Wie erzieht ein autoritärer Staat seine Jugend? Die britische Historikerin Helen Roche geht den Geschichten der Napola-Schüler nach – und lässt sie in Ausstellung und Film zu Wort kommen. Ein Projekt über Erziehung, Ideologie und Erinnerung.

Am 7. Mai 2025 eröffnete die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung die Ausstellung "Napola Potsdam. Erziehung im Nationalsozialismus". Die britische Historikerin Dr. Helen Roche begleitete die Ausstellung fachwissenschaftlich. Sie forscht seit vielen Jahren zur Geschichte der Napolas und gab in ihrem Eröffnungsvortrag Einblicke in die Entstehung des Projekts und die wichtigsten Ergebnissen.
Die Napolas waren NS-Eliteschulen mit dem Ziel, eine neue Führungsriege für das „Dritte Reich“ heranzuziehen. Motiviert von der Frage, wie stark das NS-Regime versuchte, „die Jugend ideologisch zu formen und zu kontrollieren“, begann Helen Roche die Recherchen bereits 2008. Damals war ihr aufgefallen, dass es keine einzige wissenschaftliche Gesamtdarstellung über diese Schulform gab.
„Was könnte ein besserer Indikator für die Ziele und das Ethos eines Staates sein als die Art und Weise, in der er seine Jugend indoktrinieren oder seinen Bürgern von morgen bestimmte Tugenden eintrichtern will?“ Dr. Helen Roche
Die Historikerin sichtete in über zehn Jahren mehr als 80 Archive und sprach mit über 100 ehemaligen Napola-Schülern. Die gesammelten Berichte flossen in ihr Buchprojekt und bildeten die Grundlage für einen Dokumentarfilm über ehemalige Schüler der Napolas sowie einen Teil der Ausstellung in der Landeszentrale. Die Besonderheit: Obwohl es mediale Angebote gab, das Projekt kommerziell zu vermarkten, verzichtete die Historikerin darauf und suchte unabhängige Partner für eine sensible Bildungsarbeit.
„Mit gemeinsamer historischer Expertise haben Herr Stude [Referent in der Landeszentrale] und ich in den letzten Monaten öffentliche und private Archive durchkämmt, Berichte von Zeitzeugen ausfindig gemacht, eine Menge an relevanten Bildern zusammengestellt und versucht, den Alltag an der Napola Potsdam und das Leben ihrer Bewohner – Schüler, Lehrer und Angestellte – zu rekonstruieren.“
Die Ausstellung in der Landeszentrale legt den Fokus auf die spezifische Geschichte der Napola Potsdam: ihre Verbindung zum preußischen Kadettenwesen, ihre kulturelle Ausrichtung mit Theater und Musik, aber auch die Rolle ihrer Schüler als Kindersoldaten in der Schlacht um Berlin. Die Napola Potsdam war stolz auf ihr preußisches Erbe – aber am Ende wurden ihre Schüler zu letzten Opfern eines untergehenden Regimes, so lautete eine der Schlussfolgerungen von Helen Roche.
„Ich sah immer klarer, wie tief die Napolas in das Machtgeflecht des NS-Regimes verstrickt waren und wie perfekt ihr ideologisches Ethos und ihre rassistischen Auswahlprozesse in die zeitgenössische Vorstellung einer „Volksgemeinschaft“ passten. Vieles von dem, was die Schulen taten und wie sie funktionierten, zeigt wie unter einem Brennglas die allgemeinen Entwicklungen in der Geschichte des „Dritten Reichs“
Die Geschichte von Kindheit, Jugend und Erziehung ist zentral für das Verständnis jedes politischen Systems
Mit ihrem Projekt möchte Helen Roche die politische Bildungsarbeit um eine tiefgehende Auseinandersetzung mit NS-Erziehung, Elitebildung und individueller Verstrickung erweitern – gerade vor dem Hintergrund heutiger gesellschaftlicher Spannungen.
Dr. Helen Roche dankte allen Beteiligten für die vertrauensvolle Zusammenarbeit. Ausstellung und Film sollen Ausgangspunkt für weitere Projekte und Bildungsangebote sein.
BLPB, Mai 2025
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