Ein Thema, an dem man dieser Tage wohl kaum vorbeikommt, scheint mir der „Wahl-O-Mat“ zu sein. Viel Contra gab es. Aber dieses medial zum ultimativen Entscheidungstool gekürte Angebot der Bundeszentrale für politische Bildung gilt, glaubt man den einschlägigen Print- und Onlinemedien, als Must-Do vor unserer großen ersten Wahl. Mit einer eigenen Website belohnt, kämpft sich der mehr oder minder politisch Interessierte durch 38 brisante gesellschaftliche Themen und soll zu diesen Position beziehen. Was winkt, ist die Erkenntnis, welcher Partei man inhaltlich wohl am nächsten steht. So die Theorie!
Frohen Mutes habe ich mich für euch durch Mindestlohn, Betreuungsgeld, Volksentscheide & Co. geklickt. Meine Meinung über mehr Flüchtlinge in Deutschland und mehr Frauen in Führungspositionen dem Wahl-O-Maten anvertraut und der Senkung des Renteneintrittsalters eine Absage erteilt. Was herauskam, war das:
Die rechtsextremen Idioten landeten verdient auf dem letzten Platz und die Partei, die mitunter als SED-Nachfolge-Partei diffamiert wird, ein Stück darüber. Soweit so gut! Aber ist das, was dann kommt, meine politische Meinung? Soll ich einer Alternative für Deutschland, die in meinen Augen eher keine Alternative für Deutschland ist, den Vorzug vor der SPD, einer in meinen Augen etablierten Volkspartei, geben?
Und wenn ich die These „Alle Kinder sollen ungeachtet ihres kulturellen Hintergrundes gemeinsam unterrichtet werden“ verneine? Bin ich dann ein Stück mehr "rechts" oder ein Verfechter der Integration, weil ich vielleicht einen gemeinsamen Unterricht „unter Beachtung“ des kulturellen Hintergrundes fordere? Bin ich ein fortschrittsfeindlicher Christenmensch, wenn für mich die "Pille danach" rezeptpflichtig bleiben soll?
Oder warum kann man keine K.O.-These festlegen - nach dem Motto: Alle Parteien, die den Euro ablehnen, fliegen generell raus? Und warum nicht Sympathiepunkte für die Spitzenkandidaten verteilen, die mit gewertet werden? Was bleibt, das ist für mich ein nettes Spielzeug, mit dem man bequem die Positionen der Parteien vergleichen kann. Als letzter Test vor der Wahl vielleicht ganz nett, doch was letztendlich am Wahltag geschieht, das ist eine ganz andere Frage und im Gegensatz zu meinem Wahl-O-Mat-Ergebnis wieder ganz und gar: demokratisch geheim!
Aus dem Regen,
euer Punkt.
Teilen auf
Kommentare
KommentierenEmanzipiert
Lieber Herr Punkt,
ich finde Sie haben eine sehr emanzipierte und reflektierte Position! Auch mir geht es so, dass durch den WAHL-O-MAT manchmal mehr Fragen als Antworten hervorgekitzelet werden... aber das Nachdenken hat noch nie geschadet!
Vielen Dank!
Liebe Klara,
es freut mich sehr, dass du ähnliche Erfahrungen mit dem Wahl-O-Maten gemacht hast. Und wenn man sich durch die aufgeworfenen Fragen intensiver mit den gesellschaftlichen Themen auseinandersetzt, dann hat zumindest das sein Gutes!
Viele Grüße aus Hà Nội,
dein Herr Punkt
danke
Ausgeschlossen!
Ein Angebot wie den Wahl-O-Maten sucht man in Vietnam vergebens. Ein wirkliches Politikverständnis unter jungen Leuten hat aufgrund des Ein-Parteien-Systems keine Chance zu wachsen. Wahl bedeutet hier Wahlpflicht - die eine Srimme für die einzige Partei. Von einer westlichen Denokratie ist man hier weit weit entfernt.
Doch so schlecht das auch klingen mag; die vietnamesische Gesellschaft hat nicht mehr oder weniger Schwächen als die unsere. Mit Blick auf Werte wie Solidarität etc. sind wir es, die noch einiges lernen können!
ihr Punkt.
Neuen Kommentar hinzufügen