Deutsche Gemütlichkeit und rheinischer Frohsinn gehen eine beklemmende Allianz ein: Die Narretei wird in fröhlicher Dreisamkeit zwischen Klaus Kinkel, Helmut Kohl und Claudia Nolte auf die Spitze getrieben. Gegenüber lächelt milde die "Brandenburgische Madonna"- so kann nur Henry Maske im Gewand der Mutter Gottes strahlen, den Boxhandschuh im Arme wiegend.
Das Lied des flachen Landes intonierend, posiert Peter-Michael Diestel in Gestalt des heimatverbundenen Country-Sängers. Im Bild daneben droht die große D-Mark fast den kleinen Lothar de Maizière zu überrollen, während die neue bunte Warenwelt im Tante-Emma-Laden durch den Ex-Bundeskanzler mit jovial-statischem Lächeln wohlfeil angeboten wird.
Bekannte Personen in ungewohnter Szenerie - das provoziert Heiterkeit. Doch bleibt einem das Lachen nicht plötzlich im Halse stecken? Tröpfelt da nicht auch Unbehagen in all die ausgelassene Fröhlichkeit? Jörg Haider mit Schnurrbart - was würde der Strichcode für einen Preis anzeigen, wenn man ihn über die Sammelkasse zöge? Ein Porträt mit beklemmender Weitsichtigkeit, es entstand 1994.
Der "Traum des Dachdeckers" Erich hingegen stammt aus dem Jahr 1988 - der immer noch bekannte Staatsmann mit dem ewig dünnen Lächeln hatte verbundene Augen und konnte wohl deshalb nicht die marodem Hausfassaden sehen, aus denen trotzig die Landesfahne gereckt wurde. Ganze zwei Tage hing - ein wenig versteckt zwar, aber dennoch - diese bitter-ironische Beschreibung des real-sozialistischen Alltags in einer Ausstellung in Greiz.
Wer ist der Schöpfer dieser neuen "Menschenbilder"? Mit diabolischer Lust am Kreatürlichen handhabt Andreas Prüstel meisterlich Schere und Klebstoff. Da thront auf seinem Schemel das feingliedrige Energiebündel am penibel geordneten Arbeitstisch und erinnert stark an eine bekannte Märchenfigur. Genauso furchtlos und unerschrocken gegenüber den Großen und Mächtigen beherrscht dieses "tapfere Schneiderlein" aus Pankow die seltene Kunst des Collagierens.
"Politiker und andere Menschen" geben sich in den Räumen der Landeszentrale für politische Bildung ein herzliches Stelldichein. Die Auswahlkriterien sind streng: Nur Menschen mit Ausstrah-lung und profilierter Reibungsfläche haben das Glück, durch scharfe Schnitte kunstgerecht zu neuem Leben erweckt zu werden.
"Weichgespülte Politiker" interessieren Prüstel nicht. Mit ausgeprägtem Gespür für Hintersinn und Widerspruch schöpft er aus dem unermüdlich sprudelnden Quell politischer Realsatire. Despektierlich wird dann auseinander genommen und zusammengeklebt und aus Idee und handwerklicher Kunstfertigkeit entsteht das humorige Schnittwerk - ein Unikat mit beißendem Spott oder ironischem Doppelsinn. Beim Betrachter ist politische Neugierde und Erinnerungsvermögen gefragt - sonst verhüllt der Mantel der Geschichte gnädig die Großen von einst.
Die Collagen-Menschen von Andreas Prüstel erzielen Heiterkeit oder fordern zu Widerspruch heraus. Darin sind sich Kunst-Figur und reales Vorbild plötzlich ähnlich. Und das freut den Künstler. Mit diebischem Vergnügen trifft er immer wieder den Nerv der Zeit - und polarisiert, wird wahrgenommen. Das beste, was einem Satiriker passieren kann. Nur Arbeiten von zeitloser Qualität werden in der schnelllebigen Gattung der Tageskarikatur einen beständigen Platz finden. Prüstels Collagen gehören dazu.
Martina Schellhorn
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung
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