Wir sind noch lange nicht fertig

Leichte Sprache in der Landeszentrale

Viele, die diese Zeilen in der sogenannten Alltags-Sprache lesen, können sich kaum vorstellen, dass andere Menschen genau das nicht können. Leichte Sprache kann sie darin unterstützen, selbstbestimmt zu leben und zu handeln. Die Landeszentrale hat sich mit ihnen auf den Weg gemacht.

Uff, fertig, und das in vielerlei Hinsicht - von den Nachrichten, vom Ackern, vom... Aber vor allem sind wir fertig geworden mit der Leseprobe für unsere neue, vierteilige Landeskunde-Reihe "Brandenburg Leicht erklärt". Leicht ist dabei bewusst groß geschrieben, denn es ist ein Text in Leichter Sprache.

Leichte Sprache richtet sich an Menschen mit Lern- oder Leseschwierigkeiten, wird aber auch von anderen genutzt, zum Beispiel von Personen mit geringen Deutschkenntnissen. In Deutschland gehören rund 10 Millionen Menschen zu diesen Gruppen.

Seit einigen Jahren erweitern wir in der Landeszentrale unser Angebot in Leichter Sprache. Die Anforderungen an Behörden oder Verwaltungen sind dabei bemerkenswert. Unsere Broschüre zum Klimaschutz in Brandenburg hat - wie auch die aktuelle Landeskunde - von der Entstehung der Idee bis zum veröffentlichten Text mehr als ein Jahr intensivster Arbeit in Anspruch genommen. Dabei geht es nicht nur um Worte und Sätze, sondern um ein gänzlich anderes Textverständnis.

Für Leichte Sprache gibt es feste Regeln.

Hier sind einige Regeln:

• Benutzen Sie einfache Wörter.
• Schreiben Sie kurze Sätze.
• Schreiben Sie keine Abkürzungen.
• Lassen Sie genug Abstand zwischen den Zeilen.
• Machen Sie viele Absätze und Überschriften.
• Benutzen Sie Bilder.
• Lassen Sie den Text immer prüfen.

Quelle: Netzwerk Leichte Sprache

Ein Text in Leichter Sprache enthält Bilder, die sehr spezielle Bedingungen erfüllen. Sie müssen die Informationen in den einzelnen Absätzen so abbilden, dass sie als zusätzliche Orientierung dienen. Zu viele Nebenmotive können verwirren und sind daher nicht möglich. Beschwerlich ist die Suche, weil das Angebot an Bildern für Leichte Sprache noch überschaubar ist. Aber immerhin nimmt es zu.

Zudem muss alles von mindestens zwei Menschen aus der Zielgruppe geprüft werden. Unsere Prüfgruppen bestanden aus mehr Prüferinnen und Prüfern, weil wir das Qualitätssiegel des Netzwerks für Leichte Sprache erhalten wollten. Dessen Mitglieder setzen sich seit Jahren für die Anerkennung von Standards in der noch sehr uneinheitlichen Landschaft ein.

Lesen ohne fremde Hilfe

Viele, die gerade mühelos diese Zeilen in der sogenannten Alltags-Sprache lesen, können sich kaum vorstellen, wie aufwändig ein Text in Leichter Sprache ist. Was sie sehen, sind kurze Sätze, oft nicht in der gewohnten deutschen Grammatik, und viele Bilder. Häufig hören wir dann ein kurzes Aha als Reaktion: Ein Text für Kinder also. Manche winken ab: Verhunzung der deutschen Sprache. Verächtlicher tönt es in den sozialen Medien: die Dummies kommen. Nichts ist den Tatsachen ferner als all das.

Shpresa Matoshi würde an der Stelle kurz energisch werden und die rote Karte heben. Nicht, um jemanden vom Platz zu schicken, sondern um eine Bitte loszuwerden. Leichte Sprache bitte, ist auf der Karte zu lesen. Shpresa Matoshi ist Prüferin für Leichte Sprache und selbst auf Informationen in dieser Form angewiesen. Im Interview mit uns zeigte sie auf sich: Sie sei eine erwachsene Person und ihr helfen die Angebote, sich im Alltag ohne fremde Hilfe zurecht zufinden, selbst zu lesen und zu verstehen.

In unserem Team überlegen wir gemeinsam, wie wir inklusive politische Bildung ermöglichen, das heißt die Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Lernschwierigkeiten anregen können. Unser Ansatz ist dabei derselbe, den wir grundsätzlich in unserer Arbeit anlegen: Ohne die, an die wir uns mit unseren Angeboten richten, wird es nichts.

Das heißt, auch ein Text in Leichter Sprache ist erst dann fertig, wenn diejenigen, die ihn benötigen, keinen Änderungsbedarf mehr sehen. Änderungsbedarf heißt: ein Wort wurde nicht verstanden, ein Bild oder ein Satz zur Erklärung fehlte.

Immer wenn ich dachte, so, das ist es. Jetzt ist das aber wirklich ein schöner Text, war es eben nicht so. Die Prüferinnen und Prüfer lasen dann die Stelle vor, an der sie nicht weiterkamen, weil das Wort einfach nicht in den Kopf und über die Zunge wollte. Ich hatte dann immer auch ein schlechtes Gewissen, dass ich den Text zuvor, ohne sie zu fragen, für gut befunden hatte.

Am eindrücklichsten ist mir der überraschte Gesichtsausdruck von Shpresa Matoshi hängengeblieben, als sie sagte:

Viele Menschen wollen Leichte Sprache nicht, das verstehe ich nicht. Es ist ja nicht verboten, in der Alltags-Sprache zu lesen. Aber viele Menschen können das eben nicht lesen.

Ehrlich gesagt, Shpresa, das verstehen wir auch nicht und versichern dir, wir sind noch lange nicht fertig.

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Jana Steinke
© fbn
Dr. Jana Steinke ist stellvertretende Leiterin der Landeszentrale. Sie leitet den Bereich Webkommunikation/ Digitale Bildung und interessiert sich für Menschen und alles, was sie miteinander ins Gespräch bringt. Dafür reißt sie gern Barrieren ein. Leichte Sprache liegt ihr besonders am Herzen.

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