Feindbild Polizei

Arschlöcher, Affen in Kampfanzügen, Handlanger der Besatzer, BRD-Sheriffs – die Liste der Beschimpfungen ist lang. Wie Rechtsextreme über die Polizei reden, hat eine Studie des Moses Mendelssohn Zentrums erforscht.

Polizei
Foto: Matt Schley, Lizenz: CC BY-NC-SA 2.0

Arschlöcher, Affen in Kampfanzügen, Handlanger der Besatzer, BRD-Sheriffs – die Liste der Beschimpfungen, die Neonazis gegen Polizisten verwenden, ist lang. Wie Rechtsextreme über die Polizei reden, das hat jetzt eine Studie des Moses Mendelssohn Zentrums der Universität Potsdam zum ersten Mal umfassend erforscht.

Die eindeutigsten polizeifeindlichen Äußerungen finden sich demzufolge bei den sogenannten „freien Kräften“ im Internet und in Liedtexten der Rechtsrockszene. Für die Untersuchung haben die Forscher rund 15.000 Liedtexte der Szene durchgesehen, die zwischen 1984 und 2011 auf rechtsextremen Tonträgern erschienen sind. In rund 500 Liedern ging es dabei um die Polizei – eine überraschend hohe Zahl nach Einschätzung der Wissenschaftler.

In den Texten werden Polizisten beleidigt, aber auch zu Gewalt bis hin zur Tötung aufgerufen. Die Aggression, die darin deutlich wird, hat inzwischen die rein musikalische Ebene verlassen und kommt direkt bei den Polizisten an. Andreas Schuster, Vorsitzender der Polizeigewerkschaft Brandenburg, hat dies bestätigt. Anders als früher würden Neonazis die Auseinandersetzung mit der Staatsmacht heute direkt suchen. Zum Teil drohten sie den Beamten dabei ganz offen. „Wir wissen wie du heißt, wo du wohnst und auf welche Schule deine Kinder gehen“. Bemerkenswert ist der Grund, den Schuster für die zunehmende Aggressivität sieht. Polizei und Justiz seien zum Feindbild geworden, weil die rechte Szene seit Jahren unter einem staatlichen Verfolgungsdruck stehe.* Auch ein gestiegenes Selbstbewusstseins der rechtsextremen Szene sei dafür verantwortlich, heißt es in der Potsdamer Studie.

Du wirst bluten, Bulle! Wo bist Du Bullenschwein? Ich will Deine Augen seh’n, Bulle! Deine Augen! Und dann schick ich Dich zur Hölle!... Wir müssen Euch töten! Wir sind die Zukunft! ... Bullen haben Namen und Adressen, kein Vergeben und kein Vergessen. Bullen haben Namen und Adressen, kein Vergeben und kein Vergessen.“ Weisse Wölfe, Kein Vergeben. Kein Vergessen (2002). Zitiert aus der Studie Feindbild Polizei, S. 16.

Im Internet gehört der Themenkomplex Polizei zu den zentralen Inhalten auf fast allen rechtsextremen Seiten. Auffällig sei – wie auch in den Musiktexten – die Unterscheidung zwischen „guten Polizisten“ und „schlechter Polizei“. In vielen Online-Texten werden auch neutrale Begriffe verwendet wie Polizei, Staatsschutz, Polizist und so weiter. Im Vergleich zu anderen Gruppen wie Ausländern, Juden oder Homosexuellen kämen die Polizisten dabei  „noch gut weg“, so die Autoren der Studie.

Einen Grund dafür sehen sie in der traditionellen rechtsextremistischen Vorstellung von Ordnung. Die Polizei spielt darin eine wichtige Rolle als „Aufräumer“. Die rechte Szene schätzt die hierarchischen Strukturen, die Uniformen und die Problemlösung durch Gewalt. Man zeigt Verständnis für die Arbeitsumstände der Polizei und kritisiert sogar Einsparungen wie die Schließung von Polizeiwachen in Brandenburg. Im Senftenberger Blog (SFB Infos) fanden die Potsdamer Wissenschaftler diesen Kommentar:

Die Polizei ist nicht unser Feind und wir kämpfen auch nicht gegen sie, sondern für das Überleben und eine Zukunft unseres Volkes.“

Offenbar nutzt insbesondere die NPD die Unterscheidung in ihrer Propaganda, um eine „eigentlich gute Polizei“ von „einer eher schlechten Polizeiführung“ zu trennen. Sie selbst lehnt dabei offiziell Gewalt gegen Polizisten ab. Sie ist aber häufig eng mit den „freien Kräften“ und der rechtsextremen Internet-Szene personell verbunden, so dass hier durchaus eine Arbeitsteilung vermutet werden kann. Für die gesamte Szene gilt hingegen: Die Rechtsextremen sehen sich immer als Opfer und Verfolgte, nie als Täter. Dabei wird auch regelmäßig der Vergleich mit der Unterdrückung von Andersdenkenden in der DDR und den von der Staatssicherheit angewandten Methoden gezogen wie etwa auf der Homepage der Rechtsrockband „Spreegeschwader“.

Das Fazit der Untersuchung: In den letzten Jahren hat sich das Verhältnis der rechten Szene gegenüber Polizeibeamten geändert. Neben die traditionelle Sicht auf die Polizei als Ordnungsfaktor ist ein spezifisch rechtsextremes „Feindbild Polizei“ getreten. Auch Richter und Staatsanwälte gehören neuerdings zu den Feindbildern. In ihrem Auftreten orientierten sich die Neonazis dabei an militanten Linksextremisten, so der Verfassungsschutz. Vor allem die „autonomen Nationalisten“ würden Straßenkämpfe und Gewalt gegen politische Gegner und Polizisten befürworten.

In den neuen Bundesländern insgesamt - auch das ist ein Ergebnis der Studie - sind darüber hinaus die Auswirkungen der jüngsten deutschen Vergangenheit gleich zweifach spürbar: Einerseits knüpfen Neonazis direkt an nationalsozialistische Denkmuster an, andereseits wirke die ausgeprägte Sytemfeindlichkeit der rechten Szene aus der Spätphase der DDR nach. An die Propaganda dieser Zeit werde zum Teil bewusst angeknüpt.

Globaler Rechtsextremismus: Einflüsse auf das rechtsextreme "Feindbild Polizei" stammen zum Teil auch aus dem rechtsextremen Spektrum in den USA. Der US-amerikanische Rechtsextremismus ist traditionell eher staatsfern und staatsfeindlich.


Landeszentrale, Mai 2013

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