The American Scene: Selbstbild USA

In den Vereinigten Staaten von Amerika hatte das Office of War Information – Overseas Branch (OWI) mit dem Übersee-Filmprogramm „The American Scene“ ein idealtypisches Selbstbild von den USA und der Demokratie entworfen, um amerikanische Lebensweise, Demokratie und ihre Werte aufzuzeigen.

Die Filme umfassen alle Lebensbereiche: Schule, Landwirtschaft, Ernährung, Verkehr, Alltag. Inszeniert und idealisiert, enthalten sich die Filme weitgehend einer Darstellung von Problemen und Widersprüchen, aber auch von Belehrung oder Oktroi. Das vorausgesetzt, finden sich in ihnen die amerikanische Gesellschaft und amerikanisches Demokratieverständnis modellhaft abgebildet. So modellhaft und experimentell, wie der Lehrer in der Schule seinen Gegenstand präpariert, um das Wesen einer Sache der Beobachtung und Bearbeitung der Lernenden zugänglich zu machen.

Idealiter sind die Filme, als sie Propagandafilme sind und Propaganda betreiben für eine Weltanschauung, nämlich die Anschauung der Neuen Welt. In diesem Sinne haben sie eine Schnittstelle mit den roots, der Gründungslegende der Vereinigten Staaten als einem Großprojekt der Demokratiegeschichte. Insofern sind sie unter zwei Gesichtspunkten zu lesen, dem der Propaganda und dem der Quellen.

Wenn eine Auffassung und Anschauung der Dinge, wie sie durch Erziehung und Demokratie in den USA so allgemein geworden ist, dass sie in die allgemeine Anschauung vom Wesen der Dinge eingegangen ist und der Selbstverständigung der Gesellschaft immerfort Nahrung gibt, dürfte sie auch der unhinterfragte Boden sein, aus dem diese Filme entstanden. Recht besehen, stellen sie Annäherungen an die amerikanische Großerzählung dar.

Die Produktion dieser Filme verdient eine besondere Erwähnung.

Von der Administration, also vom Staat, inspirierte und bezahlte Filme galten für Hollywood und in den USA als nicht hinnehmbare Ungeheuerlichkeit, beinahe als „Sozialismus“. Das betraf zwei Aspekte, auf die Amerikaner empfindlich reagierten. Zum einen griffen staatlich finanzierte Filme in die Wettbewerbsfreiheit ein und wurden folglich von der gesamten Branche, einschließlich der Kinoketten, boykottiert. Zum anderen wurde Propaganda und Meinungsbeeinflussung von Staats wegen, auch schon im kleinsten Ansatz, abgewiesen. Dem gegenüber hatte der Kongress keinen Vorbehalt,

den übrigen Teil der Welt mit filmischen Abhandlungen über die Vorzüge der amerikanischen ’Lebensweise’ zu beglücken, und auch die Filmindustrie Hollywoods hatte keinen Grund, von dieser Seite Konkurrenz zu fürchten.“ (Richard Griffith 1965, S. 98f *)

Nebenbei gesagt hatte der Krieg die Entwicklung des amerikanischen Films eher unterbrochen als gefördert. Die Produktionen von Heer und Marine, so bemerkenswert und bedeutend sie waren, wie z.B. die Serie „Why We Fight“, blieben auf dem Niveau faktenmäßig beschränkter Informations- und Lehrfilme. Die einzige Filmproduktion, „wo Filme in Vorkriegstradition von Leuten produziert wurden, die bereits auf dem Dokumentargebiet gearbeitet und sich ausgezeichnet hatten“, war die der Überseeabteilung des OWI.

Die Vereinigten Staaten waren von Anfang an als Wirtschaftsgesellschaft formiert, die mit Staat nichts zu tun hatte. Das betraf auch die Massenmedien, wie Zeitungen, Rundfunk, Film, Fernsehen.

Jede Gruppe und Institution hat gemäß dieser Vorstellung potentiell Zugang zu und Zugriff auf Massenmedien und ist insofern befähigt, ihre gesellschaftlichen Interessen im demokratischen Prozeß der Meinungs- und Willensbildung angemessen zu artikulieren. (...) Entweder stellt sich 'pluralistische’ Konkurrenz zwischen den Medien her, oder die Medien sind in sich pluralistisch, was dann auch für den Fall des staatlichen Systems gelten müsste, das intentional zumindest Sprachrohr sämtlicher gesellschaftlicher Interessen und Bedürfnisse sein sollte. Pluralistisches Selbstverständnis erweist sich jedoch als ideologisch, da die faktischen politischen und ökonomischen Macht- und Herrschaftsverhältnisse eine freie Konkurrenz von Meinungen zu großen Teilen verhindern. (...) Begrenzt ist sie insofern, als sie sich weitgehend im systemkonformen Rahmen bewegt, obwohl die staatliche Exekutive kaum reglementierend eingreift. Pluralismus dieser Art funktioniert auf der Grundlage eines gesellschaftlichen Konsensus der amerikanischen bürgerlichen Gesellschaft.“ (Mettler 1975, S. 44f *)

Der Staat, also die Administration, besaß wenig Möglichkeiten, sich oder die Gesellschaft zu interpretieren. Erst der New Deal, dann Zweiter Weltkrieg und Kalter Krieg brachten es mit sich, staatliche Informationspolitik auch in den USA zu akzeptieren und zum Instrument amerikanischer Außen- und Innenpolitik zu machen.

Die alte Trennung von Staat und Wirtschaftsgesellschaft (...) wurde im Bereich der Informationsgebung durch politische Zwänge aufgegeben.“ (Mettler 1975, S. 44 *)

Nimmt man die ganz Filmgeschichte in den Blick, gleich, ob Spielfilm oder Dokumentarfilm, findet man natürlich die ganze Bandbreite des Zugangs zur amerikanischen Welt und der Auseinandersetzung mit ihr. Kritische Filme wie „Strange Victory“ (RE: Hurwitz, 1948) zum Beispiel hatten es schwer, an die Öffentlichkeit zu kommen, schon in den USA, geschweige denn im Ausland.

Kritische Filmemacher befanden sich alsbald, wie die „Hollywood Ten“, in den Ächtungskampagnen der McCarthy-Ära und auf den Schwarzen Listen der Filmproduzenten, die eine Weiterbeschäftigung verhinderten. Hurwitz, einer der künftigen „blacklisted mans“, prangert in seinem Film nicht nur die Rassendiskriminierung in den Staaten an, sondern stellt die Vormachtstellung der USA, die sie durch den militärischen Sieg in Europa errungen haben, und damit ihre Glaubwürdigkeit in Frage. „Und wenn wir den Sieg haben wollen, dann müssen wir ihn uns immer noch holen.“

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