Desinformationen scheinen allgegenwärtig. Die Folgen für unsere Demokratie und unsere Meinungsbildung sind enorm. Wir haben mit Romy Jaster, Philosophin und Argumentationstrainerin, darüber gesprochen, warum Desinformationen so gefährlich für unsere Gesellschaft und unsere Demokratie sind.
Am 12.11.2025 war Dr. Romy Jaster bei uns zu Gast. Die Philosophin und Argumentationstrainerin lehrt am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität Berlin. Mit ihr sprachen wir darüber, in welchen Formen Desinformation heute auftritt, wie sie sich verbreitet und welche Rolle künstliche Intelligenz und soziale Medien dabei spielen. Gemeinsam diskutierten wir, was unsere Demokratie aushalten kann, was es bedeutet, wenn Desinformationen immer schwerer von Fakten zu unterscheiden sind und was nötig ist, um ihr wirksam zu begegnen.
„Desinformation muss nicht so wirken, dass ich jemanden dazu bringe, etwas Falsches zu glauben, [...] sondern sie kann auch darin bestehen, dass ich es schaffe, dass niemand mehr weiß, was er glauben soll. Das ist genauso schlimm, vielleicht sogar schlimmer.“ Romy Jaster
„Aber ich denke, man kann schon ganz gut zeigen, dass Desinformation zwar kein Problem ist, das durch digitale Strukturen überhaupt erst in die Welt kommt, dass diese hohe Virulenz von Desinformation aber doch sehr viel mit der Architektur digitaler Umgebungen zu tun hat und damit, wie unsere Überzeugungsbildungsprozesse eben auch auf den Holzweg geraten können.“ Romy Jaster
In der Veranstaltungsaufzeichnung spricht Romy Jaster darüber, wie gezielte Desinformation unser Verständnis von Wahrheit, unser Vertrauen in Institutionen und damit auch das Funktionieren der Demokratie gefährdet.
Wichtigste Punkte des Vortrags
- Desinformation ist die gezielte Verbreitung falscher oder stark verzerrter Informationen, um Menschen zu täuschen.
- Sie trägt dazu bei, dass das Vertrauen in Medien, Wissenschaft und staatliche Institutionen abnimmt und fragwürdige Quellen an Bedeutung gewinnen.
- Häufig werden gezielt Zweifel erzeugt, damit Menschen grundsätzlich unsicher werden, welchen Informationen sie überhaupt noch glauben können.
- Soziale Medien und Suchmaschinen verstärken das Problem, weil ihre Algorithmen auf Aufmerksamkeit und Klicks und nicht auf Wahrheitsgehalt optimiert sind.
- Desinformation gefährdet die Demokratie, weil für einen funktionierenden politischen Austausch eine gemeinsame Faktenbasis und ein Grundvertrauen in zentrale Institutionen notwendig sind.
Fragen aus dem Publikum
Gerüchte gab es schon immer. Ist das nicht im Grunde eine Linie vom normalen Gerücht hin zu Fake News und moderner Desinformation?
Gerüchte sind eine Vorform beziehungsweise ein verwandter Typ von Desinformationen. Historisch waren Gerüchte eine akzeptierte Informationsquelle, weil es insgesamt sehr wenig Informationen gab. Heute haben wir das Gegenteil: eine Überfülle von Informationen. Viele Menschen können verlässliche Information kaum von Gerüchten und ähnlichen Formaten unterscheiden
Was ist eigentlich der Unterschied zwischen Desinformation und Propaganda?
Desinformation und Propaganda sind eng verwandt. Unter Propaganda wird Kommunikation mit einer klaren ideologischen oder politischen Zielsetzung verstanden. Viele Desinformationskampagnen dienen genau solchen Zielen, dann weisen sie viele Ähnlichkeiten mit Propaganda auf oder sind Propaganda. Es gibt aber auch Desinformation ohne ideologischen Zweck, etwa „Clickbait-Farmen“, die erfundene oder zugespitzte Inhalte nur zur Klick- und Werbegenerierung produzieren.
Medien wählen Nachrichten aus, benutzen oft Fremdwörter und senden ständig Neues. Viele verstehen das nicht oder fühlen sich überfordert. Tragen Medien so selbst zur Desinformation bei?
Sprache, Auswahl und Tempo beeinflussen Verständlichkeit und Ausgewogenheit. Gleichzeitig stehen Medien unter wirtschaftlichem Druck und in Konkurrenz zu vielen neuen Kanälen und sozialen Medien. Dadurch geraten auch Qualitätsmedien in Zugzwang, immer schneller und mehr zu berichten. Desinformation kann auch entstehen, wenn Wichtiges strategisch ausgelassen wird. Die Verantwortung liegt aber nicht nur bei den Medien, sondern auch in der veränderten Informationsarchitektur, also darin, wie Webseiten aufgebaut werden, um die Interaktion der Nutzerinnen und Nutzer zu leiten
zu Gast: Dr. Romy Jaster, Wissenschaftlerin am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin
BLPB, Dezember 2025
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