Angesichts der sich zuspitzenden Krisenprozesse in Europa erscheint die gesellschaftliche und politische Entwicklung in Deutschland wie die Ruhe im Zentrum des Sturms. Während in anderen europäischenLändern relevante Teile der Bevölkerung gegen Austeritätspolitik und Ent-Demokratisierung revoltieren, herrscht in Deutschland weitgehend Ruhe. Gleichzeitig wird das „deutsche Modell“ zum zweifelhaftenVorbild für ein neoliberales Krisenmanagement erkoren. Doch wie stabil sind die Verhältnisse? Maßgeblichdafür sind eine Reihe von Spaltungen: Prekäre versus Kernbelegschaften, „gesellschaftliche Mitte“ gegen„Unterschichten“, prekäre Sorgearbeit wird an MigrantInnen ausgelagert. In der Krise wird v.a. bei der arbeitslosen „Unterschicht“ gekürzt, rassistische Krisendiskurse a la Sarazin finden viel Zuspruch. Doch gleichzeitig nehmen die Widersprüche zu: das Vertrauen in Parteien und parlamentarisches System schwindet, Kehrseite der florierenden Exportindustrie sind Burnout und die Krise der neoliberalen Lebensweise. Neoliberale Anrufungen von Flexibilität und individueller Freiheit erschöpfen sich in der Realität prekärer Arbeits- und Lebensverhältnisse.
Gemeinsam wollen wir versuchen, den Herrschaftszusammenhang, die widersprüchlichen Verbindungen von Klassenverhältnissen, Rassismus, hierarchischen und hetero-normativ geprägten Geschlechterverhältnissen zu verstehen. Es geht darum, nicht von gelingender Herrschaftsausübung auszugehen, sondern die Widersprüche, Krisen und sozialen Kämpfe in den Blick zu nehmen:
Welche gesellschaftlichen Auseinandersetzungen werden um die „Care-Krise“, die sozial-ökologischenKrisen und die Prekarisierung alltäglicher Lebensweisen geführt? Wo liegen Widersprüche zwischen linker Klassenpolitik, antirassistischen und feministischen Kämpfen? Wie können Spaltungslinien durch solidarische Allianzen überwunden werden?
Wie können Einstiege in sozialistische Gesellschaftsveränderungen aussehen, die die Vielfalt gesellschaftlicher Herrschaftsverhältnisse und der Emanzipationskämpfe zum Ausgangspunkt nehmen? Welche Rolle spielt die "Parteifrage" angesichts der Suche nach neuen Organisierungsformen und der Krise der Repräsentation für die Verbindung unterschiedlicher gesellschaftlicher Kämpfe und Bewegungen?
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