Was Sie über sexuellen Missbrauch wissen sollten

Neue Broschüre der Amadeu Antonio Stiftung

Das Thema spielt eine wichtige Rolle in der rechtsextremen Propaganda. „Todesstrafe für Kindermörder“ steht auf einem Pullover, der im NPD-eigenen „DS-Versand“ angeboten wird. Auch bei Ebay kann man Artikel mit ähnlichen Slogans kaufen. Im Rechtsrock sind Songs über „Kinderschänder“ weit verbreitet. In Joachimsthal (Schorfheide/Barnim), dem Wohnort eines aus der Haft entlassenen Sexualstraftäters, gab es im vergangenen Jahr mehrere Demonstrationen von NPD und „freien Kräften“. „Ein Stock, ein Stein, schlagt Werner K. den Schädel ein“, lautete eine der Parolen.

Dass die lokale Öffentlichkeit mit großer Anteilnahme und Empörung auf Fälle von Kindesmissbrauch reagiert, ist verständlich. Problematisch ist hingegen die Sensationsberichterstattung in manchen Medien, die letztendlich den rechtsextremen Akteuren das Feld bereitet. Gerade weil das Thema emotional aufgeladen ist, sollte man sich mit den Daten und Fakten beschäftigen. Anfang Februar veröffentlichte die Amadeu Antonio Stiftung eine Broschüre, die „Gedankenanstöße für einen wirksamen Kinderschutz jenseits polemischer Scheinlösungen“ liefern will. Die Publikation wurde aus Mitteln des Lokalen Aktionsplans Barnim finanziert und soll im gesamten Landkreis Barnim verteilt werden.

Auf 12 Seiten bekommt man eine kompakte und verständlich geschriebene Einführung zum Thema Kindesmissbrauch. Wer das gelesen hat, wird nicht so leicht auf die rechtsextremen „Lösungs“-Vorschläge hereinfallen. Festzuhalten ist: Vier bis sechs Kinder sterben in Deutschland jedes Jahr an den Folgen sexuellen Missbrauchs. Doch: „Die gefühlt steigende Kriminalitätsrate findet keine Entsprechung in den Statistiken“, heißt es in der Broschüre. Die Zahl der Fälle sexuellen Missbrauchs von Kindern ist nämlich in den letzten Jahren nicht angestiegen, sondern blieb in etwa gleich hoch.

Ein besonderes Problem besteht allerdings darin, dass nur ein geringer Anteil der Missbrauchsfälle überhaupt bekannt wird. Auf einen Fall, der zur Anzeige führt, kommen nach Schätzungen von Wissenschaftlern zehn bis zwanzig Fälle, die nicht angezeigt werden. Dies hängt auch damit zusammen, dass der überwiegende Teil der Täter aus dem persönlichen Umfeld der Opfer stammt. Häufig werden Signale, die auf sexuellen Missbrauch deuten, nicht wahrgenommen. In der Broschüre findet sich dazu dieses erschreckende Zitat aus einem Handbuch gegen sexuellen Missbrauch:

„Bedrückend ist die Tatsache, dass selbst dann, wenn betroffene Mädchen und Jungen offen über ihre Gewalterfahrungen sprechen, sie in der Regel mehrere Erwachsene ansprechen müssen, bis ihnen eine Person glaubt.“

Nicht zuletzt wird in der Broschüre über rechtsextreme Argumentationsstrategien informiert. Bei der seit 2001 laufenden rechtsextremen Kampagne gegen „Kinderschänder“ geht es nicht um Kinderschutz. Vielmehr wird hier die emotionale Betroffenheit der Bevölkerung ausgenutzt, um „rechtsextremes Gedankengut in unsere Gesellschaft einzuschleusen“. Hierzu zählt z. B. die Forderung nach der Todesstrafe.

Eine PDF-Version der Broschüre finden Sie hier.

Kategorien

Schlagworte

Bewertung
Noch keine Bewertungen vorhanden.

Neuen Kommentar hinzufügen

Eingeschränktes HTML

  • Erlaubte HTML-Tags: <a href hreflang> <em> <strong> <cite> <blockquote cite> <code> <ul type> <ol start type> <li> <dl> <dt> <dd> <h2 id> <h3 id> <h4 id> <h5 id> <h6 id>
  • Zeilenumbrüche und Absätze werden automatisch erzeugt.
  • Website- und E-Mail-Adressen werden automatisch in Links umgewandelt.
CAPTCHA
Bild-CAPTCHA
Geben Sie die Zeichen ein, die im Bild gezeigt werden.
Diese Sicherheitsfrage überprüft, ob Sie ein menschlicher Besucher sind und verhindert automatisches Spamming.