Wie Neonazis im Netz Stimmung gegen Flüchtlinge machen

Die NPD kommt altbacken daher, "Der Dritte Weg" - Bruder im Geist - aktionsorientiert. Das Internet spielt eine entscheidende Rolle bei der Mobilisierung von Neonazi-Kampagnen gegen Flüchtlingsunterkünfte - auch in Brandenburg.

Vorsicht "Bürgerinitiative"

In Heidenau sowie in weiteren sächsischen Städten waren organisierte Rechtsextremisten oft dabei, wenn es darum ging, Proteste gegen Flüchtlingsunterkünfte anzuheizen. Auch in Brandenburg versuchen Neonazis, von Ressentiments gegen Flüchtlinge zu profitieren. In Nauen hat es nun gebrannt – dort ist seit Monaten eine “Bürgerinitiative” aktiv.

Selbst für abgelehnte Asylbewerber habe sich “der Asylantrag als einträgliches Geschäft” erwiesen, seien “die finanziellen Leistungen für Asylbewerber hierzulande doch höher als das durchschnittliche Einkommen in so manchem Herkunftsland”. Flüchtlinge, die auf Kosten der Deutschen abkassieren wollen, weil sie zu faul seien, um in der Heimat ehrlich zu arbeiten. Mit solchen Parolen versucht die NPD-Brandenburg auf ihrer Webseite sowie auf Facebook und Twitter, Stimmung gegen Asylbewerber zu machen.

Organisierte Neonazis vermischen dabei munter die aufgeregte Debatte über Flüchtlinge mit Bandenkriminalität, islamistischen Terrorismus, Ressentiments gegen Politik sowie Zuwanderung, wenn sie behaupten, “Salafisten rekrutieren an Schulen Kämpfer für den Dschihad. Arabische Banden schlagen regelmäßig an Bahnhöfen Passanten tot. Politiker tauschen unser Volk gegen Fremde aus.” Dagegen helfe nur noch eine NPD-Mitgliedschaft. Besonders viel Aufmerksamkeit kann die Partei damit auf Facebook aber nicht erhaschen; diese Art der Hetze ist in sozialen Netzwerken nämlich praktisch Alltag – und kein Alleinstellungsmerkmal für organisierte Rechtsextremisten.

Und so betont der stellvertretende Landesvorsitzende Ronny Zasowk im Netz auch extra noch einmal, dass man am kompetentesten sei, wenn es darum geht, die Rechte von Flüchtlingen zu beschneiden. So habe der Städte- und Gemeindebund die asylpolitischen Forderungen der NPD aufgenommen und sich “nun in einem Forderungskatalog für die Senkung der finanziellen Anreize für Asylbewerber und für eine Wiedereinreisesperre für abgelehnte Asylbewerber” ausgesprochen, vermeldet die NPD stolz.

Seriöses Gewand: Die NPD-Brandenburg möchte offenbar modern und bürgerlich wahrgenommen werden. (Screenshot der NPD-Webseite)

Aktionsorientierte Konkurrenz

Keine Frage, die Rechtsextremen fühlen sich in ihrer Weltsicht bestärkt durch die aktuelle, weitestgehend hilf- und richtungslose Debatte über Flüchtlinge in Europa; gleichzeitig kann die mittlerweile etwas altbackene NPD in Brandenburg davon kaum profitieren. Zum einen gelingt es ihr nicht, wahrnehmbare Proteste gegen Unterkünfte für Asylbewerber zu initiieren oder zu kapern, zum anderen liefern sich in dem Bundesland aktionsorientierte Neonazis vom NPD-Nachwuchs JN sowie der Splitterpartei "Der III. Weg" einen Wettstreit, wer am radikalsten agiert.

Eine bürgerliche Maskerade und einen parteipolitischen Anstrich spart man sich beim “III. Weg” weitestgehend; im Netz inszeniert sich die Neonazi-Splitterpartei als aktionistische Organisation, die vermeintlich flächendeckend auftritt: Kundgebungen gegen “Asylanten” in Zossen und Damsdorf, eine Mahnwache in Pritzwalk, Verteilung von “asylkritischen” Flugblättern in Schwedt oder auch ein Sommerfest in der Uckermark. Schaut man sich die Web-Seite des “III.Wegs” an, könnte man fast den Eindruck bekommen, es handele sich um eine fest etablierte Volkspartei.

Aus der Selbstdarstellung im Netz lassen sich bereits erste Rückschlüsse ziehen, was die strategische Ausrichtung der rechtsextremen Organisationen angeht: Die NPD will als parlamentarischer Arm des “Nationalen Widerstands” agieren, Mandate erobern, inszeniert sich daher eher bürgerlich. Der “III. Weg” hingegen geriert sich als junge, dynamische Basisorganisation: nah am Bürger, stets vor Ort, zu vielem bereit.

Leitfaden für eine Anti-Asyl-Initiative

Gemeinsam haben die rechtsextremen Organisationen, dass das Thema Asyl für sie eine überragende Bedeutung hat; die Mehrzahl ihrer Artikel und Kommentare im Netz handeln davon. Der “III. Weg” bietet auf seiner Homepage sogar ein Handbuch zum Herunterladen an: “Wie be- bzw. verhindere ich die Errichtung eines Asylantenheims in meiner Nachbarschaft.”

In dem 23-seitigen "Leitfaden" erläutern die Neonazis die rechtlichen Möglichkeiten, gegen eine geplante Unterkunft zu klagen, erklären dezidiert, wie eine Bürgerinitiative angeschoben und vernetzt werden kann. Dies zeigt, wie systematisch die Neonazis versuchen, von den aktuellen Debatten zu profitieren.

Online-Leitfaden der Neonazi-Partei "Der III. Weg"

Auch in Nauen ist seit Monaten eine “Bürgerinitiative” aktiv. “Nein zum Heim in Nauen” nennt sie sich und wirbt auf Facebook für weitere Bündnisse wie die “Bürgerinititive Zukunft Nauen” oder auch die “Bürgerbewegung freies Nauen”, welche ebenfalls zu Aktionen und Demonstrationen mobilisieren, sich dabei aber möglichst bürgerlich geben. Auch auf Internet-Seiten der NPD wurden die Aufrufe der verschiedenen “Bürgerinitiativen” unterstützt. Die Blaupause für diese Mobilisierung und Vernetzung findet sich in dem “Leitfaden” des “III. Wegs”.

Nun ist die geplante Notunterkunft für Flüchtlinge in Nauen ausgebrannt, ein technischer Defekt wird von Experten als unwahrscheinlich angesehen. Aus Schlagworten werden also einmal mehr Brandsätze, aus Hetz-Inhalten offenkundig handfeste Anschläge.

Entscheidend ist daher, die rassistischen Hetzer mit ihrer Propaganda frühzeitig zu stoppen. Ob sie erfolgreich sind, hängt davon ab, wie viele Widerworte ihnen entgegen gebracht wird. Ignorieren hilft nicht – egal ob im Netz oder auf der Straße.

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Patrick Gensing ist Blogger, Journalist und Nachrichtenredakteur. Für die Netzinitiative publikative.org – eine Seite, die zunächst als NPD-Watchblog bekannt wurde, wurde er mehrfach ausgezeichnet. Er schreibt zu Fachthemen wie Antisemitismus, Medien, Rechtspopulismus und -extremismus.

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Kommentare

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Sehr geehrter Herr Gensing,

dass Ihr Eingangsbeitrag auf einen Vergleich zwischen bestimmten Regionen in Deutschland angelegt war, ging nun beim besten Willen nicht daraus hervor.

Aber auch das ist mir viel zu einfach. Dass in Hamburg die Verhältnisse weit besser seien als in Brandenburg ist die Frage; eigentlich zeigen auch dort die Ergebnisse der letzten Wahlen, dass das demonstrative Aushängeschild "Weltbürgertum" einen Teil der Bürger längst nicht mehr zu binden vermag. Was die extremistischen Parteien angeht, so schreiben Sie in Ihrem eigenen Beitrag, dass diese auch in Brandenburg überhaupt nicht von der deutlichen Verstärkung der Zuwanderung nach Deutschland profitieren könnten ("kann die mittlerweile etwas altbackene NPD in Brandenburg davon kaum profitieren"). Und Ergebnisse des III. Weges liegen sowohl in Hamburg als auch in Brandenburg nach wie vor im Splitterbereich. Auch die West-Ost-Schiene scheint damit ein allzu einfaches Instrumentarium für in Wirklichkeit weitaus komplexere Probleme zu sein.

Dass hingegen sehr viele Bürger in den neuen Bundesländern in den Stadtbeirken westlicher Großstädte mit sehr hohem Zuwanderungsanteil nicht gerade ein Musterexemplar für die Zukunft ihrer Regionen zu erkennen vermögen, ist durchaus richtig. Dies hat allerdings eher damit zu tun, dass diese in aller Regel - mit einigen Ausnahmen im süddeutschen Raum - nicht zu den Beispielen zählen, wie Integration funktionieren sollte. Menschen mit sehr geringen Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben die Aufnahme von noch mehr Chancenlosen zu verkraften, Das schafft wiederum nicht nur Sprengpotential, sondern ist auch höchst ungerecht gegenüber denjenigen, die schon seit langem hier leben, aber das (mitunter leichtfertige) Versprechen auf Arbeit und Zukunft mittelfristig noch nie für sich selbst realisieren konnten.

Diese realen Probleme auch nur etwas differenzierter zu sehen und sie nicht durch die Blaupause des "Deutschland ist reich" "Deutschland veträgt den Zuwachs um 100.000de!"-Rummels zu betrachten und zu diskutieren, hat mehr mit der Frage "Wie bekämpfen wir die Ursachen von Menschenfeindlichkeit?" zu tun, als regional mehr als vereinfachende Schuldzuweisungen.

Sehr geehrte/r murmeli,

Sie kritisieren verkürzte Darstellungen und Erklärungsmuster, stellen aber selbst Behauptungen und Thesen auf, die Sie nicht belegen können oder die sehr allgemein daherkommen und schweifen weit vom Thema ab. Sicherlich hängt alles irgendwie zusammen, aber so eine Diskussion lässt sich kaum sinnvoll führen.

So könnte man beispielsweise seitenlang über die Definition von Integration diskutieren; meinem Eindruck nach verstehen Sie darunter vor allem Assimilation bzw. Anpassung. Das sehe ich bereits deutlich anders. Mir ist es sehr lieb, in einer heterogenen Gesellschaft zu leben, in der keine "Leitkultur" Minderheiten aufdrücken will, wie sie zu leben haben.

In unserer Verfassung werden die Grundrechte garantiert - das ist das Maß aller Dinge. Wie sich Menschen kleiden, was sie essen, wie sie aussehen, an was sie glauben, wen sie lieben - all das fällt unter die individuelle Freiheit - und geht die Leute, die bestimmen wollen, was "Leitkultur" ist, überhaupt nichts an.

Letztendlich geht es in meinem Beitrag aber darum, wie Brandenburger Neonazis im Netz versuchen, Stimmung gegen Flüchtlinge zu machen.

Grüße
Patrick Gensing

Es ist ein wenig naiv zu glauben, dass die Meinungen zahlreicher Bürger zu Heimen in ihrer Nachbarschaft bzw. zur Zuwanderungs- und Asylfrage simple Blaupausen von Broschüren extremistischer Parteien sind.

Die dahinterstehenden Fragen sind weitaus komplexer. Die großen Befürchtungen werden durch "viele Widerworte" auch nicht gelöst; vielmehr muss man diese ernst nehmen und bereit sein, sich ernstlich mit ihnen auseinanderzusetzen. Selbst wenn es dem einen oder anderen schwerfallen sollte - mit simplen Anti-"Pegida"-Broschüren und "Wie unterstützte ich Flüchtlinge?"-Foldern ist inzwischen kaum noch jemand zu beeindrucken; inzwischen ist die undifferenzierte Weitergabe von Platitüden oftmals selbst ein Teil des Problems.

Es gibt hier einfach keine einfachen Antworten.

 Sehr geehrte/r murmeli,

ich habe nicht geschrieben, dass die Meinungen Blaupausen aus Broschüren seien, sondern dass gezielt Bürgerinitiativen gegen Flüchtlinge initiiert werden sollen. Mein Beitrag soll auch nicht beeindrucken, sondern Mechanismen aufzeigen, warum Rechtsextremisten in einigen Regionen mit ihren Parolen weit erfolgreicher sind als anderswo. Beispielsweise in Hamburg spielen solche Parolen keine Rolle, im Gegenteil: Hunderte Menschen engagieren sich ehrenamtlich, um Flüchtlingen zu helfen, Tausende Menschen bringen Spenden zu den Notunterkünften und übernehmen Patenschaften für unbegleitete junge Flüchtlinge. Woran mag das wohl liegen? Meine Vermutung: Wer in einer multikulturellen Gesellschaft lebt, hat weniger Angst vor dem "bösen Fremden". Die Angst ist ein Treibstoff für den Hass.

Gruß,

Patrick Gensing  

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