Anfang 2010 hatten sich sämtliche Berliner Bezirke auf eine einheitliche Vorgehensweise bei der Raumvergabe an rechtsextreme Parteien geeinigt. In einem Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin wurde dieses Verfahren kürzlich für unzulässig erklärt.
Ein wichtiges Element des Berliner Verfahrens war ein Muster-Raumnutzungsvertrag, den die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus Berlin (MBR) entwickelt hatte. Der Mieter eines bezirkseigenen Raums musste darin u. a. zusichern, dass die von ihm geplante Veranstaltung keinen „rassistischen, antisemitischen und antidemokratischen Inhalt“ haben würde.
Bereits im April 2009 verwendete das Bezirksamt Reinickendorf diese Klausel in einem Mietvertrag, den die NPD unterzeichnen musste, um Räume für ihren Bundesparteitag zu bekommen. Die NPD nahm den Reinickendorfer Fall zum Anlass, um gegen diese Praxis der Raumvergabe zu klagen.
Das Verwaltungsgerichts Berlin kommt in seinem Urteil vom 16. Juli zu dem Ergebnis, dass das vom Bezirksamt Reinickendorf gewählte Vorgehen rechtswidrig war. Damit wird zugleich das berlinweite Modell der Raumvergabe in Frage gestellt. Die Urteilsbegründung wurde vor einigen Tagen auch im Internet veröffentlicht und kann hier als PDF downgeloaded werden.
Für Nicht-Juristen ist schwer einzuschätzen, welche konkreten Schlussfolgerungen aus diesem Urteil zu ziehen sind. Bianca Klose von der MBR sieht die Sache in einer ersten Stellungnahme recht gelassen: „Zwar muss ... das derzeitige Verfahren der Raumvergabe in den Berliner Bezirken modifiziert werden, aber dies kann entlang der Eckpunkte, die das Gericht vorgegeben hat, nun zielgerichteter erfolgen.“
Allerdings betont das Gericht (auf S. 11f) den sehr weitgehenden Handlungsspielraum der politischen Parteien: Nach Artikel 21 Abs. 2 des Grundgesetzes habe allein das Bundesverfassungsgericht über die Frage der Verfassungswidrigkeit einer Partei zu entscheiden. „Eine nicht verbotene Partei“ dürfe sich „so darstellen, wie es ihrem Selbstverständnis entspricht“. Es sei dabei „unerheblich“, „ob diese Vorstellungen auf eine Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung abzielen“. Eine Verweigerung öffentlicher Räume wegen Meinungsäußerungen „unterhalb der Strafbarkeitsschwelle“ stelle eine Verletzung von Art. 21 Abs. 2 dar.
Sicher ist es sinnvoll, auch mit Hilfe von Vertragsklauseln gegen rechtsextreme Parteien vorzugehen. Jedoch stößt diese Vorgehensweise zuweilen eben auch an Grenzen. Dass Gerichte den politischen Parteien sehr weitgehende Rechte zubilligen, sollte m. E. nicht vorschnell kritisiert werden – es geht hier schließlich auch um grundsätzliche Dinge. Wichtig bleibt das breite und vielfältige zivilgesellschaftliche Engagement gegen neonazistische Aktivitäten.
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