Wanderungen durch die Mark Brandenburg

Eine fotografische Entdeckungsreise auf den Spuren Theodor Fontanes von Andreas Kämper

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Vor mehr als 100 Jahren bereiste Theodor Fontane die Mark Brandenburg. Seine liebenswürdig-kritischen Beobachtungen begleiten bis heute Touristen bei der Entdeckung der Landschaften und Orte rund um Berlin.

Auch der Fotograf Andreas Kämper begab sich auf die Wanderschaft und fand mit seiner Kamera die alten Gebäude und Aussichtspunkte, die schon Fontane fasziniert hatten. Er fotografierte aber auch die veränderten Landschaften, Blickwinkel und Aussichten, die heute im verblüffenden Kontrast zu den damaligen Reisebeschreibungen stehen.

"Hier, im Flachland der Gefühle brennt auch die große Leidenschaft auf kleiner Flamme. Romeo und Julia in Großbeeren oder in Trebbin? Nein, die brandenburgische Phantasie hat ihre Grenzen, und die großen Gefühle legen sich hier von selbst. Hier sind die Berge so klein wie die Leute. Das Wasser so still wie die Fische." (Peter Ensikat zur Eröffnung der Ausstellung)

Entdeckungsreise

„Erst die Fremde lehrt uns, was wir an der Heimat besitzen.“ Diese Erkenntnis stellte Theodor Fontane im Vorwort seiner berühmt gewordenen Prosa voran. Es ist das Fazit seiner „Streifereien in der Fremde“, dort erfuhr er die ersten Anregungen, die zum Entschluss reiften, die Heimat mit anderen Augen sehen zu können. „Ich bin die Heimat durchzogen, und ich habe sie reicher gefunden, als ich zu hoffen gewagt hatte. Jeder Fußbreit Erde belebte sich und gab Gestalten heraus ...“

Dies hat seine aktuellen Parallelen in der heutigen Zeit, deren Sicht geprägt ist von Globalisierung, Technikeuphorie und Massentourismus, dessen Abenteuerlust sich erschöpft im schnellen Run auf Mallorca und Thailand. Deshalb – finde ich – ist es nicht minder an der Zeit innezuhalten, sich zu besinnen auf das Abenteuer der Nähe und deren möglicherweise überraschende Fülle und ungesehenen Reichtum.

Absicht meines Projektes war es, Interessantes und Sehenswertes in diesem Land aufzuspüren und die Wegstrecke der literarischen Vorlage als roten Faden zu nutzen. Ebenso wie vor 100 Jahren sollte hier eine Entdeckungsreise beginnen, die nicht optisch Literatur widerspiegeln soll, sondern genau wie damals auf den Reiz des Naheliegenden aus ist. Wandern mit der gleichen Lust auf Vertrautheit, Überraschung, Schönheit.

Es geht um die Rückbesinnung in der Art des Sehens, des sich Näherns, des Erlebens. Wie es sich in der Devise des Klassikers der Reportagefotografie Henri Quartier-Bresson ausdrückt: „Auf Sammetpfötchen, aber mit Argusaugen“.

Also habe ich mich auf den Weg gemacht und gesammelt, „wie ein Spaziergänger, der einzelne Ähren aus dem reichen Felde zieht.“ Und bemühte mich zu beherzigen, was Fontane dem in die Mark Brandenburg Reisenden als unerlässlich riet: Er sollte zunächst die Liebe zu Land und Leuten mitbringen und sich ferner mit einer feineren Art von Natur- und Landschaftssinn ausgerüstet fühlen. Er muss die Geschichte des Landes kennen und darf nicht allzu sehr durch den Komfort großer Touren verwöhnt und verweichlicht sein. Und "wenn du das Wagstück wagen willst – fülle deinen Beutel mit Geld. Reisen in der Mark ist alles andre eher als billig."

Andreas Kämper, Fotograf
 

Großbeuthen

Großbeuthen

Die Augustsonne fällt auf das am Dorfausgange gelegene Herrenhaus. Der alte Torweg, der von der Straße her auf den Hof führt, ist eine Blumenpforte geworden, und auf den Steinpfeilern rechts und links wehen die preußischen Fahnen.

Ebenso hat sich das an sich einfache Herrenhaus verändert und ist kaum noch das alte. Seine weißgetünchten Wände blicken nur hier und da noch aus der Umrahmung von Festons und Guirlanden hervor, und die Vorbautreppe verbirgt ihr schlichtes Geländer hinter einem Walde von hohem Schilf. Aus der weit offenstehenden Türe lugt von Zeit zu Zeit ein Mädchenkopf hervor und fragt mit jedem Blick über den Hof hin: »Ob sie kommen?«

THEODOR FONTANE

Gröben

Gröben. Foto: Andreas Kämper
© Andreas Kämper

Gröben gilt bei seinen Bewohnern und fast mehr noch bei seinen Sommerbesuchern als ein sehr hübsches Dorf. Ich kann aber dieser Auffassung, wenn es sich um mehr als seine bloße Lage handelt, nur bedingungsweise zustimmen.

Gröben hat ein märkisches Durchschnittsansehen, es ist ein Dorf wie andre mehr, und alles, was als bemerkenswert hübsch in seiner Erscheinung gelten kann, ist seine von einem hohen Fliedergebüsch, darin die Nachtigallen schlagen, umzirkte Kirche.

THEODOR FONTANE

Kapellenberg

Kapellenberg

Erst über ein breites Brachfeld hin und bald danach einen Waldweg hinauf, erreichten wir die Kuppe des unser nächstes Ziel bildenden Kapellenberges und betraten den alten Bau, der seinerzeit diesem Berge den Namen gegeben.

Zwei Wände sind eingestürzt, zwei stehen noch, so dass es auch für den Laien ein leichtes ist, sich alles wieder in Vollständigkeit vorzustellen.

Es war eine gotische Kapelle, zehn Schritt im Quadrat, nach allen vier Seiten hin offen, genau nach Art jener Baldachine, denen man in alten Domen so oft über dem Altar begegnet.

THEODOR FONTANE

Von Köpenick nach Teupitz

Am 6. Juli vormittags empfing ich folgende vom Tage vorher datierten Zeilen: »Sehr geehrter Herr. Es würde mich außerordentlich freuen, Sie an einer Bootsexpedition teilnehmen zu sehen, die seitens der ›Sphinx‹ am 7. früh von Köpenick aus unternommen und bis Teupitz ausgedehnt werden soll.

Es handelt sich, nach vorgängiger Passierung befahrenderer Wasserstraßen, um ein Vordringen bis zu den See- und Quellengebieten der ›Wendischen Spree‹, Gebiete, die selbst Ihnen vielleicht auf Ihren märkischen Wanderungen unerschlossen geblieben sind.

Einer brieflichen Rückäußerung bedarf es nicht; ich und einige Freunde sehen Ihrem Eintreffen am 6. abends mit Bestimmtheit entgegen. Sie finden uns an Bord. Ihr Backhusen.«

In einer Nachschrift war hinzugefügt, daß die »Sphinx« bereits im Lauf des Tages an der Südspitze der Köpenicker Schloßinsel vor Anker gehen werde.

THEODOR FONTANE

Blumberg

Blumberg

Ein Frühlingstag führt uns nach Blumberg hinaus, einem Arnimschen Gut in der Nähe von Berlin, und nach rascher Fahrt, an lachenden Dörfern vorbei, biegen wir aus der staubigen Pappelallee in die windgeschützte, stille Dorfgasse ein.

Es ist Mittagsstunde, der Sonnenschein liegt blendend auf den neu gedeckten, roten Dächern, die Bäume stehen im ersten Grün, und neben dem hohen Schornstein des Herrenhauses, aus dessen Seitenöffnungen der weiße Rauch phantastisch emporwirbelt, erhebt sich eben ein Storchenpaar in seinem Nest und unterbricht die Mittagsstille durch sein eifriges Geklapper. Es klingt, als würd’ eine Sense gewetzt oder als ging’ eine Mühle unten im Garten.

Blumberg ist ein freundliches Dorf, fast so freundlich wie sein Name, und gerade groß genug, um uns die Versicherung alter Urkunden glauben zu machen, »daß Blumberg vordem ein Städtchen, ein Oppidum, gewesen sei«.

THEODOR FONTANE
 

Saarmund

Saarmund

Der Eindruck des Öden, den die ganze Stadt macht, an dieser Stelle steigert er sich, denn hier war einmal Leben. Unter den Fenstern des ersten Stockes hin ziehen sich lange Wirtshausschilder: »Stadt Halle«, »Stadt Leipzig«, die sich fast wie Grabschriften lesen über einer Zeit, die nicht mehr ist.

Hier führte vor fünfzig oder hundert Jahren die große Straße von Sachsen vorüber, hier war ein Hauptzollamt, und Saarmund hatte damals eine Bedeutung etwa wie Wittenberge heut oder irgend sonst ein Platz, an dem der Koffer untersucht und die Sprache des deutschen Biedermannes in der Maut- und Zollnuance gesprochen wird.

Das ist nun alles dahin. Die geschlossenen Fenster zeigen nichts mehr als lange Rouleaux, deren in der Schräge schwebende Landschaften auf ein völlig gestörtes Roll- und Räderwerk deuten; alle Krippen stehen leer, und müde vom Warten, haben sie sich an die Wand gelehnt. Die Hühner picken drum herum. Wo sie’s hernehmen. Gott weiß.

THEODOR FONTANE

Rauener Berge

Rauener Berge

Aus dem Dorfe Rauen fuhren wir abermals in eine Schonung ein, zwischen deren Krüppelkiefern eine Fahrstraße sich ängstlich hin und her schlängelte, fast als ob jeder einzelne Baum zu schonen gewesen wäre. Wo so wenig ist, ist auch eine Kiefer etwas.

Endlich aber passierten wir eine halb offne Stelle, die durch mehrere hier sich kreuzende Waldwege gebildet wurde. »Das ist er«, sagte Moll und hielt sein Fuhrwerk an.

»Wer?« »Der große Stein.« »Der Markgrafenstein? «

Er nickte bloß und überließ mich meinem Staunen, das weniger an den rechten Flügel der Bewunderung als an den linken der Enttäuschung grenzte. Wirklich, ich war enttäuscht und würde, wenn es Moll vorgezogen hätte, schlechtweg daran vorüberzufahren, im günstigsten Falle gedacht haben: »Ei, ein großer Stein.« Und das sollte nun einer der berühmten Markgrafensteine sein, eines der sieben märkischen Weltwunder!

THEODOR FONTANE

Scharmützelsee

Scharmützelsee

Wirklich, in Saarow war nicht viel, und als ich mich genugsam davon überzeugt hatte, hielt ich mich auf den See zu, wo nach meiner Meinung eine Fähre sein mußte.

Nach einigem Suchen sah ich ein angeketteltes Boot liegen und dicht daneben ein Häuschen, an das drei, vier Ruder angelehnt waren. Also hier war es mutmaßlich.

Ich trat denn auch ein und fand eine Frau, die sich, auf eine Stuhllehne gestützt, von hinten her über ihren etwa zwölfjährigen Jungen bog und ein Exempel mit ihm rechnete, das diesem blutsauer zu werden schien. Als ich ihr mein Anliegen vorgetragen hatte, sagte sie kurz, aber nicht unfreundlich, »sie habe nur den Jungen zu Haus, ob ich mit dem fahren wolle«.

»Gewiß.« Und, so stieg ich denn ins Boot und setzte mich so, daß ich dem Jungen, der rückwärts saß, grad in die Augen sah. Als wir schon abstießen, kam auch noch seine jüngere Schwester, nahm rasch ein zweites Ruder und setzte sich neben ihn. Ich sah bald, daß der Junge seiner Sache vollkommen sicher war und den Schermützel ohne sonderliche Mühe bezwingen würde, trotzdem uns der Wind entgegenwehte.

THEODOR FONTANE
 

Löwenbruch

Löwenbruch

Eine Meile hinter Großbeeren, seine hoch gelegenen fruchtbaren Äcker an einem Stücke Bruchland entlangziehend, liegt das Dorf Löwenbruch.

Wir finden hier, durch die Jahrhunderte hindurch, eine Reihenfolge guter Namen: die von Thümen, von Otterstedt, von Boytin, von Alvensleben, von Groben und von dem Knesebeck.

Die Boytins (ein ausgestorbenes Geschlecht) haben auf dem Kirchhofe noch ein paar große Grabsteine mit allerhand Figuren und Inschriften, die freilich unter der Kruste von Moos und Flechten kaum noch zu entziffern sind. Eins dieser Gräber ist leer geblieben.

Mit Schaudern erzählte mir der Küster des Dorfes, wie er, eines Abendsüber die Grabsteine hinschreitend, den einen Stein unter seinen Füßen nachgeben und sich selber in die leere Gruft versinken fühlte. Er kam indessen mit dem bloßen Schrecken davon.

THEODOR FONTANE


Großbeeren

Großbeeren

Und wie die Fremden davon wissen, so natürlich vor allem auch die Berliner, die den »Tag von Großbeeren« an jedem 23. August in pflichtschuldiger Dankbarkeit feiern. Aber sie feiern ihn, ohne sich zu vergegenwärtigen, wie der Sieg errungen wurde.

Niemand weiß mehr von den Einzelheiten oder gar von dem Gesamtgange der Schlacht zu berichten, und was von den Berlinern gilt, gilt auch von den Bewohnern des Dorfes selbst.

Ich trieb mühevoll einen Tagelöhner auf, der den Schlachttag noch miterlebt und aus seinem Versteck heraus ein paar Tschakos oder Bajonettspitzen gesehen hatte. Das war alles. Über die gleichgültigsten Details hinaus war seinem Gedächtnis nichts verblieben.

Vollends verloren aber ist der, oder war es wenigstens früher, der von den beiden in Nähe der Kirche stationierten Invaliden irgendwelchen Aufschluß erwartete.

Sie wußten absolut nichts von jenem Schlachtfelde, das jahraus, jahrein zu ihren Füßen lag und dessen bestellte Wächter sie waren, und nichts von jenem Kirchhof, um dessen Besitz einst so heiß gestritten ward.

THEODOR FONTANE

(Alle Zitate aus: Theodor Fontane: „Wanderungen durch die Mark Brandenburg“, Aufbau-Verlag, Berlin 1988)

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