Wir feiern 30+Jahre politische Bildung in Brandenburg. Was haben wir geschafft und wie soll es weitergehen? Wir haben sechs Menschen gefragt, die sich auf unterschiedliche Weise für die politische Bildung im Land engagieren. Den Anfang macht unsere Leiterin Martina Weyrauch.
In 3 Worten: Was ist politische Bildung in Brandenburg für Sie?
Politische Bildung in Brandenburg heißt für mich Abschied von Hass und Gewalt. Sowohl in den 1990er Jahren mit dem aufkommenden Rechtsextremismus, als auch während der Flüchtlingsströme 2015 und den Protesten dagegen sowie auch bei den Corona-Protesten war es unser Ziel mit allen Projekten, die wir fördern oder die wir selbst auf die Beine stellen, Hass und Gewalt etwas entgegenzusetzen. Wir müssen lernen, mit den Methoden des demokratischen Staates unsere Interessen auszutragen, die Kontroversen auszutragen, und es muss friedlich bleiben.
Zweitens heißt politische Bildung in Brandenburg für mich: Es kommt auf dich an. Du kannst entscheiden, welche Projekte du vor Ort gerne in Bewegung setzen möchtest, was du gerne auf die Beine stellen willst. Wir als Landeszentrale beraten dich und entscheiden in einem transparenten Verfahren, wie wir dich finanziell unterstützen oder welche andere Unterstützung wir dir noch ermöglichen können.
Drittens: Politische Bildung in Brandenburg heißt für mich Multiperspektivität und Vielfalt. Das heißt, auf der Grundlage des Grundgesetzes, welches unser Kompass ist, haben wir die Möglichkeit zu streiten und Kontroversen auszutragen. Das ist das Salz in der Suppe der Demokratie.
Die Landeszentrale fördert Vereine, nichtstaatliche und gemeinnützige Einrichtungen sowie anerkannte Weiterbildungseinrichtungen, damit in allen Regionen des Landes politische Bildung angeboten werden kann.
Was war Ihr bislang prägendstes Erlebnis?
Das prägendste Erlebnis gibt es eigentlich nicht in der Singularität, sondern prägend für meine Arbeit ist, dass ich immer wieder fasziniert bin, wenn wildfremde Leute hier anrufen und ihr Herz öffnen. Manchmal brauchen wir ganz lange, weil sie ganz lange schimpfen und ganz sauer sind auf alles, sich dann aber doch auf ein Gespräch einlassen und wir dann gemeinsam Lösungen für ihr individuelles Problem finden.
Noch schöner ist es aber, und das ist wirklich ein kleines Wunder, wenn wir Ideen haben, wie das Problem im Dorf oder in der Stadt ein Samenkorn sein kann für eine Maßnahme der politischen Bildung, mit der wir noch andere Leute bewegen können, ihre Probleme zu artikulieren und gemeinsam zu lösen.
Dieses Vertrauen, was mir da entgegengebracht wird, finde ich, ist ein persönliches Wunder, denn wir sind ja eine Behörde.
Worin sehen Sie die größten Herausforderungen?
Für mich ist die größte Herausforderung der politischen Bildung und derjenigen, die sie machen, zu erkennen, dass politische Bildung jeden Morgen wieder neu beginnt. Jeden Morgen müssen Menschen aus ihrer Frustration herausgeholt werden. Jeden Morgen müssen Menschen ermutigt werden, manchmal gehört auch ein Tritt in den Hintern dazu, ihre Angelegenheiten in die eigenen Hände zu nehmen. Das ist eine Herausforderung.
Das heißt, Menschen aus ihrer Untertanenhaltung, die sie in der Diktatur erworben haben, herauszuholen und zu sagen: „Beweg dich.“ Aber auch Menschen aus ihrer Konsumentenhaltung herauszuholen, die sie in dieser Gesellschaftsordnung, in der sozialen Marktwirtschaft, erworben haben.
Demokratie lebt von Voraussetzungen, die sie nicht erzwingen kann. Das heißt, ohne die Menschen, die sich täglich aktiv einbringen, geht diese Gesellschaft den Bach runter. Und das jeden Morgen wieder zu verkünden, ist eine Herausforderung – die größte.
Was wünschen Sie sich für die Zukunft?
Ich wünsche mir für die Zukunft, dass immer mehr Bürger ihre Gleichgültigkeit, ihr Desinteresse an der bestehenden Ordnung überwinden. Dass sie Hass und Gewalt und die Wut, die sie haben, überwinden und erkennen, dass es wichtig ist, dass man aufsteht und sich bewegt. Dass man die Gleichgültigkeit, die das Gift ist in dieser Gesellschaft, überwindet und etwas tut.
Während der friedlichen Revolution war sie Mitglied in der Untersuchungskommission gegen Amtsmissbrauch, Korruption und persönliche Bereicherung. Sie arbeitete in verschiedenen Positionen in der brandenburgischen Landesverwaltung, unter anderem als Persönliche Referentin des Ministerpräsidenten Manfred Stolpe (SPD).
BLPB, April 2022
Teilen auf
Neuen Kommentar hinzufügen