Der Karikaturist als Wahlhelfer

Poeten
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Hinter hohen Zeitungsstapeln versteckt und eingehüllt in den blauen Dunst unzähliger Zigaretten, sitzt Dieter Zehentmayr in der 13. Etage des Verlagshauses in der Mitte Berlins an seinem Schreibtisch und hat den besten Ausblick über alte Plattenbauten der neuen deutschen Hauptstadt.

Mit wütender Lust und neugierigem Vergnügen verarbeitet hier der überzeugte Neu-Berliner seit 1997 seine Beobachtungen. Politiker oder solche, die es werden wollen, Koalitionäre oder Oppositionelle, Staatsmänner oder Landesfürsten, Erfolgreiche oder Gescheiterte beiderlei Geschlechts – seinem Zeichenstift entgeht niemand. Ohne zu suchen findet er um zu erfinden.

Die Akteure sind immer echt, die Geschichten so gut erdacht, dass sich Dichtung und Wahrheit auf satirischem Wege häufig begegnen und eine ironische Allianz eingehen, Übertreibung wird oft zur beklemmenden Wirklichkeit. Dabei sind die handelnden Personen unverkennbar wiedererkennbar, die Porträtgenauigkeit ist verblüffend, die feine Überhöhung trifft ohne zu denunzieren.

Es steckt eine große Kunstfertigkeit in den kleinen Zeichnungen von Zehentmayr, die er täglich als politischen Kommentar im Format von 17 x 13 Zentimetern für die „Berliner Zeitung“ und am Wochenende auch für den in Wien erscheinenden „Standard“ produziert.

Dieter Zehentmayr, der in seinem Heimatland Österreich zu den bekanntesten Karikaturisten zählt, geht es in seinen meisterlich gezeichneten Arbeiten nie um schenkelklopfenden Frohsinn. Sein Blickwinkel ist nicht die oberflächliche Betrachtung – seine Fähigkeiten liegen im scharfsichtigen Erkennen und hintersinnigen Beobachten, um dann mit strichelndem Stift komplizierte politische Zusammenhänge lustvoll zu entknäulen. Oft füllt er das Format mit Bildergeschichten, die sich in steigender Geschwindigkeit in eine Pointe entladen und beim Betrachter ein symbiotisches Gemisch von Witz und Erkenntnis erzeugen.

Er ist ein aufklärender Verdeutlicher – aktuell könnte man sagen: ein Wahlhelfer. Aber er macht es dem Betrachter nicht leicht. Er setzt Kenntnisse voraus, zwingt zum Nachdenken und zur Auseinandersetzung mit Worten und Programmen von Politikern und Parteien. Die Lust am Wissen über politische Zusammenhänge ist das Rüstzeug, um Zehentmayrs Gipfel der Heiterkeit erklimmen zu können.

Was kann politischer Bildung Besseres passieren?

Martina Schellhorn
Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung

 

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