Selbst aktiv werden, statt zu warten, bis andere etwas tun – wer macht so etwas? Die Journalistin Kristina v. Klot reist in verschiedene Regionen Brandenburgs und fragt Menschen, die sich ehrenamtlich für ein demokratisches Miteinander engagieren, was sie konkret bewegen und verändern. Zweite Station ist Perleberg in der Prignitz. Hier versammelt David Dreker Dutzende Freiwillige, um einen Tag lang gemeinsam Stadtmöbel zu bauen – und das Band zwischen Bürgerinnen und Bürgern ihrer Stadt zu stärken.
David Dreker: „Manchmal muss man einfach kreativ sein“
Die zweite Station der Reise durch Brandenburg führt nach Perleberg in die Prignitz. Mitten im Lockdown zog es David Dreker hierher. Der studierte Volkswirt, der von der Mecklenburgischen Seenplatte stammt, hatte jahrelang vom Homeoffice aus Software vertrieben und sehnte sich nach einer sinnstiftenden, nachhaltigen Tätigkeit. Im ersten Schritt kaufte er ein altes baufälliges Stadthaus mitten in der Fußgängerzone, das er mithilfe seines Vaters zwei Jahre lang eigenhändig renovierte.
Dann kam die Anfrage der Perleberger Verwaltung, ob diese im Erdgeschoss seines Hauses das StadtLabor einrichten könne: eine Agentur, die im Rahmen des Bundesprogramms „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ geschaffen wurde, um mit Hilfe von Bürgerinnen und Bürgern die Perleberger Innenstadt attraktiver zu gestalten. Dreker, der dort erst vertretungsweise aushalf, arbeitet heute hauptberuflich als „Schnittstelle zwischen Verwaltung und Bürgerschaft“.
Die Idee für den gemeinschaftlichen Möbelbau entwickelte er ehrenamtlich – gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern und im Rahmen des „Wir machen Prignitz“-Projekts. Bis heute verbringt er auch viele unbezahlte Stunden in der Woche damit, die Stadt mit Holz-Beeten und –Bänken zu verschönern. Sein Credo: „Manchmal muss man einfach kreativ sein!“
„Wir wollen machen, statt meckern“
Neulich erschien eine Besucherin im Stadtlabor, die sich über ein vernachlässigtes Beet in der Innenstadt beschwerte. „Erst kam sie so motzig rüber, dass ich gar keine Lust hatte, weiterzureden“, erinnert sich David Dreker. „Doch dann fiel der Satz: `Ich würde mich da gerne engagieren´, worauf ich nur sagen konnte: `Das ist ja toll!´“
Inzwischen hat die Perlebergerin das Beet neu bepflanzt und kümmert sich mit großer Hingabe darum.
Der Vorteil mobiler Stadt-Möbel: Was nicht gefällt, stellt man woanders auf
„Alle sind hoch motiviert, weil du an einem Tag viel schaffst und die Ergebnisse sofort im Stadtbild siehst.“
Überraschende Begegnungen wie diese bestärken den 35-Jährigen in seinem Engagement. Alles begann damit, dass eine andere Bürgerin mit dem Wunsch, einen großen Platz im Stadtzentrum umzugestalten, auf Dreker zuging und auf offene Ohren stieß. Seit er im mittelalterlichen Perleberg lebt, das geprägt ist von kleinen Wohnungen ohne Balkon, habe er begriffen: Hier müssen Straßen und Plätze auch als Gartenersatz herhalten, „also sollten sie auch schön sein!“
Begonnen habe man mit einer Sitztreppe für den Schuhmarkt. Das kam gut an, besonders bei den Freiwilligen. „Alle sind hoch motiviert, weil du an einem Tag viel schaffst und die Ergebnisse sofort im Stadtbild siehst.“ Hinzukommt: Da sich die Möbel leicht verschieben lassen, sei keine behördliche Erlaubnis nötig. „Was nicht gefällt, wird einfach woanders aufgestellt.“ Klar, es gebe immer auch Leute, die etwas auszusetzen haben, so Dreker. Ob es um das „hochemotionale Thema Parkplatz“ geht oder die Angst vor lärmenden Jugendlichen. Und was erwidert er dann? „Machen statt meckern! Kommen Sie zu einem Bau-Termin und wir schauen, was man verbessern kann.“
Ein Gewinn: Mehr Bänke und Beete, die zudem nachhaltig sind
„Es macht stolz, durch die Straßen zu laufen und zu sehen: Es gab ein Problem, und ich konnte Teil einer Lösung sein.“
Zum Glück habe Dreker das Bauamt überzeugen können, das jährliche 5000-Euro-Budget aus dem Bundesprogramm für Stadtmöbel anders, effektiver zu nutzen, erzählt er. Sein Argument: Weil Fertig-Mobiliar teuer ist, sollte man das Geld lieber ins Material und das Bau-Event stecken. Der Gewinn: mehr Bänke und Beete, die zudem nachhaltig sind.
„Unser Projekt schlägt drei Fliegen mit einer Klappe: Es spart Kosten, bringt Menschen zusammen und sorgt für mehr Schatten und Grün.“ Davon profitierten auch die Pflanzen-Patinnen und Paten, die in der Nähe der Pflanz-Bänke wohnen oder arbeiten. „Es macht stolz, durch die Stadt zu laufen und zu sehen: Es gab ein Problem, und ich konnte Teil einer Lösung sein.“
„Ein wichtiger Effekt ist, dass man sehen kann: So träge, wie viele meinen, ist die Verwaltung gar nicht!“
Und: Alle Freiwilligen schätzten es, sich ohne bürokratischen Aufwand kurzfristig einbringen zu können. „Viele kommen, um beim Sägen und Schrauben mitzuhelfen, aber das reicht ihnen fürs nächste halbe Jahr. Und das ist auch ok so.“ Zudem sorge das Projekt für ein größeres Vertrauen in Institutionen und die Selbstwirksamkeit, lautet Drekers Erfahrung. In Perleberg bekam seine Initiative „superschnell“ eine Zusage vom Amt. „Ein wichtiger Effekt ist, dass man sehen kann: So träge, wie viele annehmen, ist die Verwaltung gar nicht!“
„Wer schon mal einen Akkuschrauber in der Hand hatte, kriegt das hin“
Erfolge beim Bauen werden mit Pizza gefeiert
Zweimal im Jahr lädt er in Perleberg öffentlich dazu ein, gemeinsam Hochbeete, Bänke oder eine Büchertauschbox zu bauen. Je nach Geschick könne man pro Termin drei bis vier Module fertigstellen. Die Basis bilden Baupläne, die im Netz frei zugänglich sind, für eine einfache Konstruktion aus Europaletten. „Wer schon mal einen Akkuschrauber in der Hand hatte, kriegt das hin“, betont Dreker. Er sorgt für den Auf- und Abbau sowie für Getränke, Kuchen und Pizza. „Mir ist wichtig, unsere Erfolge zusammen zu feiern, und nachher gemeinsam zu essen und zu reden.“
Sie sind in der Stadt oder Region und haben Lust, sich zu engagieren, haben weitere Ideen und Anregungen? Dann kommen Sie doch im Stadtlabor vorbei oder schreiben Sie David Dreker eine Nachricht an stadtlabor@stadt-perleberg.de
Checkliste fürs gemeinsame Bauen
So gelingt ein Workshop für Stadtmöbel – Marke Eigenbau. Tipps von David Dreker
- Nutzen Sie Flyer, Social Media und Mundpropaganda, um Freunde und Bekannte aus allen Stadtteilen für die Idee zu begeistern und laden Sie sie ein, mitzumachen. Die Botschaft: Jeder Beitrag zählt – egal, ob Material, Werkzeug oder handwerkliches Know-how.
- Legen Sie gemeinsam fest, wer welche Aufgabe übernimmt – und definieren Sie im Team realistische Ziele: Wer kann Material und Werkzeug beschaffen? Wer organisiert den Auf- und Abbau? Und wer sorgt für Essen und Getränke?
- Suchen Sie nach einem zentralen Ort in Ihrer Stadt oder Kommune: Schulhof, Park, Gemeinschaftsraum oder Werkstatt – Hauptsache, alle können ohne viel Aufwand dort hinkommen. Ideal ist ein Platz zum werkeln können, ohne andere zu stören.
- Informieren Sie sich über Fördermöglichkeiten in deiner Kommune: Wenden Sie sich an das kommunale Bau- oder Kulturamt, an das Stadtplanungs- bzw. Städtische Förderbüro/ die Förderbank um Budgets für Stadtentwicklung zu recherchieren.
Wichtig: Um die Möbel öffentlich aufstellen zu können, sollte man die Stadt-Verwaltung von Anfang an mit an Bord holen.
Mögliche Ansprechpartner:
- Abgeordnete des Stadtparlaments oder
- der Bürgermeister/die Bürgermeisterin
- Bauamt
- Amt für Stadtentwicklung
- Ordnungsamt
- Bleiben Sie positiv und offen: Hören Sie zu, integrieren Sie die Ideen der anderen – so kann Ihr gemeinsames Bauprojekt nach und nach wachsen!
Ehrenamtliche zeigen, dass es sich lohnt, selbst aktiv zu werden. Man überlistet eigene Vorurteile, lässt Ignoranz und Unzufriedenheit hinter sich und erlebt, wie man gemeinsam mit anderen viel bewirken kann. In der Blog-Reihe „Es bewegt sich was in Brandenburg“ stellt die Journalistin Kristina v. Klot einige dieser engagierten Menschen vor.
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