Thomas Krüger

Grußwort zur Festveranstaltung

Thomas Krüger
Thomas Krüger; Foto: Stefan Gloede

Ich gratuliere herzlich zum 20. Jubiläum der Brandenburgischen Landeszentrale und dazu, dass es gelungen ist, in diesen Jahren eine gut funktionierende und innovative Einrichtung aufzubauen.

Liebe Frau Dr. Weyrauch, Sie haben soeben die letzten 20 Jahre Revue passieren lassen und deutlich gemacht, welche wichtigen und richtigen Akzente gesetzt wurden, um die politische Bildung hier in Brandenburg zu verankern. Mich haben Sie gebeten, heute etwas zur Zukunft der politischen Bildung zu sagen und der Frage nachzugehen: Wie sollte politische Bildung in den kommenden 20 Jahren aussehen? Welches sind die Herausforderungen, denen sie zu begegnen hat?

Kurz und bündig würde ich sagen: Die Politische Bildung der Zukunft muss multiperspektivisch, partizipativ, innovativ, interdisziplinär und multimedial sein. Das klingt vielleicht nach einer Aneinanderreihung  von Schlagworten, aber ich kann sie sehr plausibel erklären.


Multiperspektivisch

Das Thema Multiperspektivität haben Sie, Frau Weyrauch, ja bereits in Bezug auf den Umgang mit der Geschichte der DDR angesprochen. Darin stimme ich völlig mit Ihnen überein. Geschichte besteht aus den Geschichten der Menschen, die sie erlebt haben. Sie kann niemals objektiv und eindimensional sein. Sie setzt sich aus vielen unterschiedlichen Perspektiven zusammen, die zuweilen auch miteinander konkurrieren und dabei um Deutungshoheit in der kollektiven Erinnerung kämpfen.

Aber auch in der Auseinandersetzung mit der aktuellen Politik spielt Multiperspektivität eine Rolle. Damit meine ich nicht nur das Kontroversitätsgebot, dem die politische Bildung verpflichtet ist. Es ist für uns selbstverständlich, dass das, was kontrovers diskutiert wird, auch kontrovers darzustellen ist. Aber Multiperspektivität setzt ja noch früher an: Es geht einfach darum, unterschiedlichen Perspektiven auf ein politisches oder gesellschaftliches Phänomen eine Plattform zur Artikulation zu bieten.

Und hierbei denke ich insbesondere an solche Perspektiven, die in der Öffentlichkeit häufig nicht zur Geltung kommen, weil sie in den Medien nicht ausreichend vertreten sind. Nehmen wir beispielsweise die Perspektive von Migrantinnen und Migranten: Solange diese im Bereich der Medien als Journalisten und Redakteure nicht angemessen repräsentiert sind, wird die Allgemeinheit auch wenig über deren spezielle Perspektive erfahren. Das zu ermöglichen – also ein besonderes Gewicht auf Multiperspektivität zu legen, darin sehe ich die besondere Verpflichtung der politischen Bildung. Denn gerade sie - die politische Bildung - die auf dem Fundament von Demokratie, Toleranz und Menschenrechten fußt, bietet den normativen Rahmen für die plurale Diskussion innerhalb eines demokratischen Spektrums.

Thomas Krüger

Thomas Krüger; Foto: Stefan Gloede


Partizipativ

Ganz sicher ist, dass politische Bildung dort am besten funktioniert, wo Leute bereits politisch gebildet sind. Ein Idealzustand, der kaum anzutreffen ist. Für uns heißt es, Bildungsaktivitäten nicht von oben herab zu organisieren, sondern sie als eine Veranstaltung, die gemeinsam von allen Beteiligten ausgehandelt. Vor allem kommt es darauf an, das Bildungspotenzial der sogenannten Bildungsfernen zu erkennen, aufzugreifen und zu nutzen. Gerade in diesem Zusammenhang muss politische Bildung neue Methoden entwickeln.


Innovativ

Wenn ich nun zu meinem dritten Punkt komme – dem der Innovation – denkt sich vielleicht der ein oder andere: „Wozu sollte politische Bildung innovativ sein? Es reicht doch aus, wenn sie sich den aktuell anstehenden politischen Fragen widmet und dazu Bildungsangebote macht. Sie muss aktuell sein, aber innovativ?“

Doch, innovativ muss sie sein, um unterschiedliche Zielgruppen mit jeweils passenden Angeboten auch wirklich zu erreichen. Das ist bei zunehmender Heterogenität in unserer Gesellschaft eine permanente Aufgabe und Herausforderung. Dazu muss man neue Wege beschreiten und auch experimentierfreudig sein. So wie die Brandenburgische Landeszentrale Innovationsbereitschaft mit dem Projekt „Abschied von Hass und Gewalt“ gezeigt hat, das zu Beginn auf hohe Skepsis stieß und heute überaus erfolgreich ist. Frau Weyrauch hat es eben berichtet.

Politische Bildung will ja nicht nur die politisch hoch Interessierten und Engagierte erreichen, wir  wollen ja auch zu jenen durchdringen, die man als politikfern oder politikverdrossen beschreiben muss. Das ist keine homogene Gruppe, die man mit einem Handstreich erreichen kann, hier braucht es vieler verschiedener zielgruppenspezifischer Ansätze, womit ich zu meinem vierten Punkt, dem der


Interdisziplinarität

komme. In der interdisziplinären Zusammenarbeit – in Projekten also, die im Bereich Sozialpädagogik, Sport oder Kultur angesiedelt sind, und in die Module politischer Bildung integriert werden, liegt die Chance, ganz unterschiedlich interessierte Menschen zu erreichen.  Ausstellungen, filmpädagogische Arbeit, Musikevents oder Fanprojekte können Zugänge bieten, um Menschen mit Politik in Berührung zu bringen und sie auf diesem Wege zu aktivieren. Denn darin liegt ja das Ziel unserer Bemühungen: den Trend steigender Politikverdrossenheit zu stoppen und die Menschen zu aktivieren und zu ermutigen, sich in die Belange unseres Staates und unserer Gesellschaft einzumischen.

Es besteht ja zur Zeit die berechtigte Sorge, dass sich unsere Gesellschaft spaltet: auf der einen Seite in eine Gruppe, die gut ausgebildet, sozial abgesichert und politisch oder zivilgesellschaftlich aktiv ist und ihre Interessen vertritt und auf der anderen Seite in eine Gruppe, die gering gebildet, sozial benachteiligt, politikfern und -verdrossen, sich aus dem politischen Leben zurückzieht. Das kann in einer Demokratie nicht gut sein. Es ist zwar wissenschaftlich nicht ausgemacht, wie viel Ungleichheit in den Teilhabechancen eine Demokratie aushält. Es ist aber ratsam, die Grenzen besser nicht auszutesten, sondern dafür zu sorgen, dass sich der Trend umkehrt.

Foto: Stefan Gloede

Foto: Stefan Gloede



Und deshalb muss sich politische Bildung auch um die kümmern, die sich gar nicht für sie – die politische Bildung -  interessieren. Der Schulterschluss mit anderen Disziplinen, z.B. Sozialarbeit oder Sportvereine ist hier besonders wichtig, da diese oft das Vertrauen der Zielgruppe besitzen und uns sozusagen die Eingangstür öffnen können.

Und damit möchte ich auch schon zu meinem letzten Punkt kommen:


Multimedialität

Wir haben in den vergangenen zwei Jahrzehnten den Schritt vom analogen ins digitale Zeitalter getan. Das Webangebot, unsere audiovisuellen und interaktiven Angebote sind Beleg dafür. Damit einhergehend haben sich auch soziale Veränderungen vollzogen. Durch das Internet ist ein neuer öffentlicher Raum entstanden, in dem politische Willensbildungsprozesse stattfinden. Hier werden Meinungen ausgetauscht und Massen mobilisiert. Empirische Studien belegen, dass gerade junge Menschen viel Zeit im Internet verbringen.

Insbesondere Online-Communities bzw. "Soziale Netzwerke" wie StudiVZ, MySpace oder Facebook gehören zu den meistgenutzten Angeboten im Internet. Sie spielen eine zentrale Rolle in der Mediennutzung von Jugendlichen und jungen Erwachsenen - und ihre Bedeutung wächst weiter rasant. In den Communities werden Freundschaften gepflegt und neue Kontakte geknüpft, hier werden Diskussionen geführt und Verabredungen getroffen, hier vernetzen sich die unterschiedlichsten Gruppen, wenn sie ein gemeinsames Interesse verfolgen.

Hier findet Meinungs- und Willensbildung in informellen, lockeren, zeitlich befristeten Strukturen statt, ohne Mitgliedschaft oder enge Anbindung an eine Organisation. Auch Politiker haben diesen Raum entdeckt und sammeln über Communities wie Facebook Unterstützer.

Online-Communities sind somit Orte, an denen Politik stattfindet, weshalb auch die politische Bildung in diesen Räumen vertreten sein muss – entweder indem sie eigene Communities bildet, oder indem sie Wege sucht, in den bereits etablierten Communities präsent zu sein. Denn auch in den virtuellen sozialen Netzwerken sollte sich der Pluralismus widerspiegeln, durch den sich unsere Bildungslandschaft auszeichnet.

Politische Bildung muss ins Netz und sie muss die Möglichkeiten des Web 2.0 selber nutzen. Sie muss auch den digitalen Dialog wagen. Ich lade Sie herzlich ein, mit der Bundeszentrale für politische Bildung den Dialog aufzunehmen, indem Sie uns auf unserer Facebook-Seite besuchen oder unseren Twitter-Service „Frag die bpb“ in Anspruch nehmen.

Es liegt also auf der Hand, dass alle fünf Punkte, die ich genannt habe – Multiperspektivität, Partizipation, Innovationsbereitschaft, Interdisziplinäre Zusammenarbeit und Multimedialität – die Reaktion auf ein und dieselbe zentrale Herausforderung sind: die zunehmende Pluralisierung unserer Gesellschaft, auf die wir mit Vielfältigkeit und Offenheit reagieren sollten und uns nicht ins Schneckenhaus selbstreferentieller Erzählungen zurückziehen sollten.

Der Brandenburgischen Landeszentrale und ihren Partnern wünsche ich bei dieser Herausforderung, vor der wir alle gemeinsam stehen, auch für die nächsten 20 Jahre die Offenheit und Innovationsbereitschaft, die sie bislang an den Tag gelegt hat.

Vielen Dank!

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