Franziska Heinisch über die Rettung unserer Zukunft

Das Klima retten, soziale Gerechtigkeit schaffen, der Demokratie neues Leben einhauchen und die digitale Welt gestalten bevor es zu spät ist – das sind nur vier von insgesamt zehn Punkten, die Franziska Heinisch und ihre Mitautorinnen und -autoren in ihrem Buch "Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen" für die Rettung unserer Zukunft formulieren.

Links Sabine Schmidt-Peter, Referentin in der Landeszentrale; rechts Franziska Heinisch, Co-Autorin des Buches "Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen"

Im Webtalk am 06. Oktober 2020 hat unsere Referentin Sabine Schmidt-Peter (links) mit Franziska Heinisch (rechts) über ihr Buch "Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen" gesprochen.

 „Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen“ – was ist das für ein Buch?

Ihr habt keinen Plan“ ist eine Mischung aus Anklage, Hilferuf, aber vor allem auch eine Anleitung für einen Weg in eine bessere Zukunft.

Sie beginnen mit dem Satz: „Liebe Generation ‚not gonna happen‘, mit diesem Buch klagen wir euch an.“ Wer ist diese Generation?

Es wurde vielfach so verstanden, als hätten wir damit die Generationen unserer Eltern und Großeltern angeklagt. Die Generation „not gonna happen“ ist aber mehr eine Symptombeschreibung als tatsächlich eine Altersbeschreibung, auch wenn es da Überschneidungen gibt zwischen diesem Symptom und bestimmten Altersgruppen.

Franziska Heinisch

Franziska Heinisch ist 20 Jahre alt und studiert Jura in Heidelberg. Als Mitglied des Jugendrates der Generationen Stiftung hat sie gemeinsam mit sieben anderen jungen Autorinnen und Autoren das Buch "Ihr habt keinen Plan, darum machen wir einen" geschrieben und darin zehn Bedingungen für die Rettung unserer Zukunft formuliert.

Was meinen Sie damit?

Dieses Symptom „not gonna happen“ ist etwas, das uns in unserem politischen Alltag, in unserem Aktivismus häufig begegnet. Wenn zum Beispiel junge Menschen Lösungen, Antworten und Umbrüche fordern, dann wird ihnen entgegnet, dass das doch alles unrealistisch sei und wenn wir wüssten, wie die Welt läuft und ein bisschen Lebenserfahrung mitbringen würden, dann würden wir auch verstehen, dass die Welt so nicht funktioniert. Das sagen einem auch Menschen, die gleichzeitig auch sagen: „Ich stehe auf eurer Seite. Ich bin auch dafür, dass wir die Klimakrise angehen, dass wir uns demokratisch engagieren, dass wir soziale Gerechtigkeit schaffen.“ Aber da ist so ein Zynismus, so ein Hauch von Aufgeben oder auch aufgegeben haben und dann heißt es: „Ihr wollt Pläne vorlegen, ihr wollt was verändern, aber it is not gonna happen –  es wird nicht passieren.“

Im Buchprozess ist uns das öfter begegnet. Wir finden, dass es ein Symptom ist, das unglaublich lähmt und, dass es Ausdruck einer politischen Kultur ist, von der wir uns verabschieden müssen. Daher ist unser Buch eine Einladung an alle, in sich zu horchen, ob sie diese Haltung von „it is not gonna happen“ auch manchmal mitbringen.

Beim Lesen entsteht der Eindruck, dass Sie und Ihre Co-Autorinnen und Autoren sehr wütend sind. Stimmt das?  

Natürlich, weil wir Teil einer Generation sind, die ganz massiv von den Krisen betroffen ist, die wir gerade nicht lösen. Wenn wir wissen, dass wir mit der Klimakrise auf ein katastrophales Ausmaß an vielfältigen Krisen zusteuern und alle sagen, sie wollen handeln, aber niemand handelt, dann macht das erstens Angst und zweitens wütend. Und zwar vor allem wenn man bedenkt, dass ich und Teile meiner Generation von dieser Krise noch ganz schön viel mitbekommen werden.

Sie fordern Möglichkeiten ein, damit junge Menschen demokratische Erfahrungen sammeln können. Warum?   

Wir haben gerade ein Demokratieverständnis, wo junge Menschen ganz lange nicht erfahren, dass ihre Stimme einen Wert hat, weil sie zum Beispiel im Bildungssystem so gut wie gar nicht mitentscheiden dürfen. Plötzlich mit 18 Jahren soll man dann politische Entscheidungen treffen und in der Lage sein, abzuwägen, was für die Gemeinschaft am besten ist. Im Zuge der Wahlrechtsdebatte kommt sehr häufig der Einwand, man könne das Wahlalter nicht herabsetzen, weil junge Menschen noch nicht begreifen, dass ihre Stimme einen Wert hat. Empirisch stimmt das nicht nur einfach nicht, sondern ist, in dem Moment, wo es zutrifft, natürlich eine Folge davon, dass junge Menschen diese Erfahrung nicht machen können. Wir müssen daher jungen Menschen viel früher eine Stimme einräumen und das, was sie sagen, und ihre Vorschläge ernst nehmen, damit sie lernen, was sie mit ihrer Stimme anfangen können.

Blick in den Himmel mit Bäumen. Darauf der Text "Brandenburg - Im Rampenlicht"
© BLPB
Einmischen und mitgestalten!

Auf der Bühne, dem Fußballplatz oder bei der Feuerwehr – überall in Brandenburg engagieren sich junge Menschen, machen sich stark für unsere Gesellschaft. Wir stellen einige von ihnen vor.

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Und von Unternehmen verlangen Sie Demokratisierung...

Genau, in den Unternehmen wollen wir wiederum von dem vorherrschenden Profitgedanken wegkommen und demokratische Entscheidungen ermöglichen. Diejenigen, die im Unternehmen arbeiten, sollten auch entscheiden, wie dieses Unternehmen handelt. Im Zweifelsfall würden sie das zugunsten zukunftsfähiger Arbeitsplätze machen und nicht zugunsten des Profits, weil sie vom Profit überhaupt nichts haben. Ich glaube, in dem Moment, wo wir Menschen Verantwortung und die Macht, ihr eigenes Lebensumfeld zu gestalten, geben, passieren erstaunlich produktive und fortschrittliche Dinge.

Sie fordern Bildung für alle und eine Revolution unseres Bildungssystems. Was sind Ihre Hauptkritikpunkte und was wollen Sie verändern?

Ein Hauptkritikpunkt ist, dass wir auf der einen Seite sagen, dass wir eine Gesellschaft wollen, in der man zusammenarbeitet, wo man aufeinander achtet, füreinander sorgt. Auf der anderen Seite schaffen wir aber ein Bildungssystem, in dem es darum geht, die Ellenbogen auszufahren, die eigene Leistungsfähigkeit zu beweisen und für sich die maximalen Erfolge einzufahren. Nicht um danach ein gutes Handwerkszeug zu haben, um mit den Herausforderungen der Gegenwart und Zukunft umgehen zu können, sondern vor allem, um danach einen Job zu haben, der möglichst viel Geld einbringt. Das halten wir nicht für zukunftsfähig. So entsteht kein gemeinsames Arbeiten, sondern stattdessen gehen alle ihren eigenen Weg und finden nicht mehr zusammen. Das können wir verhindern, indem wir unter anderem das Gymnasium abschaffen und darauf setzen, dass Menschen lange gemeinsam lernen und lange gemeinschaftliche Erfahrungen machen. So verhindern wir auch, dass soziale Räume entstehen, in denen es keine Begegnungen mehr zwischen Menschen unterschiedlicher sozialer Herkunft gibt.

Ein weiterer Kritikpunkt ist die Bildungsunterfinanzierung. Die Umstrukturierung eines Bildungssystems funktioniert natürlich nicht in einem Bildungssystem, das schon jetzt hoffnungslos unterfinanziert ist.

Wie waren die Reaktionen auf Ihr Buch? Würden Sie sagen, dass man Ihrer Einladung gefolgt ist und Ihren Hilferuf gehört hat?

Ja, ganz viele Menschen haben das. Menschen haben dieses Buch zum Beispiel an Politiker*innen geschickt und gesagt: „Sie sollten das mal lesen, das ist der Plan, den ich mir eigentlich von Ihnen wünsche.“ Uns haben aber auch Menschen geschrieben, dass sie sich eigentlich geschworen hatten, sich nie wieder für eine Sache einzusetzen, weil sie Angst hatten, noch mal enttäuscht zu werden, noch mal zu scheitern und nun haben sie doch wieder angefangen, weil sie gesagt haben: „Wenn jetzt wieder Leute da sind, die für eine bessere Welt kämpfen, dann möchte ich dabei sein.“ Und auch medial wurde das Buch ganz gut diskutiert.

Dort, wo die Einladung meiner Meinung nach nicht angenommen wurde, das ist die Politik und das sind die Entscheidungsträger*innen, die wir eben angeklagt haben. Von den 100 Maßnahmen, die wir vorschlagen, ist bislang exakt keine umgesetzt worden. Politiker*innen sind auch anfangs nicht auf unsere Gesprächseinladungen eingegangen. Inzwischen haben Gespräche zugenommen. Was wir dann aber erleben, ist vor allem Dingen dieses Symptom des „not gonna happen“. Dass also Menschen, die eigentlich keine wirklichen Gegenargumente zu den von uns geforderten Maßnahmen haben, sagen: „So funktioniert Politik nicht.“

Wie tragen Sie eigentlich selbst dazu bei, Ihren Plan umzusetzen?

In verschiedener Hinsicht: Ich esse beispielsweise kein Fleisch, ich kaufe nur Secondhand-Kleidung, ich fliege nicht, ich fahre sehr, sehr selten Auto. Allerdings reicht das allein nicht. Für mich geht es bei dieser Frage weniger um Konsum oder Ähnliches, sondern für mich ist viel entscheidender, dass sich Menschen politisieren, politisch aktiv sind und auf einer größeren Ebene Veränderungen bewirken. Was tue ich dafür: Ich bin Teil von den großen Klimastreiks und versuche dabei im Kleinen und im Großen politisch zu unterstützen. Generell versuche ich da zu sein, wenn Menschen gebraucht werden, also zum Bespiel, wenn es darum geht, rechten Demonstrant*innen, die auf die Straße gehen und ihre Form von Gesellschaft propagieren wollen, entgegenzutreten; aber eben auch, um die Evakuierung der Lager auf den griechischen Inseln zu fordern.

Bei der Generationen Stiftung habe ich im vergangenen Jahr gemeinsam mit anderen den Plan zur Rettung unserer Zukunft erstellt. Außerdem habe ich dort Kampagnen umgesetzt. Gemeinsam haben wir versucht, Menschen zu organisieren und dazu zu bekommen, dass sie politisch aktiv werden.

Welche Schritte planen Sie als Nächstes?

Wir müssen weiter darüber nachdenken, welche Werkzeuge es braucht, um politische Veränderungen zu schaffen. Und wir müssen weiter Menschen zusammenzubringen, Menschen organisieren, aber auch Aktivist*innen solidarisch zusammenbringen und gesellschaftliche Räume schaffen. Wir müssen weiter Politik außerhalb des Parlaments in unterschiedlichster Form machen. Wie das dann konkret aussieht, das kann ich noch gar nicht so konkret beantworten, das ist ein ständiges Suchen.

Anm. d. Red.: Der Webtalk wurde für die schriftliche Form redaktionell bearbeitet und gekürzt.

BLPB, Dezember 2020

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