„Angermünder Elle“

Auslobung des Preises für besondere Beiträge zur Entwicklung einer gewaltfreien, toleranten und weltoffenen Stadt Angermünde

Präambel

Das Angermünder Bürgerbündnis für eine gewaltfreie, tolerante und weltoffene Stadt will Frauen, Männer und Gruppen würdigen und vorstellen, die in besonderer Weise dazu beigetragen haben, eine gewaltfreie, tolerante, weltoffene Stadt zu entwickeln.
Das Bürgerbündnis will Menschen ehren, unabhängig von ideologischen, religiösen, parteipolitischen Kriterien und unabhängig von ihrer sozialen und nationalen Zugehörigkeit.
Die „Angermünder Elle“ symbolisiert Gerechtigkeit und Gleichheit. Sie setzt das Maß für Bürgersinn und Engagement, für Werte wie Gewaltfreiheit, Toleranz und Weltoffenheit.

Dotierung

Die „Angermünder Elle“ ist mit einem Geldpreis in Höhe von 3.000 DM dotiert. Dem (oder den) Preisträger(n) wird die symbolisierte „Angermünder Elle“ und eine Ehrenurkunde verliehen. Die Überreichung des Preises wird in feierlicher Form durch den Bürgermeister der Stadt Angermünde vorgenommen.
Der Geldpreis der „Angermünder Elle“ wird privat finanziert durch Spenden von Bürgern, die in Angermünde unternehmerisch, kulturell oder politisch tätig sind.
Sie werden in den Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der Verleihung ausdrücklich benannt.
(Auszug der Auslobung)


Die Preisträger der ersten „Angermünder Elle“ waren Schülerinnen und Schüler aus dem fakultativen Kurs Religionsunterricht der 11. Jahrgangsstufe: Stefan Baumgart, André Borchardt, Elisabeth Joseph, Mathias Korepkat, Maria Krassuski, Anne Radloff und Eva Wollenberg.

Gemeinsam mit ihrem Religionslehrer Wolfgang Rall schildern sie ihre Erfahrungen mit der Initiative ICH SEHE NICHT WEG! im folgenden Bericht:

„Für Zivilcourage und gegen Gewalt. Ich sehe nicht weg!“ in Angermünde


SchülerInnen des Einstein-Gymnasiums Angermünde; Foto: Thomas Klatt

SchülerInnen des Einstein-Gymnasiums Angermünde; Foto: Thomas Klatt

Als erstes möchten wir uns vorstellen: Wir sind 4 Schülerinnen und 3 Schüler des Einstein-Gymnasiums in Angermünde.

Gemeinsam nehmen wir am fakultativen Kurs „Religionsunterricht“ für die Jahrgangsstufe 11 teil. In diesem Kurs beschäftigen wir uns unter anderem häufig mit gegenwärtig sehr relevanten Themenbereichen wie z.B. den vielen Formen von Intoleranz; der vielfältigen Gewalt gegen Anders-Denkende, Anders-Aussehende und Anders-Lebende, den verschiedenen Formen von Extremismus; den Ursachen; Erscheinungsweisen und Folgen von Rechts- und Linksradikalismus.

Dabei stießen wir jedoch immer wieder auf ein ähnliches Problem; Es wird zwar viel geredet, aber noch zu wenig getan.

Deshalb wollten wir in unserer Gruppe neben aller notwendigen Beschäftigung mit den Theorien auch praktisch aktiv werden. Bei der Suche nach einer geeigneten Form beschäftigten wir uns auch mit der Initiative der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung mit dem Titel „Für Zivilcourage und gegen Gewalt. Ich sehe nicht weg!“.

Im Vergleich zu vielen anderen Initiativen fühlten wir uns von dem Thema dieser Initiative besonders angesprochen, denn es formuliert kurz und prägnant ein Anliegen, dass nach unserer Meinung für viele der oben genannten Themenbereiche von zentraler Bedeutung ist.

Dabei war uns ist für uns besonders wichtig, dass in dem Satz „Ich sehe nicht weg!“ das „Ich“ statt eines kollektiven „Wir“ steht. Das „Wir“ könnte leicht die Gefahr des Abschiebens der eigenen Verantwortung auf andere bieten. Wichtig war und ist uns auch, dass es in der Formulierung des Themas der Initiative um Gewalt an sich geht uns es nicht darauf eingeschränkt ist, dass Gewalt nur ein Problem des Rechtsextremismus und des Linksextremismus sei. Diese Meinung besteht leider zu oft.

Doch Gewalt zeigt sich in vielen Bereichen unserer Gesellschaft wie z.B. in Kinderzimmern, in vielen Ehen und Lebensgemeinschaften, in Elternhäusern, in Schulen und auf Straßen. Mit wachsender Besorgnis beobachteten und beobachten wir eine immer größer werdende und schleichende Akzeptanz von Gewalt.

Die Hemmschwelle gegenüber den vielen offenen und versteckten Formen von verbaler und physischer Gewalt sinkt dabei immer mehr, sie wird toleriert und zum Teil sogar akzeptiert. Gewalt wird viel zu oft als normal betrachtet und gehört mehr und mehr zum Alltag. Diese Spirale gilt es zu durchbrechen. Hierbei kann man jedoch keinesfalls nur auf restriktive Gesetze von oben hoffen, sondern möglichst jede und jeder könnte und sollte sich auf ihre/seine Art und Weise daran beteiligen. Unsere Demokratie lebt unter anderem wesentlich von der Zivilcourage der und des Einzelnen. Demokratie ohne Zivilcourage kann zur Diktatur führen.
Aufruf

Ich sehe nicht weg,

wenn alte Menschen auf der Straße oder anderswo angepöbelt werden
wenn Männer ihre Frauen schlagen
wenn Tiere gequält werden
wenn Schwule und Lesben verspottet werden
wenn kranke oder behinderte Menschen ausgegrenzt werden
wenn Männer oder Frauen zu Sexobjekten degradiert werden
wenn Kinder misshandelt und missbraucht werden
wenn Mobbing an der Schule zunimmt
wenn Hoffnungslosigkeit und Resignation immer mehr Opfer finden
wenn Demonstration oder Polizisten auf offener Straße oder anderswo zusammengeschlagen werden
wenn rechtsradikale Gewalttäter ihre Gewalt durch linksradikale Gewalt legitimieren
wenn linksradikale Gewalttäter ihre Gewalt durch rechtsradikale Gewalt legitimieren

wenn ...

Schön wäre es,
wenn Ihr die Aktion unterstützt, indem Ihr Karten kauft und eventuell neue Motive entwerft.


SchülerInnen des fakultativen Kurses „Religion“ der Jahrgangsstufe 11 aus Angermünde.



In der Beschäftigung mit der Initiative der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung stellten wir fest, dass es für uns im Interesse einer möglichst großen Wirksamkeit dieser Initiative notwendig ist, einiges an ihrer Gestaltung zu verändern.

Die Idee, zu dem Thema der Initiative Postkarten mit verschiedenen Motiven anzubieten, wollten wir übernehmen. Die Motive der Postkarten vermitteln wichtige Denkimpulse und ihr Erwerb auf Spendenbasis dient einem Zweck, der es wert ist, unterstützt zu werden.

Die Vielfalt der Postkartenmotive ermöglicht es, dass durch sie sowohl verschiedene Bereiche von Zivilcourage und Gewalt als auch ganz verschiedene Menschen als potentielle Betrachter oder Erwerber angesprochen werden können.

Doch das zu der Initiative gehörende Plakat der Brandenburgischen Landeszentrale für politische Bildung kann durch die das Plakat bestimmende Motivwahl und die Gestaltung und Anordnung der geschriebenen Informationen die genannten positiven Akzente der Themenwahl dieser Initiative und ihrer Durchführung zu leicht verdecken.

Wir stellten in vielen Gesprächen mit ganz verschiedenen Personen fest, dass der Eindruck von der Initiative, der durch das Plakat hervorgerufen wird, viel zu oft von dem im Zentrum stehenden T-Shirt Motiv Albert Einsteins bestimmt wird.

Damit ist dann aber auch schon wieder häufig eine Schublade wie z.B. „Ach so. Wieder mal gegen Rechts.“ geöffnet, es wird entsprechend oft nicht länger hingeschaut und wenn doch, dann aber nur sehr selten so lange, bis das Thema der Initiative entdeckt und in seiner Wendung für Zivilcourage und gegen Gewalt an sich bewusst werden kann.

Die beschriebenen kritischen Beobachtungen veranlassten uns, ein eigenes Plakat zu gestalten, dass das für uns wichtige Thema der Initiative besser zur Geltung bringt.

Von der Kritik dann aber wirklich zu einem eigenen Plakat zu kommen, war für uns ein wichtiger Arbeitsschritt. Schon hier wurde deutlich, dass die zwei Wochenstunden Religionsunterricht in keiner Weise ausreichen, um den tatsächlichen Zeitaufwand für solch ein Projekt abzudecken.

Wir begannen, wie später noch viel öfter, an vielen anderen Nachmittagen im Einstein-Gymnasium und anderen Orten Angermündes für das Projekt tätig zu sein. Auch dies war uns für uns eine wichtige Erfahrung. Das Ergebnis unserer Plakatgestaltung kann man seit einigen Wochen in mehreren Schaufenstern und in einigen öffentlichen Einrichtung unserer Stadt sehen.

selbstgestalteter Postkartenständer und Sammelbüchse. Foto: Thomas Klatt

selbstgestalteter Postkartenständer und Sammelbüchse. Foto: Thomas Klatt

Ebenfalls komplett neu gestalteten wir die Postkartenständer, denn die gelieferten Postkartenständer nehmen für den auf einer Ladentheke oder auf der Theke einer öffentlichen Einrichtung heute meist sehr begrenzten Raum zu viel Platz ein.

Viele Geschäfte oder öffentliche Einrichtungen könnten sich schon auf Grund dieses Platzproblems nicht an der Initiative beteiligen. Und wenn einige wenige den Platz doch haben, so sind die Ständer so gestaltet, dass sie die Postkarten weitgehend verdecken und auch sonst den Betrachter oder die Betrachterin einfach nicht neugierig auf sie machen. Das ist auch dadurch bedingt, dass die Postkartenständer in keiner Weise etwas über das Thema der Katen und der Initiative aussagen. Bei einer Neugestaltung musste es also darum gehen, auf möglichst wenig Platz die Postkarten in einem ansprechenden und neugierig machenden Ständer anzubieten, der möglichst auch das Thema der Initiative deutlich macht.

Für die gelieferten Spendenbüchsen, die einfach weiß gelassen waren, galt ähnliches. Auch sie sagten nichts über das Thema der Initiative aus und sprachen den Betrachter oder die Betrachterin nicht an. Auch sie galt es deshalb, ansprechender zu gestalten.

Die Ergebnisse unserer Neugestaltung kann man in Form unserer selbst hergestellten Kartenständer und der beklebten Spendenbüchse in vielen Geschäften und öffentlichen Einrichtungen von Angermünde sehen.

Auf den Gang in die Geschäfte und öffentlichen Einrichtungen bereiteten wir uns durch Gespräche und Rollenspiele vor. Zwei bis drei Personen sollten jeweils gemeinsam losgehen.

Doch als wir losgingen, passierte das für uns und viele andere kaum Erwartete. Es gab selten irgendwelche Probleme. Im Gegenteil! Die meisten der Angesprochenen waren gern bereit, sich an der Initiative zu beteiligen. Sie fanden sie gut und wollten sich durch das Aufstellen der Postkartenständer und der Spendenbüchse – bei genug Platz im Schaufenster mit dem Aufhängen des Plakates – gern unterstützen.

Mit einer solchen Resonanz hatten wir und viele andere nicht gerechnet. Bei den Gängen in die Geschäfte und in die öffentlichen Einrichtungen hatten wir häufig interessante Erlebnisse. So spendete ein junger Mann, der als wartender Kunde unser Gespräch mit einem Apotheker mitanhörte, sofort von sich aus Geld, einfach nur deshalb, weil es für ihn wichtig und gut war, dass junge Menschen etwas gegen Gewalt tun.

Das ist nur ein Beispiel von vielen. Als Dauer der Initiative planten wir hinsichtlich ihrer Präsenz in den Geschäften und öffentlichen Einrichtungen mindestens 6 bis 8 Wochen ein, um so das Thema und die Postkartenmotive ausreichend wirken lassen zu können.

Neben dem Angebot der Postkarten in Geschäften und öffentlichen Einrichtungen begannen wir, die Postkarten persönlich bei öffentlichen Veranstaltungen anzubieten. Dazu zählten bisher das Jubiläumskonzert der Angermünder Stadtsänger in der Marienkirche und ein klassisches Konzert in der Marienkirche. Bei beiden Konzerten wurde der Hinweis auf die Initiative in die Moderation eingebaut. Bei unserem persönlichem Auftreten und den dabei entsprechenden Gesprächen mit den Konzertbesuchern machten wir ebenfalls positive Erfahrungen hinsichtlich der Reaktionen der Angermünder und Angermünderinnen.

In der „Boom“, der Schülerzeitschrift des Einstein-Gymnasiums, veröffentlichten wir kurz vor Ostern, nachdem die Initiative in unserem Gymnasium schon seit einigen Wochen an mehreren Orten präsent war, einen zweiseitigen Artikel über unsere Initiative nun auch durch das von uns geschriebene und für die Öffentlichkeit gedruckte Wort in Verbindung mit einer ansprechenden graphischen Gestaltung des Artikels zu vertreten und zu erläutern.

Nach den Osterferien planten wir noch weitere Schritte hin zu einer breiteren Öffentlichkeitsarbeit, die dann auch die Regionalpresse miteinbeziehen soll. Außerdem bestehen schon Verbindungen zu einem interessierten Berliner Journalisten, um auch überregional auf diese Angermünder Initiative hinzuweisen.

Dies erschien uns nicht nur hinsichtlich des Themas der Initiative als wichtig, sondern auch im Hinblick auf das Ansehen von Angermünde. Der Verlauf der Initiative zeigt sehr deutlich, dass Angermünde noch viele andere Seiten als die vor einigen Jahren in der überregionalen Presse so sehr betonten hat.

Zwei öffentliche Einrichtungen in Berlin haben schon ihre Bereitschaft erklärt, sich an der Angermünder Initiative durch das Anbringen unserer Plakate und das Aufstellen unserer Postkartenständer und Spendenbüchsen zu beteiligen. In den Ferien haben wir auch weitere Geschäfte in Angermünde angesprochen. Sie erklärten sich gern zur Teilnahme bereit. Nach den Ferien erfolgt ihre Belieferung.

Außerdem möchten wir versuchen, entsprechend der Zielsetzung der Initiative auch selbst weitere Motive für die Erweiterung der Postkartenserie zu gestalten und andere dazu zu ermutigen.

 

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