Sabine Tischendorf über Gender Budgeting

Die geschlechtergerechte Verteilung kommunaler Mittel

Die Haushaltsplanung in den Städten und Gemeinden beeinflusst unmittelbar den Alltag und das Leben aller Menschen. Doch ihre Bedürfnisse können höchst unterschiedlich sein. Gender Budgeting ergänzt die kommunale Haushaltsplanung und kann dabei helfen, die Mittel fairer und gerechter zu verteilen.

Ungerechte Verteilung der Gelder - dargestellt auf einer Wippe
© IStock.com | Prostock-Studio

Was bedeutet Gender Budgeting?

Mit dem Begriff ist eine Form öffentlicher Haushaltsplanung gemeint, bei der es um eine gerechtere Verteilung der verfügbaren Finanzen zwischen Männern und Frauen geht. Transparent und fair, das bedeutet Gender Budgeting.

Wie sieht es in Brandenburgs Kommunen mit dieser Form des Haushaltens aus?

In den Kommunen ist der Haushalt von zentraler Bedeutung, denn die Mittel sind begrenzt und die Aufgaben vielfältig. In Brandenburg setzten sich seit vielen Jahren unterschiedliche Gruppen, darunter der Frauenpolitische Rat, für einen fairen Haushalt ein. Nun soll ein Modellprojekt umgesetzt werden, in dem verschiedene Kommunen diese Art der Haushaltsplanung berücksichtigen. Die Landesgleichstellungsbeauftragte führt derzeit Gespräche mit Kommunen, die diesen Prozess anführen wollen.

Sabine Tischendorf
© Karoline Wolf
Sabine Tischendorf geb. Gräf hat in vielen Jahren der Prüfung und Beratung in Sachen Finanzen, Digitales und Personal von Land und Kommune Expertise erworben.

Sie hat die Kommunale Haushalts- und Kassenverordnung des Landes Brandenburg in Teilen kommentiert und ein Lehrbuch für die Auszubildenden des öffentlichen Dienstes mitverfasst. Für Fragen ist sie unter Tischendorf.Sabine@web.de erreichbar.

Was kommt da auf die einzelnen Kommunen zu?

Das Vorhaben ist spannend, denn es gibt in Deutschland noch nicht sehr viele Erfahrungen mit Gender Budgeting. Die Stadt Münster könnte deshalb ein Vorbild für Brandenburg sein, weil sie für ihre Verwaltung schon eine „Gebrauchsanleitung für Beschäftigte aller städtischen Ämter“ entwickelt hat.

Der Grundgedanke besteht darin, dass bereits in der Planungsphase des Haushalts berücksichtigt wird, welche konkreten Auswirkungen die vorgesehene Verteilung der Mittel für Männer und Frauen in der jeweiligen Kommune haben könnte. Indem die Verwaltungsmitarbeiterinnen und –mitarbeiter wissen, wie diese Wirkung ist, können sie die Verteilung der Mittel anders, das heißt geschlechtergerechter als bislang, planen.

Fair haushalten, wie können sich die Bürgerinnen und Bürger das Projekt in Brandenburg vorstellen?

Die Münsteraner „Gebrauchsanweisung“ sieht 10 Schritte vor, die auch im Brandenburger Modellprojekt geprüft werden sollen. Die Schritte bauen aufeinander auf und sollen ein systematisches Verwaltungshandeln bei der Erstellung eines geschlechtergerechten Haushalts ermöglichen.

Im ersten Schritt geht es um eine Sensibilisierung der betreffenden Beschäftigten für das Thema in ihrem konkreten Arbeitsbereich. Vorgeschlagen werden Fragen wie: Wenn Sie Ihren Aufgabenbereich betrachten, gibt es in Ihrem Umfeld Bereiche, von denen Frauen häufiger oder anders profitieren als Männer oder umgekehrt? Betreffen einige Themen ein Geschlecht mehr als das andere? Gibt es öffentliche Leistungen, die auf Männer eine andere Wirkung haben können als auf Frauen?

Was fängt die Verwaltung mit diesen Informationen an?

Die nächsten Schritte sind zeitlich aufwändig, aber sehr wichtig. Denn die Ergebnisse entscheiden über die Verteilung der Haushaltsmittel. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter prüfen, welche Leistungen im Haushalt der Kommune für die erkannten Themen vorgesehen sind. Nehmen wir zum Beispiel die Förderung des Sports. Wie viele Fußballplätze gibt es und wer benutzt diese? Welche Angebote gibt es für Männer und welche für Frauen?

Am Ende dieses Prozesses stehen entscheidende Fragen: Wie ist das Geld in diesen Positionen verteilt und warum ist es so verteilt? Ist die Unterschiedlichkeit sachlich begründet oder findet eine Ungleichbehandlung der Geschlechter statt? Zum Beispiel: Sind die Öffnungszeiten der kommunalen Einrichtungen auf die Bedürfnisse der unterschiedlichen Geschlechter ausgerichtet? Passen diese mit der Nutzung des ÖPNVs zusammen? Muss im Haushalt umgeplant werden oder sollte die Kommune bei Unterschiedlichkeit an der Stelle zum Beispiel zur Auflage machen, das unterrepräsentierte Geschlecht zu fördern?

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© Tomicek
Die kommunale Verwaltung in Brandenburg

Verwaltung ist das Kernstück kommunaler Ordnung. Das klingt nicht spannend, ohne die Menschen in der Verwaltung vor Ort würde aber keine Stadt oder Gemeinde ihre vielfältigen Aufgaben bewältigen können.

Kommt es bei der Auswahl der Themen und Beantwortung der Fragen nicht zu sehr auf die  Einstellung des einzelnen Mitarbeiters oder der Mitarbeiterin an?

Alle Ergebnisse des internen Prüfprozesses müssen mit Daten untermauert werden. Das heißt, die Beschäftigten der kommunalen Verwaltung müssen mit Zahlen nachweisen, dass etwa ihre Vermutung über die Nutzung eines Fußballplatzes durch vornehmlich männliche Personen richtig ist. Dafür könnten die von den Sportvereinen veröffentlichen Mitgliederzahlen und Angebote herangezogen werden. Deren Nutzung kommunaler Einrichtungen in Stunden ist im Vorbericht, der in jedem kommunalen Haushalt die Ergebnisse des Vorjahres zusammenfasst, beschrieben.

Es geht also um eine systematische, neue Ausrichtung kommunaler Haushalte?

Ja, daher ist es auch von Bedeutung, dass, wenn auf der Grundlage der Fakten deutlich wird, dass die Mittel nicht geschlechtergerecht verteilt worden sind, ein Gleichstellungsziel formuliert wird. Zum Beispiel, alle Sportstätten werden zu der häufigsten Schlusszeit von Sportangeboten von Bussen, Straßenbahnen und so weiter angefahren. Alle für Frauen nicht angstfreien Parkplätze werden überarbeitet. Die Haushaltsmittel werden dann entsprechend umverteilt.

Dann folgt mit Schritt 10 die Überprüfung der Maßnahmen: Wurde das Ziel erreicht? Es werden Termine festgelegt, zu denen die Zielerreichung gemessen wird und überlegt, ob nachgearbeitet werden muss. So könnte das Vorgehen aussehen, um einen fair verteilten und transparenten Haushalt aufzustellen: Wir denken bei allen Ausgaben darüber nach, inwieweit sie möglicherweise Männer oder Frauen benachteiligen. Die Inhalte, also die Antworten auf die W-Fragen (Wer, was, warum, wie) werden sich dabei stets verändern müssen, um den steten Wandel der Gesellschaft abzubilden.

BLPB, März 2022

Linktipps

  • Landesgleichstellungsbeauftragte Brandenburg

    Weitere Informationen erhalten Sie auf der Internetseite der Landesbeauftragten für die Gleichstellung von Frauen und Männern des Landes Brandenburg.

  • Gleichstellung in Brandenburg

    Brandenburg will in Sachen Gleichstellung mehr bewegen: Es geht um eine Gesellschaft, die es möglich macht, Familie neu zu denken und die aus veralteten Rollenbildern heraustritt. Die Gleichberechtigung von Männern und Frauen ist in Deutschland im Grundgesetz festgeschrieben.

  • Haushalt fair verteilen

    Gender Budgeting –In 10 Schritten zum Ziel. Eine Gebrauchsanleitung für Beschäftigte aller städtischen Ämter. (Frauenbüro Stadt Münster, 2017)

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