Was mir aufgefallen ist...

Als begeisterter Fußballfan ist die EM natürlich eine „Pflicht“ für mich. Die erste Woche ist nun bald rum, und sportlich ist alles im Lot. Aber darüber hinaus gab es in diesen ersten sechs EM-Tagen etwas, das mir aufgefallen ist, und daher an dieser Stelle nicht unkommentiert bleiben soll.

„Den Stahlhelm aufsetzen und groß machen“

Beginnen wir mit dem Assistenztrainer der deutschen Nationalmannschaft, Hansi Flick. Dieser hatte vor dem Spiel gegen Portugal auf die Frage eines Journalisten, was man tun könne, wenn Christiano Ronaldo zum Freistoß antritt, lapidar geantwortet: „Den Stahlhelm aufsetzen und groß machen.“. Abgesehen davon, dass das metaphorische Abgleiten in den Militarismus im Fußball nichts zu suchen hat, war auch der Ort für diese Aussage ungünstig gewählt.

Zur Erinnerung: 1939 war die Wiedereingliederung der „Freien Stadt Danzig“ in das nationalsozialistische Deutschland eine jener „unerfüllten Bedingungen“, in deren Folge Hitler den Nicht-Angriffs-Pakt mit Polen für nichtig erklärte. Insofern verwundert es nicht, dass Flicks Aussage in Gda?sk (Danzig) mit einigem Kopfschütteln quittiert wurde.

Okay, nun gleichen die Fragen, die in den Pressekonferenzen vor dem Spiel gestellt werden, oftmals dem Versuch, den Pudding an die Wand zu nageln. Da kann man sich schon mal mental ein Nickerchen gönnen. Kurz um, hoffen wir für Herrn Flick, dass er den leisen Teil nicht einfach nur laut gesagt hat.


Was nun folgte, waren zwei Pressemitteilungen und eine Stellungnahme vom Bundestrainer (Joachim Löw) sowie dem DFB-Präsidenten (Wolfgang Niersbach) persönlich.

Über all dies berichteten die öffentlich-rechtlichen Fernsehsender ARD und ZDF. Es gab diverse Live-Schaltungen nach „Danzig“, man zeigte sich peinlich berührt und kündigte im gleichen Atemzug die baldige Abreise der Nationalmannschaft nach „Lemberg“ an. Ab diesem Punkt war die Entrüstung über Flicks verbale Entgleisung nicht mehr als pure Heuchelei. Denn mit welcher Selbstverständlichkeit die alten deutschen Städtenamen in der Berichterstattung verwendet, und im Gegenzug die polnischen und ukrainischen Namen komplett ignoriert werden, ist schon „beachtlich“. Gut, eben jene Sendeanstalten meldeten sich auch schon einmal von den Olympischen Spielen in Salt Lake City aus „Salzseestadt“.

Der Unterschied ist, dass in besagtem Fall der englische Name einfach ins Deutsche übersetzt wurde. Städtenamen wie Danzig oder Lemberg haben hingegen eine ganz reale historische wie politische Dimension für Deutschland. Wenn man sich also über Hansi Flick brüskiert, sollten im Gegenzug Gda?sk oder Lwiw nicht völlig ignoriert werden. Vereinfacht formuliert: Nur weil man mal in der Badstraße gewohnt hat, bedeutet das nicht, dass man das Recht hat, jedes Mal seinen Namen auf das Klingelschild zu kleben, wenn man mal wieder in der Gegend ist.

Natürlich glaube ich weder, dass Hansi Flick heimlich die NPD wählt, noch, dass ARD und ZDF von Geschichtsrevisionisten geführt werden, aber manchmal kann man sich trotzdem einfach nur wundern.

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Kommentare

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 Wenn der Author sonst keine Probleme hat, dann ist alles gut! Dass aber dieser Gdansk-Quatsch  des Author möglicherweise mit Steuergeldern finanziert wird, das sollte man unterbinden! In der Demokratie kann jeder sagen was er will, aber bitte nicht auf Kosten Anderer!

 Was mich schon lange bewegt...

Ich möchte vorausschickern, dass ich Slavistik (Russizistik/Polonistik) studiert, in diesem Fachgebiet auch promoviert, einige Jahre in Polen Deutschlehrerstudenten und Abiturienten unterrichtet  und somit ein sehr inniges Verhältnis zu unserem Nachbarland und seinen Menschen erworben und schätzen gelernt habe.

Zum mehrheitlichen Gebrauch der ehemals deutschen Bezeichnungen für die Austragungsorte der EM 2012 durch Vertzreter unseres öffentlich-rechtlichen Fernsehens der ARD und des ZDF vertrete ich folgenden Standpunkt.

Polnische Kolleginnen und Kollegen ermunterten mich, in deutsch geführten Gesprächen mit ihnen doch ruhig auf die historischen deutschen Bezeichnungen zurückzugreifen, niemand hätte von mir erwartet in diesem sprachlichen Rahmen von "Warszawa" und "Krakow" zu sprechen, man hatte Verständnis dafür, dass mir "Breslau" leichter über die Lippen kommen würde als "Wroclaw". Auf der persönlichen Ebene halte ich das auch so und niemand würde von mir annehmen, dass ich damit revanchistische Ressantiments zum Ausdruck bringen möchte.

Bei der Berichterstattung im öffentlich-rechtlichen Fernsehen hat es damit eine völlig andere Bewandtnis, hier ist "political correctness" gefragt, was bedeutet, dass man erwarten muss, dass eben von "Lwiw" genauso wie überwiegend gehandhabt, auch von "Charkiw" die Rede ist und auf die polnischen Spielorte bezogen, eben von "Poznan" und auch "Wroclaw" zu sprechen wäre. Und an diesem Punkt kommt es nun asus meiner Sicht zu folgender Erscheinung:

Seit Jahren verstecken sich Sportkommentatoren (und nicht nur sie) hinter solchen Floskeln wie. "Polnisch lässt sich ja eigentlich gar nicht aussprechen, diese vielen Zischlautde bekommt man als Deutscher ja nicht hin." Zugleich parlieren sie in Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch auf höchstem Niveau und genügen in diesen Sprachen den phonetischen Anforderungen in hervorragender Weise. So kommt es dazu, dass solche Sportlernamen wie Jacek, Krzysztof, Miroslaw, Lukasz, Nachnamen wie - zugegeben nicht leicht zu artikulieren - Blaszczykowski, Piszczek ... eben schlicht falsch ausgesprochen werden.

Mein Vorschlag. um sportlichen Höhepunkten von seiten der Berichterstattung her gewachsen zu sein, sollten die Sportkommentatoren eine gezielte Vorbereitung betreiben, was meiner Meinung nach eigentlich selbstverständlich sein sollte und dabei in die Lage versetzt werden, sowohl "political" als auch "phonetical correctness" in ihrer Berufsausübung zu wahren. Das würde mich sehr freuen und ist sicher nicht zu viel verlangt, oder?

Liebe Nutzerinnen und Nutzer,

zunächst einmal vielen Dank für die sachlichen Kommentare! Mein Ziel ist es nicht, die moralische Keule zu schwingen, sondern zum Nachdenken/Diskutieren anzuregen. Wie ich bereits geschrieben habe, besteht für mich ein Unterschied, ob ich Städte wie „Rom“ oder „Salzseestadt“ einfach ins Deutsche übersetze oder Namen verwende, die eine reale politische wie historische Dimension vorweisen. Natürlich KANN man auch diese verwenden, ohne sofort als Rechtsaußen tituliert zu werden, nur sollte man sich über den Kontext schon im Klaren sein. Was meiner Meinung nach aber nicht geht ist, sich in gefühlten 100 Live-Schaltungen und Sondersendungen über die mangelnde Sensibilität von Herrn Flick zu brüskieren, und im Umkehrschluss genau diese konsequent vermissen zu lassen.   

Ich sehe viele gute Gründe, gerade die Städte in Tschechien, der Slowakei, in Polen, der Ukraine oder in Belarus sowie in Russland namentlich in ihrer Landessprache zu erwähnen, mit Ausnahme der Hauptstädte (weil deren Namen in deutscher Sprache sicherlich historisch auch unabhängig von der Nazi-Zeit so gewachsen sind).

Wir sagen nicht "Neu York" oder "Die Engel"  zu bestimmten Städten  in den USA. Okay, da waren die Deutschen ja auch (noch) nicht, mag man da einwenden. Doch genau dort dürfte der Kern des Problems liegen - und man muss kein polnischer Nationalist (wie z.B. die Kaczynski-Brüder) sein, um sehr aufmerksam auf das wabernde deutsche Un- oder Unter- oder Überbewusstsein zu reagieren. Der Satz: "Da denkt sich doch keiner was dabei, Danzig zu sagen", ist kein Argument - Sprechen und Denken sollten zusammenhängen. Und in ukrainischen Stadien kurz nach der eigenen Führung lauthals minutenlang "Sieg ... Sieg ... Sieg" zu brüllen, macht die "Truppen" da draußen auch nicht sympathischer.

Ich finde das Verwenden deutscher Städtenamen für polnische und ukrainische Städte genauso wenig verwunderlich wie etwa das Verwenden des deutschen Städtenamens Rom für die italienische Stadt Roma. Im Gegenzug nennen beispielsweise die Italiener München Monaco oder die Polen Potsdam Poczdam, ohne daß man hinter letzterem auch sowas wie Geschichtsrevisionismus vermuten müßte - war doch Potsdam bis ins 12. Jahrhundert nicht in deutschen, sondern in slawischen Händen.

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