Die enge Verflechtung der NPD mit in hohem Maße gewaltbereiten und kriminellen Milieus wird mancherorts als Schwäche gedeutet. Bei den Kommunalwahlen 2008 kandidierte in Guben einer der Rädelsführer an der sog. „Hetzjagd von Guben“, die im Februar 1999 mit dem Tod des algerischen Asylbewerbers Farid Guendoul endete. Dirk Wilking vom Mobilen Beratungsteam gegen Rechtsextremismus in Brandenburg kommentierte, er halte es „eher für eine Schwäche, dass die NPD in Brandenburg auf diese Leute zurückgreifen muss.“ (1) In Cottbus kandidierte mit dem ehemaligen Chef der Deutschen Alternative ein weiterer prominenter Neonazi bei den Kommunalwahlen.
So wahrscheinlich es ist, dass die NPD vermutlich andere Kandidaten aufstellen würde, hätte sie nur anderes Personal an der Hand, so sehr sind die Kandidaturen von gewaltbereiten Neonazis zugleich Ergebnis des Strategiekonzeptes der Partei. Treffend wurde das vom NPD-Organ Deutsche Stimme als „völkische Graswurzelstrategie" (3) beschrieben. So behauptete das Mitglied im sächsischen Landtag, Jürgen Gansel, „Nationale Jugendkultur setzt sich zunehmend durch“, und umschrieb damit im Untertitel des Artikels eine ganz wesentliche Zielgruppe, die auf lokaler Ebene die Kärrnerarbeit des „Marsch in die Mitte des Volkes“ (4) zu leisten hat.
So berichtet die Zeitschrift blick nach rechts (bnr) in Ausgabe Nr. 19 / 2008, dass in Königs Wusterhausen „die Partei enge Verbindungen zu gewaltbereiten Gruppen in Berlin und den Freien Kräften Teltow-Fläming (FKTF) [unterhält], die als ‚Autonome Nationalisten’ organisiert sind und die Parteiaktionen unterstützen.“ (5) Als „Autonome Nationalisten“ bezeichnet sich die jüngste Generation subkulturell orientierter Neonazis, die als hochgradig radikalisiert und gewaltbereit gelten müssen.
Auch die DVU unterhält seit der Ausrufung des „Deutschland-Pakts“ nach den erfolgreichen Landtagswahlen in Brandenburg und Sachsen des Jahres 2004 nicht nur Kontakte zur NPD, sondern auch zu neonazistischen Milieus – zumindest in Person des Mitglieds des Landesvorstands Klaus Mann. Die Partei wird vom Münchner Verleger Gerhard Frey streng autoritär geführt – mit dem Ergebnis, dass sie auf lokaler Ebene kaum über tragende Strukturen verfügt. Die Mitgliedschaft sank in Brandenburg stetig von 300 in 2005 über 280 in 2006 auf 250 Mitglieder in 2007. Der brandenburgische Verfassungsschutz spricht von „restlichen Marginalstrukturen“. (6)
Zwar habe die DVU in Brandenburg zwölf kommunale Mandate, diese seien in der kommunalpolitischen Praxis jedoch kaum wahrzunehmen. Beobachter sprechen von widersprüchlichem Auftreten im Kommunalwahlkampf:
In einigen Regionen tritt eine Partei alleine an, im Kreis Oder-Spree stehen sich beide gegenüber, im Kreis Barnim kandidiert NPD-Mann Mike Sandow für die DVU.“ (7)
Auch der brandenburgische Verfassungsschutz sieht den „Deutschland-Pakt“ der NPD und DVU wanken. Der NPD sei der Pakt „eher [...] lästig denn [...] erwünscht“. (8) Und auch die innerparteilichen Streitigkeiten hemmen die DVU. Es sei ein Richtungsstreit um den Neonazismus, der sich v. a. an der Personalie Klaus Mann festmache, der „ständig als Verbindungsmann zwischen DVU und Neonazi-Szene in Erscheinung“ trete. (9)
Tatsächlich dürfte die NPD von der Schwäche ihres Partners beim „Deutschland-Pakt“ profitieren. Damit sind die Kommunalwahlen auch für das Binnenverhältnis in der rechtsextremen Parteienlandschaft der Bundesrepublik richtungsweisend.
Bei einer Wahlbeteiligung von 50,3 % konnte am Wahlsonntag, den 28.09.08, die NPD 1,8 % der Wähler für sich überzeugen und die DVU 1,6 %. Da es bei den Kommunalwahlen keine Fünf-Prozent-Klausel gibt, sitzen in 13 der 14 Kreistagen Rechtsextremisten. Das Ergebnis der beiden rechtsextremen Parteien zusammen verdoppelte sich laut Landeswahlleiter gegenüber den Kommunalwahlen 2003. Besonders die NPD wertet dieses Ergebnis als Erfolg: Sie habe die Zahl ihrer Abgeordneten verfünffachen können, meldete NPD-Landeschef Beier stolz. (10)
Folgende Mandate konnten NPD und DVU in den kreisfreien Städten und Landkreisen erringen (11):
Brandenburg an der Havel | keine |
Cottbus | NPD: 2 |
Frankfurt (Oder) | keine |
Potsdam | DVU: 1 |
Landkreis Barnim | DVU: 2 |
Landkreis Dahme-Spreewald | NPD: 3 |
Landkreis Elbe-Elster | DVU: 3 |
Landkreis Havelland | NPD: 2 |
Landkreis Märkisch-Oderland | DVU: 2 |
Landkreis Oberhavel | NPD: 2 |
Landkreis Oberspreewald-Lausitz | DVU: 2 |
Landkreis Oder-Spree | NPD: 3, DVU: 0 |
Landkreis Ostprignitz-Ruppin | keine |
Landkreis Potsdam-Mittelmark | DVU: 1 |
Landkreis Prignitz | DVU: 1 |
Landkreis Spree-Neiße | NPD: 2 |
Landkreis Teltow-Fläming | DVU: 1 |
Landkreis Uckermark | NPD: 2 |
In Cottbus schaffte es Frank Hübner in die Stadtverordnetenversammlung, in Guben misslang dieses Ziel Alexander Bode.
Diese Ergebnisse stellen zweifellos nicht den befürchteten Rechtsruck dar. Dennoch gelang es den Rechtsextremisten, ihre Position in Brandenburg zu festigen und auszubauen. Das ist insbesondere angesichts der deutlich gestiegenen Wahlbeteiligung bemerkenswert (2008: 50,3 %; 2003: 45,83 %). Denn hohe Wahlbeteiligungen gelten als bestes Mittel, rechtsextreme Wahlerfolge zu verhindern.
Wenn NPD und DVU daher trotz deutlich gestiegener Wahlbereitschaft gestärkt aus den Wahlen hervorgehen, muss das als Indiz gewertet werden, dass sie ihre Verankerung im Land verbessern konnten. Zumal Kommunalwahlen nicht als wichtige Plattformen von Protestwählern gelten. So passt es auch ins Bild, dass die rechtsextremen Parteien in einigen Regionen zweistellige Ergebnisse erzielen konnten. Die DVU erzielte bspw. im Altdöberner Ortsteil Reddern (Oberspreewald-Lausitz) ein Ergebnis von 16 %, und der NPD gelang es, in Weißack 15 % und in Beesdau 10 % der Wähler hinter sich zu bringen (beide Amt Heideblick, Dahme-Spreewald) (12). Im Ortsteil Werder der Gemeinde Tuchen (Oder-Spree) wurde die NPD gar stärkste Kraft mit 21 % der Wählerstimmen (13). Einen Schwerpunkt bilden die dünner besiedelten südlichen Regionen des Landes.
Jan Buschbom / Violence Prevention Network e.V.
Oktober 2008
1) Tagesspiegel, 06.09.2008.
2) ZEIT online, Tagesspiegel, 12.09.08.
3) Deutsche Stimme, Nr. 7 / 2006.
4) Deutsche Stimme, Nr. 5 / 2006.
5) bnr, Nr. 19 / 2008.
6) Ministerium des Innern des Landes Brandenburg. Referat V/2 (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht Land Brandenburg 2007. Potsdam 2008. S. 41.
7) Tagesspiegel, 22.09.08.
8) Ministerium des Innern des Landes Brandenburg. Referat V/2 (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht Land Brandenburg 2007. Potsdam 2008. S. 43.
9) Ministerium des Innern des Landes Brandenburg. Referat V/2 (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht Land Brandenburg 2007. Potsdam 2008. S. 46.
10) Berliner Zeitung, 30.09.08.
11)wahlen.brandenburg.de/wahlinfo/status_liste.php5?wahl=2; eingesehen am 02.10.08.
12) Vgl. Lausitzer Rundschau, 30.09.08.
13) taz, 30.09.08.
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