Ich bin keine Feministin, aber …

Am 8. März haben wir hier in der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung alle einen Grund zu feiern! Nicht etwa, weil wir alle zusammen Geburtstag haben, sondern weil wir eben alle Mitarbeiterinnen sind. Der internationale Frauentag jährt sich 2015 zum 104. Mal. Um ehrlich zu sein, bringt mich das Praktikum in der Landeszentrale zum ersten Mal dazu, meine Gedanken zu Frauenrechten, Gleichberechtigung und Emanzipation aufzuschreiben.

Sicher, Clara Zetkin, die ja die Initiatorin dieses Tages war, ist mir schon ein Begriff. Die Themen ihrer Zeit waren das Frauenwahlrecht im Besonderen und die Gleichberechtigung der Frau im Allgemeinen. Frauen haben in Deutschland seit nunmehr 97 Jahren das volle Wahlrecht. Sie können wählen - bei uns in Brandenburg auf Landes- und Kommunalebene sogar schon ab 16 - und sie können gewählt werden, sobald sie 18 sind. Genau wie die Männer. Für mich ist das selbstverständlich, aber wenn man mich danach fragt, so merke ich doch, wie schnell meine Antwort kommt: die volle Gleichberechtigung haben Frauen damit nicht erreicht.

Bevor ich angefangen habe zu studieren, habe ich eigentlich kaum über Gleichberechtigung und die Diskriminierung der Frau im Alltag nachgedacht. Es betraf mich einfach nicht und vielleicht war ich auch einfach noch zu jung dafür. In meiner Schulklasse waren zwei Drittel meiner Mitschüler weiblich und so ähnlich spiegelte sich das im Lehrerkollegium wider.

Doch dann begann ich vor einem Jahr mit dem Studium und die Situation änderte sich schlagartig. Ich habe bis jetzt noch keine einzige Vorlesung bei einer Professorin besucht. Nicht etwa, weil ich nicht will. Es gibt schlichtweg nicht das Angebot. Hinzu kommt mein Freundeskreis. Er besteht aus sechs Männern und zwei Frauen, mich eingeschlossen. Meine Beobachtungen und Erfahrungen an der Uni und privat haben dazu beigetragen zu verstehen, wofür Marie Juchacz, Clara Zetkin und Alice Schwarzer gekämpft haben und es junge, unangepasste Frauen wie die Rapperin Sookee heute tun.

Die Autorin Lina Dingler
studiert Politikwissenschaften und Wirtschaft an der Universität Potsdam. Im Rahmen ihres Praktikums schreibt sie in loser Folge über ihre Zeit in der Landeszentrale und das aktuelle Zeitgeschehen.

Nicht, dass mir alles gefällt, was und vor allem wie sie es machen, aber diese Frauen kämpften und kämpfen für die Beseitigung von Vorurteilen gegenüber Frauen, gegen ihre Degradierung aufgrund von Äußerlichkeiten und vor allem für eins: die bedingungslose Gleichberechtigung in ALLEN Bereichen.

Tatsächlich erlebe ich es täglich in der Uni, dass Frauen anders bewertet werden als Männer, einfach deshalb, weil sie Frauen sind. So ist es nach abgeschlossenen Tutorien meinen männlichen Freunden nicht wichtig, WAS während der letzten zwei Stunden von der Dozentin behandelt wurde, sondern WIE. Jeder noch so kleine Fehler – sei es die falsche Aussprache von englischen Begriffen – bringt eine abfällige Bemerkung mit sich. Dozenten müssen sich das nicht gefallen lassen. Zumindest habe ich die Art, eine Leistung mit dem Aussehen zu verknüpfen, bei Studentinnen nicht bemerkt.

Die Diskriminierung betrifft mich zwar (noch) nicht direkt, aber wenn sie mir auffällt, wie geht es dann erst den Betroffenen? Deshalb finde ich eine Umbenennung der Studentenwerke in Studierendenwerke, wie sie jetzt in Nordrhein-Westfalen ansteht, auch gar nicht so überflüssig, wie es auf den ersten Blick scheint. Denn damit ist klar: Hier studieren Männer und Frauen und alle anderen Geschlechter auch. Ein Schritt mehr in Richtung Gleichberechtigung, finde ich.

Zwiegespalten stehe ich noch immer der Frauenquote gegenüber. Einerseits birgt eine solche Quote doch nur wieder neue Vorurteile. Innerlich höre ich einen meiner Kommilitonen sagen:

Ach Lina, mach dir mal keine Sorgen um einen guten Job. Die Quote wird’s schon richten.“

Sollten die Plätze in den Aufsichtsräten nun nach einer Quote vergeben werden und nicht mehr nach Qualifikation? Andererseits denke ich mir auch, dass ein Ungleichgewicht an Geschlechtern wohl nicht anders behoben werden kann. Wo bitte bleiben denn die 50 Prozent weiblichen Promovierenden auf dem Weg nach ganz oben oder überhaupt Frauen in Spitzenpositionen? Frauen kriegen Kinder, jaja, und Männer dünne Haare…

Letztens in der Ökonometrie-Vorlesung hörte ich, dass die Lohnlücke zwischen Mann und Frau nur noch 7 Prozent beträgt, bei gleichen Abschlüssen. Nur noch? „ Kannst doch froh sein, die war schon mal größer!“, meinte Mann neben mir. Ich bin keine Feministin, aber wenn ich so was höre, könnt ich’s werden: Zufrieden geben kann man sich mit dieser Zahl doch nicht. Deshalb gefällt mir das Motto des diesjährigen Weltfrauentages auch so, weil es nichts aufschiebt. Es lautet: Heute für morgen Zeichen setzen!
 

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Kommentare

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von irgendwoher müssen die 5 Sterne bei der Bewertung ja kommen! :-) wirklich ein sehr guter Beitrag der zum Träumen einlädt !

Da ist was wahres dran was auf dem TV screen steht... Sei was du bist und sei stolz drauf.. mit der Einstellung sollte man aufstehen.. Danke für deine motivierenden Worte Praktikantin :-) lg Doris

Liebe Lina,

ich glaube, du bist doch eine Feministin! ;-) Oder zumindest auf dem Weg, eine zu werden! Das ist übrigens nichts Schlimmes, sondern was Schönes. Weiter so, weiter lesen, weiter denken!!!

Ein großartiger Beitrag, der mich sehr berührt hat. Ich bin auch Studentin und finde mich hier gut wieder. Danke Lina

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