Ausstellungseröffnung

28. Juni 2010

Ausstellungseröffnung
Ausstellungseröffnung, Fotografien: Stefan Gloede

Rede zur Eröffnung der Ausstellung
von Dr. Erardo C. Rautenberg

Liebe Martina Weihrauch, liebe Martina Schellhorn, lieber Frank Hoppmann,
meine sehr geehrten Damen und Herren:

Karikaturisten leben gefährlich!

Als der Dichterjurist E.T.A. Hoffmann 1800 als Assessor nach Posen kommt, gerät er bald in eine Auseinandersetzung zwischen den dortigen Militärs und den Zivilbeamten. Ein früherer Kammergerichtsrat wird wegen Beleidigung eines Offiziers zu drei Monaten Festungshaft verurteilt und nimmt sich das Leben. Hoffmann sinnt auf Rache. Er greift mal nicht zur Feder, sondern zum Zeichenstift und arbeitet Monate lang an Karikaturen der verhassten Militärs. Diese werden während des Karnevals 1802 von zwei als Bilderhändler maskierten Freunden Hoffmanns während einer Feier verteilt, und zwar so, dass die Opfer von ihrem eigenen Missgeschick erst erfahren, nachdem sie sich über das ihrer Nachbarn krumm gelacht haben. Eine ganze Kaste sieht sich lächerlich gemacht. Noch in der selben Nacht schickt General von Zastrow - den Hoffmann als Regimentstambour mit zwei Teelöffeln auf einer als Trommel umgehängten Teemaschine dargestellt hatte - eine Eilstafette nach Berlin, in dem die Hoffmann sofort zugeschriebene Untat detailliert geschildert wird. Die schon unterzeichnete Urkunde mit seiner Beförderung zum Gerichtsrat wird annulliert und Hoffmann von Posen nach Plock strafversetzt, ein Name der so klingt, als ob ein plumper Stein in einen Sumpf fällt - und so trostlos wie das klingt soll es damals auch ausgesehen haben. Doch Hoffmann hat noch Glück gehabt.

Honoré Daumier handelt sich für eine Karikatur des Königs Louis-Philippes sechs Monate Haft ein. Doch auch Daumier hat noch Glück gehabt. Denken wir an Kurt Westergaard, den dänischen Zeichner, dessen Mohamed-Karikaturen vor ein paar Jahren zu Morddrohungen aus der islamischen Welt führten, die immer noch in der Welt sind. Der ältere „Herr mit teils schrägen Ansichten“ - so die Wochenzeitung „Die Zeit“ - lebt unter Polizeischutz und wurde kürzlich vom ZDF in eine Talkshow eingeladen, dann aus Schiss wieder ausgeladen und kam dann doch. Das Ende bleibt abzuwarten. Karikaturisten leben gefährlich!

Bei Frank Hoppmann können wir uns heute Polizeischutz wohl ersparen, aber die Anwesenheit eines Staatsanwalts kann nicht schaden – und wenn der dann auch noch spricht, wird potentiellen Anzeigeerstattern die Aussichtslosigkeit eines derartigen Unterfangens vermittelt, denn das Bundesverfassungsgericht ist bei Verteidigung des Grundrechts der Kunstfreiheit so verbissen, dass es sogar Kunst verteidigt, die ich für gar keine halte.

Bei Frank Hoppmann wären sich das Bundesverfassungsgericht und ich allerdings einig: Das ist Kunst – und deshalb ist es mir ein Vergnügen zur Eröffnung seiner heutigen Ausstellung zu sprechen, zumal es einen konkreten Bezugspunkt zwischen seiner und meiner Zunft gibt:

Er ist auch mit Gerichtszeichnungen in Erscheinung getreten, die hervorragend sind. Dies zeigt, dass Frank Hoppmann nicht nur das Innere eines Menschen im Äußeren zum Ausdruck zu bringen vermag, sondern auch die Realität so wiedergeben kann, dass ein vollwertiger Ersatz für die im Gerichtssaal bekanntlich nicht zulässige fotographische Aufnahme entsteht.

Diese Fähigkeit zur realtätsgetreuen Darstellung findet man auch bei seinen nichtsatirischen Portraits vor. Wenn also jemand unter uns sein sollte, der der Nachwelt nicht schnöselige Fotos, sondern ein Kunstwerk von sich hinterlassen möchte, so ist er bei Frank Hoppmann gut aufgehoben und ich verspreche Ihnen, dass dabei dann nicht eine Karikatur herauskommt. Ich weiß zwar, dass Sie mir das in diesem Ambiente nicht abnehmen werden, aber Sie können sich selbst ein Bild machen, indem Sie die hier gezeigte satirische Darstellung von Peer Steinbrück mit einem Portrait von diesem vergleichen, das auf der auch im Übrigen sehenswerten Internetseite von Frank Hoppmann abrufbar ist. Frank Hoppmann verfügt also nicht nur über Talent und Intuition, sondern auch über kunsthandwerkliches Können.

Trotz Besuche der legendären Documenta für Moderne Kunst in Kassel 1968 und 1972 und der begleitenden Daueragitation meines sich zur künstlerischen Avantgarde zählenden Kunstlehrers stehe ich nämlich auf der Seite der beiden Putzfrauen, die einen Fettfleck aufwischten, weil sie verkannt hatten, dass es sich dabei um ein sogenanntes Kunstwerk von Joseph Beuys handelte. Und bis heute verstehe ich nicht, dass ich für ein mit größter Akribie gemaltes Landschaftsbild einen abfälligen Blick eben dieses durch die Reihen schleichenden Kunstpädagogen erntete, dieses Bild dann aber doch sein Lob als beste Arbeit bekam, nachdem ich – durch den abfälligen Blick erzürnt - mit einem nassen Schwamm über das Aquarell gewischt hatte. Schließlich habe ich noch einen heftigen Streit mit ihm in Erinnerung, weil er der Meinung war, ein zusammengeknülltes Blatt weißes Papier sei Kunst, wenn der Knüllvorgang nicht von mir, sondern einem sogenannten Künstler getätigt worden sei.

Nein, Kunst kommt von Können und Frank Hoppmann hat das Können auch gelernt. Nach dem Abitur und einem Praktikum in einer Werbeagentur studierte der 1975 Geborene Design in Münster mit den Schwerpunkten Zeichnen, Illustration und Druckgrafik und schloss das Studium mit einer Diplomarbeit ab, die 50 großformatige und 200 Skizzen von Betrunkenen enthält und mit „Spirituosenliebhaber“ überschrieben ist. Das klingt lustig, ist es zum Teil auch, zum Teil aber auch nicht, nämlich dann, wenn man in den Bildern die Hoffnungslosigkeit und Verzweifelung der Dargestellten erkennt – das ist für mich große Kunst! Und mit diesem Urteil, das ich nach sorgfältiger Beweisaufnahme gefällt habe, stehe ich nicht allein. Frank Hoppmann hat schon mehrere Preise gewonnen, zuletzt 2009 den Deutschen Cartoonpreis. Und wenn man 2005 nur den zweiten Preis erhalten hat, weil der erste an Tomi Ungerer gegangen war, lässt sich damit ja auch gut leben!

Heute nun werden von dem in Münster lebenden und arbeitenden Frank Hoppmann die „satirischen Charakterköpfe“ gezeigt, die auf den Körpern von Politikern und von Prominenten aus der Kunst- und Kulturszene sitzen.

Martina Schellhorn hat dazu in dem schönen Ausstellungskatalog etwas formuliert, was mir so treffend zu sein scheint, dass ich mit dem Versuch gescheitert bin, es mit anderen Worten besser auszudrücken. Daher folgt nun das Kapitel: „Rautenberg liest Schellhorn“:

„Frank Hoppmann malt nicht ‚nach der Natur’, sondern studiert Fotos und Fernsehauftritte, nähert sich den zu Porträtierenden auf seine eigene, ganzheitliche Weise. Dabei geht er wie ein Archäologe zu Werk: trägt Schicht um Schicht ab, bis er zum Innersten vordringt, um Wesen und Eigenschaften freizulegen. Dann erst greift er zu Stift und Pinsel und macht sich ans aufwändige Werk. Sein Strich ist nicht schnell, aber sicher, sein Witz nicht laut, aber nachhaltig und das Ergebnis nicht tagesaktuell, sondern zeitlos.

Da wird Präsidiales vom Sockel gehoben, Intellektuelles aus dem Elfenbeinturm gelockt und Prominenz von der Bühne geholt und dem Volk auf Augenhöhe gegenüber gestellt. Hoppmann wandelt Distanz in Nähe, lässt die Berühmtheiten wieder zu Menschen werden mit all ihren Fehlern und Schwächen.

In bester satirischer Tradition von Daumier bis Ungerer, dabei in eigener, längst unverwechselbarer Handschrift, fertigt Frank Hoppmann seine Porträts. Stilsicher mäandert er zwischen Zeichnung und Aquarell, kombiniert Bleistift mit Buntstift, benutzt Tusche oder Acryl.

Hoppmann zeigt die Lust an der Macht so deutlich wie die Last des Amtes. Und deshalb porträtiert er sowohl die Erfolgreichen als auch die Gescheiterten. Nicht die glatte Oberfläche ist es, die ihn interessiert. Ihn reizt viel mehr, was von gelebtem Leben zeugt. Und so klettert sein Stift durch faltige Gebirgslandschaften, schwingt von Doppelkinn zu Nasenfalte, wandelt das gewinnende Lächeln in ein maskenhaftes Grinsen, modelliert das Riechorgan zum beeindruckenden Gesichtserker, hüpft von Tränensack zu Hängelid und lässt Augen listig blitzen. Kühn verschiebt er Proportionen, vergrößert hier, reduziert dort – und verblüfft im Ergebnis. Die Ähnlichkeit mit dem Original ist gleichermaßen frappierend und irritierend. Frank Hoppmann beherrscht die hohe Kunst der spöttischen Darstellung durch komische Übertreibung. Nie war Erkenntnis so vergnüglich.

Die Porträts sind einprägsam und popularitätsfördernd – schmeichelhaft sind sie sicher nicht. Im Gegenteil, sie verlangen von den Porträtierten ein hohes Maß an Selbstironie. Beschwert hat sich noch niemand. Bedankt aber auch nicht, obwohl es doch längst eine Ehre ist, in die Galerie der Charakterköpfe des Frank Hoppmann aufgenommen zu werden“


Soweit die trefflichen Ausführungen von Martina Schellhorn, die ich mit dem frommen Wunsch verbinden möchte, dass die satirischen Portraits bei einigen der betroffenen Politiker vielleicht auch eine präventive oder gar therapeutische Wirkung entfalten mögen. Sind doch unsere homines politici vom Caesarenwahn bedroht, an dem viele von ihnen erkranken, wenn sie zu lange in zu hohen Positionen tätig waren. Ein Glück, dass man sie in der Demokratie abwählen kann, wenn die Medizin der Karikatur als bildliche Form der Satire nicht wirksam war.

Trotz allgemeiner Heiterkeit sollten wir uns bewusst machen, dass wir mit dieser Ausstellung auch einen handfesten politischen Skandal hätten produzieren können, und zwar mit einfachsten Mitteln, nämlich durch bloßes Weglassen, also nach dem Muster der von Bismarck bearbeiteten Emser Depesche seines Königs, die 1870 den deutsch-französischen Krieg auslöste:

Wir hätten nur die satirischen Darstellungen Frank Hoppmanns von Politikern einer einzigen Partei aufhängen müssen. Schon wären die gesamte Landeszentrale, Frank Hoppmann und ich in den Verdacht eines Komplotts zur Verunglimpfung politischer Gegner geraten. Fazit: Die Gefährlichkeit von satirischen Darstellungen lässt sich nur bannen, wenn man sie möglichst breit streut und alle Mächtigen davon betroffen sind. Nur dann gilt uneingeschränkt das Zitat von Emile Zola, das am Anfang des Ausstellungskataloges steht:


„Das Lachen ist eine Macht, vor der die Größten dieser Welt sich beugen müssen.“

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