1990 stand die Frage im Raum, ob die ostdeutsche Großchemie noch eine Zukunft hat. Privatisierung, Werksschließungen und Sanierungen veränderten Betriebe und Lebenswege. In der Landeszentrale sprachen wir mit Rainer Karlsch über diese Zeit voller Veränderungen.
Am 25. Juni 2025 durften wir Rainer Karlsch bei uns begrüßen. Er erzählte von der Gründung der Treuhandanstalt sowie Privatisierung und Umstrukturierung der ostdeutschen Chemie- und Mineralölindustrie. Dabei erhielten wir Einblicke in die Abwicklung vieler Betriebe und den damit verbundenen sozialen als auch wirtschaftlichen Folgen. Anschließend wurden persönliche Erinnerungen miteinander ausgetauscht.
„Die Treuhandanstalt war bis Mitte der 90er-Jahre eine Art Nebenregierung-Ost.“
„Im anderen Fall wäre das, was wir unter Großchemie verstehen, nicht mehr stehengeblieben. Da wären dann nur noch, überspitzt gesagt, Schafweiden stehengeblieben.“
Rainer Karlsch zieht Bilanz über die Arbeit der Treuhandanstalt und den Folgen für die ostdeutsche Chemie- und Mineralölindustrie.
Zu Gast ist: Rainer Karlsch, Autor
Meinungsbilder des Abends
- Der Staat übernahm bei großen Chemie-Privatisierungen rund 90 % der Altlastenrisiken. Das war Voraussetzung, damit Teile der ostdeutschen Großchemie erhalten blieben.
- Wo es noch tragfähige Technik und Absatz gab, hatten die Standorte echte Chancen.
- Viele alte Kombinate ohne Wettbewerbsfähigkeit wurden geschlossen oder stark umgebaut.
- Das Leitprinzip „schnell privatisieren“ brachte Abschlüsse zustande, aber oft zulasten sorgfältiger Prüfungen und sozialer Unterstützung.
- Willkürliche Eingriffe wie Enteignungen schrecken Investoren ab und schadet Deutschland als Wirtschaftsstandort.
Fragen aus dem Publikum
Sie hatten zum Eingang Guben erwähnt, das Chemiefaserkombinat. Können Sie dazu noch mal was sagen?
Die Produktion von Chemiefasern war in Westeuropa zu teuer, diese wanderte nach Asien. Es wurde teilprivatisiert, dann abgewickelt. Heute gibt es in Guben nur noch kleinere, spezialisierte Betriebe mit deutlich weniger Jobs.
Können Sie noch etwas zum Verbundnetz Gas (VNG) sagen? Das galt doch als Erfolgsmodell.
VNG war der ostdeutsche Monopol-Gasversorger und daher heiß umkämpft. Die Treuhand privatisierte an ein Konsortium Ruhrgas 35 %, BEB 15 %, die ostdeutschen Kommunen erhielten 20 % + 1 als Sperrminorität. Unter Klaus-Ebert Holtz bezog VNG nicht mehr ausschließlich russisches Gas, sondern ergänzte es um Lieferungen aus Norwegen und den Niederlanden.
BLPB, November 2025
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