Von Generationen und Gefühlen
Die „dritte Generation Ostdeutschland“: Sie ist Anfang der 1980er Jahre in der DDR zur Welt gekommen, hat oft nur bruchstückhafte Erinnerungen an das Aufwachsen in einem Staat, den es nicht mehr gibt. Und doch beschäftigt sie diese Zeit so sehr, dass sie die Öffentlichkeit sucht, um sich und ihren Erinnerungen Gehör zu verschaffen.
Offen gesagt, fällt es mir schwer, die Debatten zu verstehen und das liegt nicht daran, dass ich die "Erfahrung DDR" nicht selbst gemacht habe. Vielmehr ist der Gegenstand der Debatte so schwer zu fassen. Denn die "dritte Generation Ostdeutschland" scheint mir ein Gefühl zu sein, etwas, das nicht mit Geburtsjahren und -orten zu bestimmen ist.
Ein Gefühl, das eine Grauzone zwischen Schulbuchwissen, eigenen Erlebnissen und der Erfahrung der Eltern beschreibt und deshalb Zwiespalt hervorruft. Soll ich oder soll ich nicht, kann ich, darf ich, muss ich...? In zahlreichen Diskussionen an der Universität und mit Freunden begegnet es einem immer wieder, dieses "Gefühl", das es vielen Ostdeutschen der dritten Generation so schwer macht, über ihre Vergangenheit zu reden. Sei es die Unsicherheit, die Eltern mit ihrem Leben in der DDR zu konfrontieren oder die Angst, damit Konflikte zu schüren. Sei es das Bedürfnis, sich selbst für die eigene Vergangenheit rechtfertigen zu müssen, aber auch der Wunsch, Kritik an der DDR entschlossen entgegenzutreten. Denn für sie und ihre Eltern war die DDR eben nicht nur ein System, sondern auch Heimat. Es ist ein Mäandern, ein Suchen, zwischen dem Hier und dem Damals.
Wozu braucht es eine "dritte Generation Ost"?
Aufbruch in die Zukunft!
Begegnungs- und Biografieworkshop am 29. April in der Landeszentrale
Diese Generation hat eine einzigartige Chance. Sie könnte ein Geschichtsbild vermitteln, das im Gegensatz zu wissenschaftlichen Studien nicht auf "Fakten", sondern auf Verständnis zielt. Sie hat diese Chance, weil sie sowohl "von innen" als geborene Ostdeutsche auf die DDR schauen kann als auch "von außen" als eine Generation, die im wiedervereinigten Deutschland den größten Teil ihres bisherigen Lebens verbracht hat.
Sie könnte der Schlüssel sein für all jene (Westdeutschen), die keinen Bezug zum Leben in der DDR hatten und immer noch Vorurteile haben. Die "dritte Generation" ist es auch, die am ehesten eine kritische Auseinandersetzung mit der Elterngeneration führen, aber auch jungen Westdeutschen ein Vorbild geben könnte, die eigenen Eltern nach deren Rolle im geteilten Deutschland zu fragen.
Und doch nagt an mir der Zweifel, ob nicht allein schon der Begriff „dritte Generation Ostdeutschland“ zur Fortführung und Verfestigung eines Ost-West-Denkens beiträgt.
Wird so nicht erst ein Gegensatz konstruiert - zwischen Ost und West, zwischen den Generationen von heute und morgen? Und trägt die in der Öffentlichkeit gesuchte Auseinandersetzung nicht den (konstruierten) Gegensatz weiter?
Im alltäglichen Leben dieser jungen Erwachsenen aus Ost- oder Westdeutschland nehmen Herkunft und Vergangenheit doch heute nur einen untergeordneten Platz ein.
Und schließlich bleibt die Frage, was gewinnt die „dritte Generation Ostdeutschland“ aus diesen Dialogen? Die meisten sind skeptisch, ist es doch eher ein Prozess der Auseinandersetzung mit der eigenen Vergangenheit, den jeder individuell auf sich nimmt.
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Kommentare
KommentierenAllenfalls "Generation Wende"
Ich bin ebenfalls der Meinung, dass mit dieser Aktion etwas konstruiert wird, was so nicht vorhanden ist.
Es ist gewiss legitim, sich an die Kindheit zu erinnern. Wer mag, kann Ost-Cola und Ost-Schokolade essen statt „kapitalistischer“ Produkte. Es ist auch nachvollziehbar, dass junge Thüringer oder Brandenburger, die in München oder Dubai leben, einen Stammtisch gründen.
Wenn die Gründer ihre Aktion “Generation Wende” genannt hätte, könnte ich das noch verstehen. Der Zusammenbruch der DDR hat das Leben der meisten Ostdeutschen grundlegend verändert und diese Zeit der Veränderung durchlebten viele mit Verunsicherung und Verzweiflung.
Dass aber viele Menschen erst nach der sogenannten Wende aus ihrem Leben und ihren Fähigkeiten etwas machen konnten, beruflich und privat, gerät bei der rückwärts gewandten Bezeichnung „Dritte Generation Ost“ aus dem Blickfeld.
Es wäre wichtiger, nach vorne zu denken, als neben die schon vorhandene Weichzeichnung der DDR und die vernachlässigte Aufarbeitung in den Schulen jetzt auch noch die erste ostdeutsche “Generation Vereintes Deutschland” auf acht bis zehn Kindheitsjahre in der DDR zu reduzieren.
Die jungen Leute, Westdeutsche und Ostdeutsche, die z. B. gemeinsam in Leipzig oder Köln studieren und sich die Wohnung teilen, gehen mit den im Alltag kaum wahrnehmbaren Unterschieden pragmatisch um. Das macht Hoffnung, dass zusammenwächst, was zusammengehört. Dazu bedarf es keines neuen Narrativs von einer “Dritten Generation Ost”.
Dritte Generation
Danke für den Beitrag. Ich verfolge die Debatte seit einiger Zeit und frage mich auch, was die dritte Generation will. Offenbar scheint die Landeszentrale sie für wichtig zu halten, denn es gab schon einige Veranstaltungen dazu. Ich denke, es würde keiner merken, wenn die dritten nicht mehr da wären, sie tun aber auch nicht weh und es sieht auch nicht so aus, als würden sie noch Revolution schreien.
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