Es kann so einfach sein. Teil 7

Tausend Farben bunt: Brandenburg.

Aus dem Weltall sieht Brandenburg verdorrt aus. Ein paar Flüsse sind nicht mehr da, die Seen sind so warm wie die Badewanne und Waldbrände gab es auch. Ist Brandenburg in diesen Sommerferien farblos? Theresa ist mit dem Rad los und hat nach den Farben gesucht.

Unser Kosmonaut – in Brandenburg sagt man nicht „Astronaut“ – Alexander Gerst schreibt aus dem Weltall, von oben sieht Brandenburg jetzt mächtig braun aus. Er meint die Dürre, Gott sei Dank nicht die politischen Verhältnisse. Ja, das Land ist trocken, verdorrt und heiß in diesem Sommer. Ein paar Flüsse sind nicht mehr da, die Seen sind so warm wie die Badewanne und Waldbrände gab es auch schon. Ist Brandenburg in diesen Sommerferien eher farblos und zum Weglaufen? Wir haben nach den Farben gesucht. 

Brandenburg hat, so sagen es die Statistiker, 4 große Städte, 113 kleine Städte, 300 Gemeinden und 1.775 „Ortsteile“.  „Ortsteile“ können hier alles sein, meistens sind es aber Dörfer. Es gibt kein anderes Land in Deutschland, wo es so viele Dörfer mit so wenig Einwohnern gibt. Lette, Jana und ich sind den ganzen Sommer durch Brandenburg gehüpft, um die Dörfer zu entdecken. Ein paarmal sind wir knapp dem Hitzetod entkommen, einmal hätten mich beinahe Wildschweine aufgefressen und im Bergheider See haben wir das Brandenburg-Krokodil entdeckt. Kurz vor Mitternacht. Da hatten wir aber auch was geraucht. Egal. Jetzt sind wir wieder zurück. Wir sitzen bei Frau Ragow auf der Terrasse und werten die Farben Brandenburgs aus.

 

Grün wie die Hoffnung, hautrot und sandgelb

Mescherin ist ganz oben im Nordosten. Es gehört zu den Orten in Brandenburg, die wieder wachsen. Weil sie ernstnehmen, dass sie zu Europa gehören und Grenzen nicht wichtig sind. Die Menschen fahren von Mescherin in Brandenburg nach Gryfino in Westpommern und andersherum. Es ist egal, ob Du Pole oder Deutscher bist. Du kannst einfach sein hier. In Mescherin ist es grün wie die Hoffnung.

In Pritzwalk im Nordwesten ziehen die Leute sich aus. Bei der Hitze verständlich. Aber hier machen sie es prinzipiell. Ab Herbst gibt es von Pritzwalk aus den ersten FKK-Wanderweg Brandenburgs: the nudist-walk. Diesen Sommer haben sie schon mal inoffiziell geübt. Lette war dabei und meint, es zeige vor allen Dingen, wie schnell die Haut rot werde und welche ästhetische Belastung Tattoos werden können, wenn an ihnen der Schweiß perlt. In Pritzwalk ist es hautrot diesen Sommer.

Am Bergheider See im Süden, so Jana, kannst Du Beziehungsstress radikal abbauen. Du mietest Dir ein Quad und rast durch das Death Valley Brandenburgs, bis Dir keine Flüche mehr einfallen. Dann ist alles sandgelb in Deinem Kopf und um Dir auch. Du bleibst, bis das Feel Festival anfängt. Du suchst Dir eine neue Beziehung und alles ist Regenbogenfarben am See. Wie die Liebe, die sich nie auf eine Farbe einigen kann. Eines musst Du aber wissen: Wird es vorwiegend blau, ist die Liebe vorbei.

In Grumsin in der Schorfheide darfst Du keine Angst vor Wildschweinen haben. Die sind hier überall und sogar Teil vom Weltnaturerbe. Und wenn es gewittert, dann grummeln die Bäume. Deswegen heißt der Wald „Grumsin“ – es ist ein Grummelwald. Und selbst wenn die Sonne brennt: hier ist es dunkelgrün und kühl!

In Golßen im Spreewald ist es auch grün, aber gurkengrün. Hier wohnen die Gurkenkönigin und der Gurkenkönig. Es ist lustig hier, aber auch ein wenig depressiv. Ich glaube, die Menschen fühlen sich sehr auf Gurke reduziert. Aber es ist hier wirklich überall grün. Nur eben gurkengrün.

Orange aus Freude am Leben, gelbbraun und blutrot

In Netzeband bei Neuruppin sind die Gesichter bunt. Oder besser, die Masken. Hier wird jeden Sommer Theater gespielt und das meist in bunten Masken. Die Menschen von Netzeband waren sogar schon mal auf der Expo in Hannover. Als brandenburgisches Musterdorf. Hier ist alles orange irgendwie. Orange ist die Freude am Leben. Wie ein gut gekühlter Orangensaft.

Auf dem Weg von Berlin nach Bad Wilsnack fährt man nur durch gelbe und gelbbraune Landschaften. Und trifft auf Menschen, die sich den Weg entlang quälen. Sie pilgern und gleichen dabei immer mehr der Natur: Gegerbte Haut in gelbbraun. Warum pilgern Menschen zu Fuß nach Bad Wilsnack? Weil es hier die Wunderblutkirche mit Wunderblut gibt. Also ist es am Anfang gelbbraun und am Ende blutrot. Wie im Verlaufe jeder erschöpfenden Reise. Am Ende platzen die Blasen am Fuß.

So ein schönes Lila und so dunkel wie sonst nirgends

In Golzow im Oderbruch ist es für mich rot und blau und weiß. Wie das karierte Hemd von Bourhan Ahmad, als er hier 2015 eingeschult wurde. Von ihm, seiner Familie und einer weiteren Familie, die 2015 aus Syrien flohen, erzählt das Museum in Golzow – es geht um die „neuen Kinder von Golzow“. Um sie wurde gestritten, wie überall in Brandenburg. Hier ist erlebbar, wie ein kleines Dorf über den Streit trotzdem zur neuen Heimat werden kann für Menschen, die ihre Heimat verloren haben. Und wie alle voneinander lernen. Rot und blau sind zusammen lila. Das steht für Ausgleich und Verständnis füreinander. Sollte es häufiger in Brandenburg geben. So ein schönes lila.

In der Nacht des Blutmondes war Jana vor Premnitz im Wald. Dort, im „Sternenpark Westhavelland“ ist es so dunkel wie sonst nirgends in Brandenburg - sagt die International Dark Sky Association aus Tucson in Arizona. Ob der Alexander Gerst der Jana gewinkt hat, konnte sie nicht sagen. Sie hat nur sein Raumschiff erkannt. Auf jeden Fall war es aber schwarz am Himmel mit weißen Punkten drin. Und eine rote Mondlampe dazwischen.

Was haben wir noch gesehen:

Das verlassene Krankenhaus in Grabowsee und die alten Sowjetkasernen in Wünsdorf, je nach Kameraeinstellung sehr unterschiedliche Farben. Der Verlorenort bei Kremmen ist wirklich völlig verloren, das Ortsschild ist Grün mit Weiß. Dann waren wir am „Sonderwaffenlager Himmelpfort“ im Norden, wo früher Atomraketen lagerten und heute Fledermäuse hausen. Hier ist alles grün-grau und immer noch ein wenig beängstigend.

In Berlinchen ein Stück weiter im Süden ist noch Luft nach oben: es gibt kein veganes Eis. Was sollen die Berliner da denken, die sich alle neben dem Ortsschild fotografieren lassen?

Dann wollten wir noch nach Rosendorf bei Senftenberg, weil es früher Scheißendorf hieß. Wir fanden das lustig. Aber das Dorf ist weg, es wurde vom Tagebau „devastiert“, also vernichtet. Wieder eine neue Farbe in Brandenburg: das Nichts.
Frau Ragow kommt und bringt neue Zitronen-Pfirsich-Limonade mit Pfefferminze. Ein Farbentraum.

Ganz am Ende waren wir noch in der Neuhausener Straße in Berge. Das ist laut der Fotoplattform Flickr der einzige Ort in ganz Deutschland, von dem es im Internet bisher noch keine Fotos gibt. Es ist ein normaler Ort. Hinten das weiß der Windräder, vorne das grau der Straße, daneben das Gelb des verdorrten Maises, dahinter ein wenig grün von Bäumen. Und dazwischen Zwischenräume mit blau. Die ganz normale Brandenburger Farbenwelt also.

Was habt ihr eigentlich diesen Sommer in Brandenburg gesehen? Und welche Farbe war euch am liebsten? Von den tausend Farben Brandenburgs. Schreibt mal!


Eure Theresa
 

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Theresa

Wegen Kunst am Leben und im Beruf ist Theresa nach Berlin gezogen. Dort arbeitet sie, wohnt aber in Brandenburg. Am Anfang hat sie gedacht, das kann nur eine Notlösung sein, denn alle wollen doch nach Berlin, niemand aber nach Brandenburg. Inzwischen sieht sie das anders. Brandenburg ist ganz anders als Berlin, wo jeder sich jeden Tag bloß neu erfindet. Brandenburg ist einfach und manchmal furchtbar kompliziert. Warum ist das so? Hier schreibt sie es auf.

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