Was sind Falschmeldungen? Wie können Nutzerinnen und Nutzer sie im Netz erkennen? Und was können sie dagegen tun? Darüber haben wir mit der freien Journalistin und Faktencheckerin Karolin Schwarz gesprochen.

Was sind Falschmeldungen?
Falschmeldungen oder Fake News ist ein Begriff, der inzwischen für so ziemlich alles verwendet wird – von Satire bis hin zu Falschinformationen die aufgrund journalistischer Fehler über Zeitungen verbreitet werden. Wenn wir als Faktenchecker von Falschmeldungen oder Desinformation sprechen, dann meinen wir damit aber falsche Informationen, die absichtlich und gezielt gestreut werden. Genutzt werden diese vor allem für größer angelegte politische Kampagnen.
Warum verbreiten sich Unwahrheiten im Netz schneller als wahre Nachrichten?
Das liegt zum einen daran, dass viele Falschmeldungen sehr stark emotionalisieren. Oft wird damit eine angebliche Gefahr angesprochen oder eine Bedrohung suggeriert. Daher teilen Menschen solche Meldungen schneller. Zum anderen ist es aber auch so, dass ein Faktencheck einfach länger dauert. Ganz oft rennen wir erst einmal hinterher, denn es braucht Zeit, bis man die Wahrheit herausgefunden und die Fakten auf dem Tisch zusammengesammelt hat. Im Vergleich kommt der Faktencheck dann eben relativ spät und ist natürlich auch viel nüchterner geschrieben als eine emotionalisierende Falschmeldung.
Wie lange dauert denn so ein Faktencheck?
Das ist ganz unterschiedlich: Manchmal hat man Bilder, die total aus dem Kontext gerissen sind und zu denen irgendwelche Geschichten erfunden werden. Das lässt sich über die Rückwärtsbildersuche in ein paar Minuten herausfinden. In anderen Fällen dauert es aber eben auch ein paar Tage, weil man bestimmte Statistiken oder Studien erst beschaffen oder bei bestimmten Personen, Ämtern oder Institutionen nachfragen muss und nicht sofort eine Antwort erhält.
Karolin Schwarz ist freie Journalistin und Faktencheckerin. Ihre Arbeiten erschienen beim ARD-Politikmagazin Kontraste, dem Faktenfinder, Buzzfeed und Motherboard. Im Februar 2016 gründete sie das Projekt Hoaxmap.org. Dort werden Falschmeldungen über Geflüchtete und nicht-weiße Personen zusammengetragen.
Derzeit arbeite sie an einem neuen Projekt names Fake Files - eine mehrsprachige Datenbank für Bilder, Videos und Falschaussagen, die in sozialen Medien und Messengern kursieren.
Welche Methoden zur Verbreitung von Falschmeldungen gibt es?
Falschmeldungen werden auf unterschiedlichen Wegen verbreitet. Das kann beispielsweise ein Text-Post sein, der auf sozialen Medien oder über WhatsApp verbreitet wird. Dabei schreibt ein Privatprofil, eine Facebook-Seite oder sonst irgendjemand eine Kettennachricht oder eine Art Augenzeugenbericht. Manchmal sind Bilder dabei, oft aber auch nicht.
Eine weitere Methode sind Fotos oder Videos. Diese werden sehr oft aus dem Zusammenhang gerissen oder auch manipuliert, wobei das nur selten vorkommt. Häufig werden auch Zahlen zur Verbreitung von Falschmeldungen genutzt. Diese werden dann ebenfalls aus dem Zusammenhang gerissen, in irgendeiner Form verfälscht oder manchmal eben auch frei erfunden. Falschanzeigen und Falschaussagen bei der Polizei sind eine weitere Methode.
Sie sind Faktencheckerin. Bei welcher Art von Nachrichten und Meldungen werden Sie stutzig?
Generell achte ich sehr auf Sprache – das hilft mir schon mal sehr, die Quelle einzuschätzen. Wenn eine sehr abwertende Sprache gegenüber anderen Menschen benutzt oder suggeriert wird, dass irgendwer irgendetwas verheimlicht, dann schrillen meine Alarmglocken. Emotionalisierung ist eine sehr wichtige Komponente, da sollte man schon sehr oft erst einmal misstrauisch sein.
Wie können Nutzerinnen und Nutzer Nachrichten überprüfen? Welche Werkzeuge empfehlen Sie?
Das kommt auf die Form der Falschmeldung an. Bilder können Nutzer über eine Bilderrückwärtssuche prüfen. Das geht über Suchmaschinen wie Google und Yandex. Auf diese Weise lässt sich herausfinden, wie das Originalbild aussieht und in welchem Kontext es ursprünglich veröffentlicht wurde. Die Bilderrückwärtssuche ist ein wichtiges Werkzeug, das wir als Faktenchecker auch immer wieder nutzen. Sie lässt sich übrigens auch bei Videos anwenden. Man macht einfach einen Screenshot von einer aussagekräftigen Szene in dem Video und schickt diesen auch durch die Rückwärtsbildersuche.
Ansonsten kann es auch schon helfen, den Titel von dem Video oder dem Artikel zusammen mit Schlagworten wie Fake oder Faktencheck zu googeln. Bei Websites lohnt es sich außerdem, einfach auch mal zu gucken, ob es den Autor überhaupt gibt, wenn überhaupt einer genannt wird. Nutzer sollten sich auch anschauen, was das für eine Website ist, was dort noch so verbreitet wird, ob die Inhalte sehr stark auf ein Thema bezogen sind und ob es ein Impressum gibt.
Was mache ich, wenn ich Falschmeldungen identifiziert habe?
Im besten Fall teilt man dann die Richtigstellung. Wir als Faktenchecker sind natürlich mehr oder minder darauf angewiesen, dass Menschen unsere Beiträge verbreiten, denn ansonsten ist es schwierig, bekannter zu machen, was hinter einer Meldung steckt.
In dem Fall, dass Freunde, Bekannte oder Verwandte in den sozialen Medien Falschmeldungen teilen, habe ich die Erfahrung gemacht, dass es eher etwas bringt, mit ihnen persönlich zu sprechen, anstatt irgendetwas unter dem Post zu kommentieren.
Kompakt erklärt
Fake News / Falschmeldungen
Lexikon Politische Bildung
Wenn Nutzerinnen und Nutzer Falschmeldungen ins Netz stellen oder sie einfach nur teilen, machen sie sich dann strafbar?
Nicht zwangsläufig, denn nicht jede Falschmeldung verstößt gegen geltendes Recht. Es gibt aber verschiedene Straftatbestände, unter die eine Falschmeldung fallen kann. Das kann eine Holocaust-Leugnung sein, aber auch teilweise Volksverhetzung, Beleidigung, üble Nachrede und in einigen Fällen, wenn man zum Beispiel vorgibt, es hätte einen Terroranschlag gegeben und so etwas verbreitet, dann kann es eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung sein. Es kommt also immer auf den Kontext an.
Welche Folgen haben Falschmeldungen und Desinformationskampagnen für unsere Gesellschaft?
Es gibt unterschiedliche Konsequenzen: Relativ oft sprechen wir zum Beispiel über den Einfluss von Falschmeldungen auf Wahlen. Allerdings gibt es Studien, die dem widersprechen. Das liegt vor allem daran, dass eine Wahlentscheidung nicht auf einer einzigen Ursache beruht. Es gibt ganz viele verschiedene Gründe, warum sich Menschen dafür entscheiden, eine Partei zu wählen oder nicht zu wählen. Was man aber sagen kann, ist, dass Menschen durch Falschmeldungen mobilisiert oder demobilisiert werden können. So können beispielsweise Nichtwähler durch Falschmeldungen emotionalisiert und dadurch mobilisiert werden, zur Wahl zu gehen. Werden hingegen Falschmeldungen über politische Gegner verbreitet, dann kann das wiederum zur Demobilisierung von deren Wählern führen.
Falschmeldungen können außerdem Gewalt hervorrufen. Das heißt, es bilden sich wütende Mobs, die sich auf Einzelpersonen stürzen oder demonstrieren, weil sie irgendeine Falschmeldung gelesen haben.
Wer ist im Kampf gegen Falschmeldungen gefragt?
Alle sind verantwortlich. Nehmen wir beispielsweise die Justiz, die das Internet, was diesen Bereich betrifft, noch weitgehend unbeachtet lässt. Es gibt zwar schon Urteile, aber eben relativ wenige. Gleiches gilt für Anzeigen. Es braucht daher Schulungen bei der Polizei und der Justiz im Umgang mit Falschmeldungen und auch Ressourcen.
Medien können natürlich auch viel dazu beitragen, indem sie über Falschmeldungen berichten, sie aufklären und transparent in ihrer eigenen Arbeit sind. Politiker sollten Medien nicht pauschal angreifen und sie als Fake News bezeichnen. Außerdem ist die Bildung – sowohl die schulische als auch außerschulische – für alle Altersbereiche gefragt und auch die Zivilgesellschaft, weil es auch eine Form der Zivilcourage ist, dafür zu sorgen, dass gesellschaftliche Debatten auf einer Faktengrundlage geführt werden.
BLPB, Dezember 2019
Teilen auf
Neuen Kommentar hinzufügen