
Die Sonderausstellung „Potsdam unter dem Roten Stern“ zeigt Hinterlassenschaften der fast 50 Jahre andauernden Stationierung der sowjetischen und russischen Truppen in Potsdam. Doch wie erlebten die Bewohnerinnen und Bewohner Potsdams den Einmarsch der Roten Armee und die ersten Wochen der Besatzung? Dieser Frage geht das Potsdam Museum mit einer Lesung aus dem Nachkriegstagebuch von Hermann Kasack nach. Kasack wohnte in der heutigen Hegelallee 13, er gilt als Schriftsteller der Inneren Emigration und war während des Nationalsozialismus Lektor im S. Fischer Verlag, der damals von Peter Suhrkamp geleitet wurde.
Das Tagebuch beeindruckt durch den realistischen Blick, mit dem Kasack die Verhaltensweisen der Menschen in einer Umbruchssituation beschreibt. Die Begegnungen mit den sowjetischen Soldaten sind meist angstbeladen, man fürchtet irgendwie aufzufallen, Gewalt erleiden oder die Wohnung räumen zu müssen. „Unsicherheit und Ungeschütztheit sind die Kennzeichen dieser Stunden“, schreibt Kasack. Die Lebensmittelvorräte gehen zur Neige, Geschäfte sind längst geplündert – von den Potsdamern mehr als von der Besatzungsmacht – Abfälle werden im Grünstreifen auf der Hegelallee vergraben, neben provisorischen Grabstellen. Ehemalige Zwangsarbeiter machen sich in langen Trecks auf dem Weg zurück in die Heimat, dazwischen ziehen obdachlose Potsdamer, die Reste ihres Hausrats aus zerstörten oder geräumten Wohnungen im Handwagen. Es wird deutlich, vor welchen Herausforderungen Besatzungsmacht und Stadtverwaltung standen. Kasack beschreibt, wie sich die neue Ordnung schrittweise etabliert und stellt ernüchtert fest, dass „jeder sich einredet (…), er trage die Verantwortung am Kriege nicht mit und habe es ja selbst so böse nicht gemeint.“
Gelesen wird Kasacks Tagebuch, das 1996 in der Edition Hentrich veröffentlicht wurde, von der Schauspielerin Jutta Wachowiak. Seit sie 1963 ihr Studium an der Deutschen Hochschule für Filmkunst in Potsdam-Babelsberg abschloss, hat sie sich um eine Vielzahl von Rollen auf der Bühne, im Fernsehen und Hörfunk verdient gemacht. Vielfach in Erinnerung geblieben sind ihre Hauptrollen in den DEFA-Filmen „Die Verlobte“, „Käthe Kollwitz – Bilder eines Lebens“ und „Fallada – Letztes Kapitel“. Dr. Jan Kostka, wissenschaftlicher Mitarbeiter an der aktuellen Sonderausstellung, führt in das Thema ein. Die Lesung ist eine Kooperationsveranstaltung des Potsdam Museums mit der Rosa-Luxemburg-Stiftung Brandenburg e.V..
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