dialekt her weniger zuzuordnen. Sobald ich auf andere Brandenburger treffe, ändert sich das schlagartig und ich spreche Dialekt. Dialekt ist Heimatatem durch und durch. Man hat sofort eine gemeinsame Basis. Sachsen haben eine andere Herangehensweise, finde ich. Meine sächsischen Freunde sind zurückhaltender, wenn sie Landsleute treffen.

Text: Dr. Tanja Kasischke, 2014
für die Wanderausstellung "Wir Beutesachsen, ihr Beutemärker"

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