Von schlechtem und gutem Populismus

Was ist eigentlich Populismus? Zumindest in Deutschland ist der Begriff eindeutig negativ aufgeladen. In der politischen Auseinandersetzung wird er praktisch ausschließlich als Kampfbegriff verwendet, mit dem der politische Gegner als unseriös dargestellt werden soll.

In der Politikwissenschaft ist der Begriff umstritten. Gelegentlich wird die Auffassung vertreten, es handele sich lediglich um ein „Stilmittel“, das von Akteuren durchaus unterschiedlicher politischer Ausrichtung verwendet werde. In der Tat ist das Spektrum des europäischen Rechtspopulismus (der Linkspopulismus wäre dann nochmal ein gesondertes Thema) sehr groß. Die Bandbreite reicht von relativ gemäßigten Gruppierungen wie der (mittlerweile aufgelösten) Liste Pim Fortuyn oder der Berlusconi-Partei Popola della Libertà bis hin zu sehr weit rechts stehenden Parteien wie der Französischen Front National. Auch die rechtsextreme NPD agiert zuweilen (man erinnere sich an die Hartz-IV-Proteste) populistisch.

Werner T. Bauer, Autor einer Expertise zum Rechtspopulismus in Europa (PDF, 22 S.), sieht gleichwohl einen „gemeinsamen ideologischen Kern“. „Im Zentrum populistischer Ideologie“ steht für ihn das „Volk“:

„Die populistische Ideologie basiert zunächst … auf der vertikalen Dichotomie Volk-Elite (»wir da unten, ihr da oben«). Parallel dazu erfolgt auf horizontaler Ebene die Abgrenzung von »den Anderen«, »den Fremden«. Spätestens hier, durch seine negatorische, fremden- und pluralismusfeindliche – nicht selten auch rassistische – Identitätsbildung steht der Populismus sehr weit »rechts« – im Gegensatz zur universalistischen Ideologie und dem sozialen Gleichheitsverständnis der traditionellen Linken.“

Was Bauer über die Situation in Westeuropa zu berichten hat, klingt zunächst nach Entwarnung: Geraten Rechtspopulisten an die Regierung, so werden sie „regelmäßig und rasch entzaubert“, heißt es in der Expertise, die im Juni 2010 veröffentlicht wurde. Doch dies ist nicht gleichbedeutend mit ihrem Scheitern: „Die Regierungsbeteiligung einer rechtspopulistischen Partei führt regelmäßig und unweigerlich zu einer Rechtsverschiebung des politischen Spektrums“, schreibt der Politikwissenschaftler. Die eigentliche Gefahr der Rechtspopulisten liegt nach Bauers Einschätzung in ihrem indirekten Einfluss und ihrem „Agenda-Setting“ (etwa im Bereich der Migrationspolitik). Der Populismus wird dadurch zum politischen Mainstream.

Was wäre dem entgegenzusetzen? Ist es möglich, den Rechtspopulismus mit einem anderen, besseren Populismus auszukontern? Gibt es überhaupt guten Populismus? Oder könnte es ihn geben? Einen Populismus ohne den eben definierten ideologischen Kern?

Der Journalist Werner A. Perger („DIE ZEIT“) analysiert in einem ebenfalls bei der Friedrich-Ebert-Stiftung publizierten Text (PDF, 20 S.) den Wahlkampf von Barack Obama. „Linker Populismus mit Augenmaß“ sei die „methodische Grundlage der Wahlkampagne“. Obama greife „bewährte soziale Ideen und Modelle“ wieder auf, „die in der Ära des Neoliberalismus und des staatsfeindlichen Konservatismus zum Teil verschüttet und tabuisiert wurden“. Der „ökologische Umbau Amerikas“ zu einer „green economy“, die Arbeitsplätze schafft, werde „Obamas New Deal“, zitiert Perger einen amerikanischen Gewerkschafter.

Zugegeben, das klingt sehr optimistisch. Pergers Artikel erschien kurz vor den amerikanischen Präsidentschaftswahlen. Mittlerweile ist mancher Obama-Anhänger skeptisch geworden. Im Oktober 2008 meinte Perger jedenfalls, Obamas „Populismus der Aufklärung“ könne „vielleicht auch ein Modell für Europas Sozialdemokratie sein“: „Die Erben der Sozialen Marktwirtschaft sind aufgefordert, gemeinsam mit den Erben des New Deal den transatlantischen Neoliberalismus endgültig zu begraben.“

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