Hahnrupfen

Würde man diesem Brauch einen Slogan umbinden wollen wie eine schöne Schleife, es wäre folgender: Danach kräht kein Hahn mehr. Das Hahnrupfen geht zurück auf eine Zeit, in der Glaube und Aberglaube das Leben weitaus mehr prägten als Wissenschaft und technischer Fortschritt.

Würde man diesem Brauch einen Slogan umbinden wollen wie eine schöne Schleife, es wäre folgender: Danach kräht kein Hahn mehr. Das Hahnrupfen hieß einmal so, weil dabei echte und oft genug lebende Hähne von Reitern gerupft wurden. Das Hahnrupfen heißt heute so, weil von jungen Burschen auf kräftigen Pferden nach wie vor nach alter Tradition gerupft wird, allerdings erlebt der Hahn das ganze Spektakel postum.

Das Hahnrupfen sollte, kritisieren nicht nur dezidierte Tierschützer, gerne in Zukunft weiter so heißen, jedoch ein Tier aus Stroh oder Gummi ins Zentrum seiner Zeremonie stellen respektive hängen, alles andere wäre zu martialisch, zu brutal, zu sehr Mittelalter für eine Gegenwart im 21. Jahrhundert.

Der Hahn am Traktor
© Cornelius Pollmer

Wie also sieht sie aus und welchen Hintergrund hat diese Zeremonie, über die es nachvollziehbarer mehr als nur eine Meinung gibt? Das Hahnrupfen geht zurück auf eine Zeit, in der Glaube und Aberglaube das Leben weitaus mehr prägten als Wissenschaft und technischer Fortschritt in der landwirtschaftlichen Nutztechnik. Zur Erntezeit sollte mit ihm der Geist der Fruchtbarkeit des abgelaufenen Jahres vertrieben werden. Wie man es auch aus dem Karneval oder von Hexenfeuern kennt, so wird auch auf Festwiesen beim Hahnrupfen bunt und wild, wenn derlei Vertreibungen wieder anstehen.

Die Damen in Tracht stehen Spalier, die Herren reiten heran zu einem Wettbewerb, bei denen alle gewinnen, jedoch nur einer siegen kann. Zielpunkt allen Reitens ist ein Tor, verziert mit Girlanden, vielleicht auch Gestecken, und von der Torkrone herab baumelt der Hahn, an den alle möglichen kleinen Preise gebunden sind, vom Schnaps über Süßigkeiten bis hin zu Zigaretten. Die Reiter drehen ihre Runden, kurz vor dem Tor steigen sie aus ihren Sätteln und versuchen, dem Hahn eine Kleinigkeit oder aber, Hauptgewinn!, gleich den Kopf abzureißen.

Hahnrupfen in der Lausitz
© Cornelius Pollmer

Das klingt brutal und das ist es ja auch. Und doch, wie bei so vielem: Was aus der Ferne unmöglich und in dem Fall barbarisch klingt, kann aus nächster Nähe ganz anders wirken. Dann sieht man die große Reiterpforte, liebevoll mit allerhand Blattgrün garniert, man sieht den kleinen Jahrmarkt inklusive Eismobil, der sich im Umfeld des Parcours aufbaut und man bekommt auch das Verbindende mit, das lebende Traditionen doch auch auszeichnet.

Kompakt erklärt

Sorben/Wenden
 

Um das Hahnrupfen definiert sich gerne ein ganzes Sommerwochenende, mit großer Kaffeetafel im Freien und Reiterball, überall wird Gemeinschaft begünstigt und dass in dieser unglaublich viel getrunken wird, muss man nicht beschönigen, mindestens aber zunächst wertfrei erwähnen.

Vor diesem Hintergrund: Mindestens der Sieger des Hahnrupfens sollte sich eine Zeit lang zurückhalten, schließlich obliegt ihm die Ehrenpflicht, später mit mit einer Auserwählten zu tanzen. Und während dann alle ihren Rausch ausschlafen, kräht frühmorgens ein anderer Hahn als der gerupfte, der die Fruchtbarkeit im nächsten Zyklus sicherstellen soll. Möglicherweise kräht er auch unter der Last dieser Verantwortung oder aber aus einer Vorahnung in eigener Sache.

 
Cornelius Pollmer, Januar 2021
Mit seinem Buch "Heut ist irgendwie ein komischer Tag" war er 2019 zu Gast in der Landeszentrale.

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Kommentare

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Nichts für Ungut Herr Pollmer,

aber ich finde, dass Ihr Text eher in ein halbsatirisches Witzblatt passt.
Seinen Unterhaltungswert erkenne ich durchaus an, aber auf der Seite der BLPB so über einen sorbischen/wendischen Brauch zu schreiben, halte ich nicht für angemessen.

Davon, dass diese autochthone slawische Minderheit in Ihrem Beitrag mit keinem einzigen Wort erwähnt wird, möchte ich an dieser Stelle einmal absehen.

Die Lebensweise und Kultur der Sorben/Wenden wurde in der jüngeren und erst recht in der älteren Geschichte schon oft genug belächelt oder naserümpfend abgetan. Bitte reihen Sie sich nicht leichtfertig in diesen Kreis ignoranter AutorInnen ein und kommen Sie doch mal für längere Zeit bei uns vorbei (Das gemeinsame Bier stelle ich gerne schon mal kalt).

Z nejlěpšym póstrowom,
Maks Bagańc

Lieber Herr Baganz,

vielen Dank für Ihren Beitrag auf unserer Seite. Der Text von Herrn Pollmer ist ein Auszug aus seinem Buch "Heut ist irgendwie ein komischer Tag", das er Ende 2019 auch bei uns in der Landeszentrale vorgestellt hat. Darin berichtet er, was ihm auf seinen Wanderungen durch die Mark Brandenburg erlebt hat und das fanden wir spannend. Vor und nach der hier veröffentlichten Textstelle wird deutlich, dass Herr Pollmer sich gerade im Siedlungsgebiet der Sorben/Wenden befindet, deswegen haben wir es auch unter diesem Bereich auf unserer Webseite veröffentlicht. Selbstverständlich haben wir noch weitere Informationen zur Geschichte, zum Siedlungsgebiet und auch zur Sprache der Sorben/Wenden. Sie finden sie hier:

https://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/das-sorbische-volk

Für uns macht es die Mischung und deswegen wurde dieser Text bei uns zusätzlich veröffentlicht. Wir verstehen jedoch durchaus, dass Geschmäcker unterschiedlich sind.

Für alle, die mitlesen: "Źěkujom se!" ist Niedersorbisch und bedeutet "Danke!". Kommentare bereichern unsere Webseite und helfen uns dabei, uns zu verbessern.

Mit freundlichen Grüßen

Ihre Landeszentrale

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