Lobbyismus

Abgeordneten die eigenen Interessen vortragen

In der Politik bezeichnet Lobby eine Interessengruppe. Der Begriff leitet sich aus dem englischen Wort Lobby ab, einer alten Bezeichnung für die Vorhalle des Parlaments. Dort versuchten Vertreter bestimmter Interessengruppen [Lobbyisten], mit Abgeordneten ins Gespräch zu kommen. Die Tätigkeit dieser Interessengruppen wird auch als Lobbying bezeichnet.

Lobbyismus ist der Versuch von Interessengruppen, die Entscheidung von Abgeordneten zu beeinflussen. Lobbyisten und Lobbyistinnen kommen aus Wirtschafts- und Industrieverbänden, aus Nicht-Regierungsorganisationen, Stiftungen, zivilgesellschaftlichen Vereinen, Kirchen und anderen Bereichen des gesellschaftlichen Lebens. Sie vertreten unterschiedlichste Anliegen, zum Beispiel Wirtschaftsinteressen, Minderheitenrechte, Interessen von einzelnen Berufsgruppen oder den Umweltschutz.

Interessenvertretung ist ein wichtiger Bestandteil jedes demokratischen Systems. Es soll absichern, dass verschiedene Gruppen ihre Anliegen und Bedenken in die politische Entscheidungsfindung einbringen können. Wenn unklar bleibt, wie stark die Einflussnahme einzelner Gruppen auf Gesetze oder andere Entscheidungen ist, kann Lobbyismus zum Problem werden.

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© Großstadtzoo

In Deutschland warnen Organisationen wie Transparency Deutschland oder der LobbyControl e.V. vor diesen negativen Seiten des Lobbyismus. Immer mehr Großunternehmen und ökonomisch starke Akteure würden es sich leisten können, eigene Lobby-Büros in der Nähe der Regierung aufzubauen und so ungleich verteilte Einflussmöglichkeiten schaffen.

Demokratie lebt davon, dass kontroverse Meinungen in der Öffentlichkeit ausgetauscht und diskutiert werden können. Durch eine Verlagerung von gesellschaftlich bedeutenden Abstimmungsprozessen in halb-offizielle Nischen wird jedoch der  öffentliche Raum als wichtige demokratische Errungenschaft, um Bürgerpartizipation zu gewährleisten, untergraben.

Von politischer Seite wird versucht, dem entgegenzuwirken, allerdings nur halbherzig, wie Kritiker bemängeln. So gibt es nach einem Beschluss des Deutschen Bundestages vom 21. September 1972 eine öffentliche Liste, in der Verbände, die Interessen gegenüber dem Bundestag oder der Bundesregierung vertreten, eingetragen werden können. Die Liste wird vom Präsidenten des Deutschen Bundestages geführt und im Internet zur Verfügung gestellt. Jedoch werden nur diejenigen Verbände in die Liste aufgenommen, die eine Aufnahme von sich aus beantragt haben. Eine Registrierungspflicht gibt es nicht. Genau das fordern aber Lobby-Kritiker seit vielen Jahren.

Lesetipp

Von der Großen Koalition wurde (im Zuge der Masken-Affäre in der Union) im Juli 2020 die Einführung eines verpflichtenden Lobbyregisters auf Bundesebene beschlossen. Seit 2022 gilt nun eine Registrierungspflicht für regelmäßiges oder auf Dauer angelegtes Lobbying im Bundestag (einschl. Mitgliedern, Fraktionen und Gruppen), der Bundesregierung und den Ministerien (einschl. der Ebene der Unterabteilungsleiter:innen) im Lobbyregister. Wird die Interessenvertretung im Auftrag von Dritten ausgeführt, werden für die Lobbyarbeit also Lobbyagenturen oder -kanzleien beauftragt, führt dies ausnahmslos zur Registrierungspflicht, unabhängig von der Dauer der Tätigkeit. Ausnahmen der Registrierungspflicht gelten für Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände sowie Kirchen, Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften, aber auch parteinahe politische Stiftungen, vom Bund geförderte Organisationen der auswärtigen Kultur- und Bildungspolitik, kommunale Spitzenverbände und nationale Minderheiten.

Von der Registrierungspflicht ebenfalls ausgenommen ist die Lobbyarbeit in den Fachreferaten, ausgerechnet dort, wo der Großteil der Gesetze geschrieben wird. Das Fehlen des sogenannten „exekutiven Fußabdrucks“ bildet den Hauptkritikpunkt von Organisationen wie Abgeordnetenwatch, LobbyControl oder auch Transparency International Deutschland.

LobbyControl kritisiert zudem, dass im Lobbyregister keine konkreten Angaben dazu gemacht werden müssen, worauf die Lobbyarbeit spezifisch abzielt. So wird lediglich nach einer allgemeinen Angabe zum Interessen- und Vorhabenbereich gefragt. Zudem wird von Lobbyagenturen nur eine Angabe zu den Aufwendungen insgesamt verlangt. Damit bleibt verborgen, wie hoch der Auftragswert für spezifische Lobbyaufträge ausfällt.

Die Kontrolle der Registerführung liegt bei der Bundestagsverwaltung. Verstöße der Registrierungspflicht sind eine Ordnungswidrigkeit und werden mit Sanktionen geahndet, wie etwa der Verhängung von Bußgeldern in Höhe von bis zu 50.000 €. Des Weiteren kann die Verweigerung von Angaben dazu führen, dass die Herausgabe für Hausausweise untersagt wird. Auch die Anhörungen im Bundestag oder in den Ministerien soll dann nicht mehr möglich sein.

Auf europäischer Ebene gibt es ein EU-Lobbyregister (EU-Transparenzregister). Das ist eine öffentlich zugängliche Datenbank des Europäischen Parlaments und der Europäischen Kommission zur Registrierung von Interessenvertretern. Lobbyisten, Personen also, die Kontakt zu den beiden Institutionen suchen, stellen dort auf freiwilliger Basis Informationen über ihre Lobby-Aktivitäten in der EU bereit und verpflichten sich zur Einhaltung eines bestimmten Verhaltenskodex. Nach Angaben von Lobbypedia sind dort im Herbst 2016 erstmals über 10.000 Lobby-Akteure registriert. Transparency Deutschland rechnet in der EU mit insgesamt rund 30.000 Lobbyisten – registrierten und nicht registrierten. Ziel der Lobby-Kritiker ist es, die Registrierung von Lobbyisten verpflichtend zu machen.

Die Bürgerinnen und Bürger haben oft das Gefühl, in wichtigen politischen Entscheidungsprozessen außen vorzustehen und sie deshalb nicht zu verstehen. Die Folgen, die sich daraus für demokratische Mitbestimmung und Partizipation entwickeln können, sind unter anderem in einer sich vertiefenden „Die da oben“ und „Wir hier unten“-Auffassung in weiten Teilen der Bevölkerung sichtbar.

Die Kernforderung von Lobby-Kritikern lautet daher Transparenz und Aufklärung zu Fragen wie: 

  • Wie heißen die Unternehmen, Vereine, Akteure, die auf Politik und Öffentlichkeit Einfluss nehmen und in welcher Weise?
  • Wann und wo finden diese Einflussnahme in politischen Entscheidungsprozessen statt?
  • Welche Netzwerke gibt es und wer ist Bestandteil?
  • Welche Interessen werden von wem und für wen vertreten?

In den Medien können Bürgerinnen und Bürger sich informieren, auf Plattformen wie Lobbypedia selbst über Lobby-Netzwerke aufklären und damit dazu beitragen, dass Lobbyismus ein demokratisches Element unserer Gesellschaft bleibt.

Lesetipp

Brandenburger Lobbyregister

Lobbyismus kann in einem Lobbyregister nachvollziehbar und öffentlich gemacht werden. Vier Bundesländer haben schon Lobbyregister eingeführt. In Brandenburg und Rheinland-Pfalz, deren Regelungen sich stark ähneln, werden Interessenvertreter/-innen gegenüber dem Landtag und der Landesregierung verpflichtend eingetragen und veröffentlicht. In Thüringen muss dokumentiert werden, wer sich schriftlich an einem Gesetzgebungsverfahren beteiligt hat.

Sachsen-Anhalt führt zwar ein Register, doch die Geschäfts- ordnung des dortigen Landtags sieht vor, dass eine Organisation sich nur dann eintragen muss, wenn sie vor dem Landtag oder den Ausschüssen angehört werden will.
Im Brandenburger Lobbyregister sind aktuell 362 Verbände aufgeführt, darunter der Allgemeine Deutsche Fahrradclub, der Bauernbund, der Bund der Steuerzahler, die Gewerkschaft ver.di und die Caritas.

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 BLPB, Dezember 2017 (zuletzt bearbeitet: Juli 2022)

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