Ausstellungseröffnung

3. Juni 2008

Peter Ensikat
Peter Ensikat bei der Ausstellungseröffnung in der Landeszentrale; Foto: Katrin Schmidt

Laudatio zur Ausstellungseröffung von Peter Ensikat

Fontanes Bemerkung, dass uns erst die Fremde lehrt, was wir an der Heimat besitzen, gehört für uns Ostdeutsche zu jenen Erfahrungen, die wir erst machen konnten, als die Mauer gefallen war und wir diese Fremde kennen lernen durften. Dieser Blick in die Fremde hat unsere Sicht auf die Heimat vermutlich stärker verändert als zuvor jede, noch so andächtige Wanderung durch die Mark.

Überhaupt hätten seinerzeit wohl viel weniger von uns für die Schönheit märkischer Landschaft geschwärmt, wären da nicht Fontanes wunderbare Texte gewesen. Manchmal mochte auch nicht ganz klar sein, wer hier wen so schön machte – die Landschaft die Beschreibung oder umgekehrt. Denn aufregend ist der Landstrich ja bestimmt nicht. Hier ergreift keine Loreley den Schiffer mit wildem Weh. Hier gibt’s die Spreewaldgurke, den Beelitzer Spargel und die Teltower Rübchen.

Hier, im Flachland der Gefühle brennt auch die große Leidenschaft auf kleiner Flamme. Romeo und Julia in Großbeeren oder in Trebbin? Nein, die brandenburgische Phantasie hat ihre Grenzen, und die großen Gefühle legen sich hier von selbst. Hier sind die Berge so klein wie die Leute. Das Wasser so still wie die Fische.

Man war und ist protestantisch nüchtern bis auf die Knochen, auch wenn man mit Kirche und Religion nicht mehr viel am Hut hat. Der Hirt ist weg, die Herde ist geblieben. Auch der Sozialismus scheint an den Märkern fast spurlos vorbei gegangen zu sein. Die DDR ist nicht gescheitert am Widerstand der Leute hier, sondern an jener zutiefst brandenburgischen Toleranz, die man am besten mit Gleichgültigkeit übersetzt. Rudi Dutschke und Luckenwalde – ich weiß nicht, wer sich des anderen mehr geschämt hat.

Peter Ensikat; Foto: Katrin Schmidt

Peter Ensikat; Foto: Katrin Schmidt

Die Michael Kohlhaas kommen und gehen, ihre Spuren verwehen in der märkischen Streusandbüchse. Auf diesem Sandboden wachsen keine Palmen. Hier wohnen auch nicht die dümmsten Bauern. Unsere Kartoffeln waren nie die größten.

Das alles hat sich auch mit dem Einzug von Demokratie und Marktwirtschaft kaum verändert. In Brandenburg liebt man die da oben nicht, auch wenn man sie selbst gewählt hat. Man lässt sie leben, so lange sie einen leben lassen.

Der Satz, es solle jeder doch nach seiner Facon selig werden, ist nicht zufällig in Potsdam gesprochen worden, obwohl es mir immer schwer fiel mir vorzustellen, es könnte einer selig werden in Potsdam. Aber seit es nun hier außer der Demokratie auch die neuen – oder sind es die alten - Besitzverhältnisse gibt, hat die Zahl der Potsdamseligen beträchtlich zugenommen. Wo einst der verarmte Landadel wohnte, wohnt heute der weniger arme Geldadel. Das treibt die Grundstückspreise in die Höhe.

Aber auch, wer als Brandenburger keinen Quadratmeter märkischen Bodens sein eigen nennt, kann sich draußen in der schönsten Ferne durchaus nach dieser märkischen Streusandbüchse zurück sehnen. Erst jetzt, da unser Fernweh gestillt ist, können wir wirklich Heimweh empfinden. Seit ich das Mittelmeer kenne, liebe ich zum Beispiel die Ostsee.

Wer hätte zu DDR-Zeiten vermutet, dass Brandenburg nicht weniger, nur anders schön sein kann als die Provence? Das, was wir bei uns zu DDR-Zeiten als schrecklichen Verfall empfanden, genossen wir dann auf Reisen in Südfrankreich oder Spanien als morbiden Charme. Dabei hatten wir davon doch mehr als genug bei uns zu Hause. Dass Ruinen schön sein können, wer wollte das glauben angesichts unserer verfallenden Innenstädte, der heruntergekommenen Gutshöfe und Schlösser im Lande? Dass in der DDR nicht alles schlecht war, wissen wir ja auch erst, seit wir die Bundesrepublik kennen.

So, das war jetzt ein langer Anlauf, um zum Thema der Ausstellung zu kommen. Andreas Kämper ist – er hat das Quartier-Bresson Wort selbst zitiert – „auf Sammetpfötchen, aber mit Argusaugen“ durch das Brandenburger Land gezogen und hat fotografiert, was hier an Altem neu und an Neuem alt ist. Heraus gekommen sind viele poetische Bilder mit jenem morbiden Charme, den viele von uns erst zu schätzen wissen, seit wir in der bunten Trostlosigkeit einer touristischen Gegenwart angekommen sind, wo nicht nur Blechmusik und Würstchenbude den Gästen die Freizeit vertreiben sollen.

Um den Fremdenverkehr zu beleben, ziehen sich die Eingeborenen bunte Kostüme an und veranstalten Volksfeste mit historischem Ritter- oder Soldatenspiel. Dafür wird eine angeblich gute alte Zeit, die es so bestimmt nie gegeben hat, nachgestellt. Wie das aussieht, ist auf einigen der Farbfotos zu betrachten.

Das Hübsche und das Schöne finden wir in dieser Ausstellung ganz dicht bei einander. Dass das Hübsche nicht schön ist und das Schöne nicht hübsch, sticht ins Auge. Manche Ruine ist schön, mancher hübsch restaurierter Bau erscheint trostlos. Mag sein, dass Kunst manchmal die Wirklichkeit entstellt.

Auch der Blick von Andreas Kämper auf die märkische Wirklichkeit ist ein anderer als der des Touristen. Die hier endlich ausgestellten Fotografien sind nicht unbedingt geeignet für die Werbeprospekte der Reiseveranstalter. Dieses Nebeneinander von Bildern und Motiven, die so gar nicht zusammen zu passen scheinen, macht für mich den Reiz dieser Ausstellung aus. Das hübsch Bunte erscheint zuweilen lächerlich oberflächlich, während das gar nicht geschönte Schwarz/Weiß so viel Poesie enthält. Es handelt sich hier – das werden Sie spätestens beim zweiten Blick erkennen – um Fotokunst. Und zum Wesen der Kunst gehört nun mal, dass sie die Wirklichkeit so weit entstellt, bis sie kenntlich wird.

Zwei kleine Anekdoten sollen verdeutlichen, was ich meine. Die erste handelt von einem kleinen Mädchen, das seine Eltern und Lehrer dadurch verblüfft, dass es mit schlafwandlerischer Sicherheit zwischen Kitsch und Kunst unterscheiden kann. Befragt, woran sie das erkenne, sagt sie: Ganz einfach – alles, was mir gefällt, ist Kitsch, und was mir nicht gefällt, ist Kunst.

Die zweite Anekdote handelt vom letzten sächsischen König. Friedrich August der Dritte hatte seinerzeit – wie später Erich Honecker auch – die regelmäßig stattfindende Dresdner Kunstausstellung feierlich zu eröffnen. Bei dem anschließenden Rundgang blieb er vor einem Bild stehen, auf dem der Himmel grün und die Bäume blau gemalt waren. Als er den Maler nach dem Sinn solcher Farbgebung fragte, erklärte dieser: „Majestät, ich sehe das so.“ Die schlichte Antwort des sächsischen Königs lautete: „Nu, da häddense nich Maler wern sollen.“

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