In seinem 2007 erschienenen Buch „Der Kick“ beschäftigt sich Andres Veiel mit den Hintergründen des brutalen Mordes an dem sechzehnjährigen Marinus Schöberl in Potzlow vor sechs Jahren. Das Buch hinterließ bei mir eine gewisse Ratlosigkeit – und das ist durchaus positiv gemeint: Der Autor beschreibt schonungslos das Tatgeschehen, rekonstruiert die Biographien des Opfers und der Täter. Er vermittelt seinen Lesern ein vielschichtiges Bild des dörflichen Umfelds. Doch Veiel liefert keine einfachen Lösungsvorschläge. Diese kann es angesichts der Komplexität der Probleme auch nicht geben.
Vor einigen Tagen ist im Tagesspiegel ein ausführlicher und lesenswerter Artikel von Saskia Weneit erschienen, der das bestätigt, was man nach der Lektüre von Veiels Buch befürchten mußte: In dem Dorf Potzlow in der Uckermark hat sich kaum etwas verändert. Landschaftlich ist Potzlow sehr schön gelegen, doch sozial, wirtschaftlich und kulturell scheint die Situation vieler Bewohner nach wie vor von Perspektivlosigkeit geprägt. Arbeitslosigkeit, Alkoholkonsum, Fremdenfeindlichkeit. „Hier ist der erwachsene Mensch ja schon nicht zufrieden. Wie sollen dann die Jugendlichen, die hier bleiben, enthusiastisch in ihre Zukunft blicken“, wird Petra Freiberg, die örtliche Sozialarbeiterin, zitiert. (Auch sie sucht inzwischen nach einer anderen Stelle.) Die Angebote des Mobilen Beratungsteams wurden im Ort nicht angenommen, berichtet ein Mitarbeiter: „Wir haben auf eine langfristige Arbeit, eine Zielsetzung für die nächsten Jahre gehofft – leider ohne Erfolg.“
Es wird immer schwieriger, derartige Angebote zu realisieren, denn die Kommunen haben kein Geld. Sozialarbeit findet zunehmend auf ehrenamtlicher Basis oder im Rahmen von 1-Euro-Jobs statt. Das Land konzentriert sich auf die Förderung wirtschaftlicher „Leuchttürme“ und zieht sich aus den ländlichen Regionen zurück.
Nichts Neues also in Potzlow. Petra Freiberg: „Nun müssen wir gucken, wie es weitergeht. Und beobachten, was diese Ruhe bedeutet, was rechte Übergriffe angeht. Und lasst uns hoffen, dass wir uns nicht in der Ruhe vor dem nächsten Sturm befinden.“
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Ebenfalls für den Tagesspiegel führte Saskia Weneit ein Interview mit Dirk Wilking, dem Geschäftführer des Mobilen Beratungsteams in Brandenburg. Auch hier wird über die Situation in Potzlow gesprochen.
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