Grundsätzlich hat jede Äußerung (kommunikationstheoretisch: jede „Nachricht“) neben einer Sachebene (die inhaltliche Botschaft) auch eine Beziehungsebene. Das heißt, sie enthält eine – bewusste oder unbewusste – Botschaft des „Senders“ über seine Einschätzung des Gegenübers (des „Empfängers“) und über die Beziehung zwischen beiden sowie den Versuch, diese Beziehung zu klären oder auch zu verändern.
Als Empfänger der Nachricht habe ich wiederum Einfluss darauf, ob der Schwerpunkt meiner Reaktion auf der Sach- oder der Beziehungsebene liegt. So enthält zum Beispiel die Äußerung eines „rechten“ Jugendlichen im Sinne der Leugnung des Holocaust einerseits eine Sachaussage hinsichtlich der Beurteilung eines historischen Ereignisses, auf der Beziehungsebene aber gleichzeitig die „Frage“, wie der angesprochene Erwachsene wohl auf eine solche tabuisierte und juristisch u.U. sanktionierbare Handlung reagieren, ob er ihn also z.B. zurecht weisen oder diese Grenzüberschreitung akzeptieren wird.
Die Beziehungsebene hat in der kontroversen Kommunikation zwischen „rebellischen“ Jugendlichen und erwachsenen „Autoritäten“ eine besonders starke Bedeutung. Auch im Falle einer bewussten Entscheidung für die inhaltliche Auseinandersetzung mit einer „rechten“ Äußerung darf die Bedeutung der Beziehungsebene gegenüber der Sachebene (des „überzeugenden Arguments“) nicht unterschätzt werden.
Ein junger „Rechter“ zum Beispiel hat sehr sensible Antennen dafür, nimmt wahr: „Was ist das für eine/r?“, „Wie redet der/die mit mir?“, „Wie sieht und behandelt sie/er mich?“, und oft nicht so sehr: „Ist das Argument hieb- und stichfest?“. Nonverbale Signale wie Körpersprache und -haltung, Mimik, Tonfall oder Lautstärke spielen eine wichtige Rolle dabei, wie eine Sachaussage beim Gegenüber ankommt.
Überheblichkeit oder andere Formen der Abwertung meines Gegenübers sollte ich nicht nur aus „ethischen“ Gründen vermeiden: Demütigung, das Gefühl, als „Verlierer“ aus einer Auseinandersetzung zu gehen, tragen sicher nicht zur Bereitschaft bei, die vertretene „rechte“ Einstellung zu hinterfragen.
Zwischen Mensch und Äußerung zu unterscheiden, also zum Beispiel deutlich zu machen, dass ich eine rassistische Äußerung nicht akzeptiere, ohne deshalb mein Gegenüber als ganze Person abzulehnen oder meinerseits verächtlich zu machen, erhöht dagegen meine Glaubwürdigkeit auch auf der Sachebene.
Rainer Spangenberg, 2008
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