„Jederzeit widerruflich“ Jüdische Filmstars im Nationalsozialismus

Vortrag

„Jederzeit widerruflich“ – so lautete ab 1935 die Standardformulierung für sogenannte Sondergenehmigungen, mit denen die Reichskulturkammer unter Joseph Goebbels einen Ausweg gefunden hatte, sich über staatlich verordnete Berufsverbote für Künstler jüdischer Herkunft oder mit Juden oder Jüdinnen verheirateter Künstler aus pragmatischen Gründen hinwegzusetzen. Die Verfolgung führender und prominenter Vertreter des deutschen Kulturlebens aus rassischen und politischen Gründen drohte zu einer Verarmung bisheriger Standards künstlerischer Qualität anzuwachsen.

Um diesen Verlust teilweise zu kompensieren, wurde es Schauspielern wie Paul Henckels, Hans Moser oder Heinz Rühmann, Sängerstars der Bayreuther Festspiele wie Frida Leider, Max Lorenz und vielen anderen Künstlern mit Hilfe von jederzeit widerruflichen Sondergenehmigungen gestattet, ihren Beruf weiter auszuüben. Weniger bekannt ist allerdings das tatsächliche Ausmaß dieses taktisch immer wieder variierten Instruments der NS-Kulturpolitik, das nicht nur Stars, sondern eine Vielzahl bewährter Kräfte bis hin zum technischen Personal betraf. Der angekündigte Vortrag befasst sich mit der Praxis dieser Sondergenehmigungen.


Mit freundlicher Unterstützung des Filmmuseums Potsdam zeigt die Gedenkstätte im Anschluss den Film „Ehe im Schatten“ von Kurt Maetzig (Deutschland 1947). Maetzig thematisiert in diesem schwarz/weiß-Drama die Geschichte des deutschen Schauspielers Joachim Gottschalk und seiner Ehefrau Meta. Aufgrund ihrer jüdischen Herkunft erhielt Meta Gottschalk Berufsverbot während ihr Ehemann bis 1940 mit Hilfe von Sondergenehmigungen weiter arbeiten durfte. Als das Reichspropagandaministerium ihn zur Scheidung zwingen wollte, beging er mit seiner Ehefrau Selbstmord. Kurt Maetzig, der nach den Nürnberger Gesetzen selbst als „Halbjude“ galt, erinnert mit seinem Film an das Schicksal vieler deutscher Juden wie auch seiner Mutter, die sich 1944 das Leben nahm.

Dr. Bärbel Schrader, Jg. 1942, Theaterwissenschaftlerin in Berlin, lange Jahre Mitarbeiterin am Zentralinstitut für Literaturgeschichte der Akademie der Wissenschaften der DDR, 1990 Gastprofessur in den USA; ab 1993 Mitarbeit an Forschungsprojekten der Humboldt Universität Berlin und der Universität Hamburg, 2008 erschien ihr Buch „Jederzeit widerruflich – Die Reichskulturkammer und die Sondergenehmigungen in Theater und Film des NS-Staates“.

Im Rahmen der Reihe „Menschen unter Diktaturen“ laden das Zentrum für Zeithistorische Forschung Potsdam, die Gedenkstätte Lindenstraße, die Beauftragte des Landes Brandenburg zur Aufarbeitung der Folgen der kommunistischen Diktatur und die Fördergemeinschaft „Lindenstraße 54“ herzlich zur Veranstaltung ein

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