Das  kleine Flugzeug hat ihn, den Mann in der Mitte des Lebens, direkt von  Akureyri nach Grimsey gebracht. Die winzige isländische Insel im  Nordmeer, durch die der Polarkreis verläuft, ist für ihn, der schon viel  herumgekommen ist, der fünfte arktische Boden, den er betritt. Sein Weg  führt ihn über das karge Eiland, hinein in eine Kirche, in der ein  merkwürdiges Summen tönt: Fliegen sind es, unzählige Fliegen, aber auch  schon tote, verknäult, verklumpt. Draußen, in der Einsamkeit und Natur,  Erinnerungen an früher, als er Kind war und Sandinseln am Strand baute,  als er ein Junge war und Altpapierlager nach Büchern durchstöberte, als  er ein Mann wurde, sich auflehnte und verhaftet wurde. 
 „Eine sehr wunderbare Erscheinung ist dieses Buch.“, schrieb Sarah Kirsch, die dissidente ehemalige DDR-Autorin, über „Grimsey“.
Ulrich Schacht wurde 1951 im Frauengefängnis Hoheneck geboren und wuchs in Wismar auf. 1973 in der DDR wegen „staatsfeindlicher Hetze“ zu sieben Jahren Freiheitsentzug verurteilt, von denen er knapp 3 Jahre in der Haftanstalt Brandenburg-Görden verbüßte, wurde er 1976 in die Bundesrepublik entlassen. Dort arbeitete er als Feuilletonredakteur und Chefreporter Kultur für Die Welt und Welt am Sonntag. Schacht erhielt verschiedene Preise, Auszeichnungen und Literaturstipendien, u. a. den Theodor-Wolff-Preis für herausragenden Journalismus. Er gilt als ein streitbarer Publizist, der sich nicht Konventionen, sondern einer humanistischen Tradition verpflichtet fühlt. Seit 1998 lebt Ulrich Schacht als freier Autor in Schweden. Zuletzt bei Aufbau: „Vereister Sommer“ (2011) und „Grimsey“ (2015).
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