In der Geschichte vom Thesenanschlag Luthers an der Tür der Wittenberger Schlosskirche 1517 hat der Beginn der Reformation sein dauerhaftes Symbol gefunden. Ohne Sinnbild blieb dagegen die ungeheure Sprengkraft von Luthers Schrift „Von der Freiheit eines Christenmenschen“, mit der er 1520 öffentlich auf den gegen ihn gerichteten päpstlichen Bann reagierte. Die 30 Thesen reformatorischer Glaubensinhalte elektrisierten Luthers Zeitgenossen und machten das Buch zum meistgedruckten Werk des 16. Jahrhunderts.
Ausgehend von dieser Schrift Luthers fragt die Ausstellung nach der Sprengkraft der reformatorischen Glaubensinhalte in der Zeit des Umbruchs am Beginn der Neuzeit und begreift dabei Freiheit als Dreh- und Angelpunkt der Reformation: Freiheit vom Papst, politische Autonomie, Rebellion und Widerstand sowie Freiheit als Grundrecht.
Luther ging es um die Befreiung der Theologie aus dem Elfenbeinturm der Wissenschaft und aus der Festung, in die sie die institutionelle Kirche gegen den Zugriff der Laien verschanzt hatte. Nicht mehr dem Papst stand die Entscheidung über die Wahrheit der Lehre zu, sondern mit dem Protestantismus traten unterschiedliche theologische Deutungsangebote und Wahrheitsansprüche in Konkurrenz miteinander und ließen eine neue öffentliche Streitkultur entstehen. Luther erhob die Bibel zur Alleinautorität über das Gewissen eines jeden Christen und begrenzte dadurch die Macht kirchlicher wie weltlicher Obrigkeiten. Reformatorische Freiheit wurde seinen Zeitgenossen zum Motor für Aufbruch, Rebellion und Veränderung, aber vielen, die sich in ihrem Kampf um Gerechtigkeit und politische Freiheitsrechte vom Reformator vergeblich Unterstützung erhofften, auch zum Verhängnis. Denn Luthers Freiheitsverständnis war ambivalent: Es ging ihm um religiöse, nicht um politische Freiheit. Seine Forderung nach eigenverantwortlichem Denken und Handeln und seine Idee vom individuellen, unvermittelten Glauben waren zwar revolutionär, blieben aber ganz an seine Zeit gebunden, die von den Vernunftidealen der späteren Aufklärung weit entfernt war.
Kurfürstentum Brandenburg und Herzogtum Preußen
Die Ausstellung nimmt zwei Territorien in den Blick, die zu ganz unterschiedlichen europäischen Großmächten und Reformationslandschaften gehörten: Einerseits das Kurfürstentum Brandenburg, das eines der wichtigsten Territorien des Heiligen Römischen Reichs Deutscher Nation war, andererseits das Herzogtum Preußen, das 1525 zum ersten evangelischen Staat in Europa wurde. Das Herzogtum war Teil des Königreiches Polen, welches 1569 mit dem Großfürstentum Litauen zum polnisch-litauischen Großreich vereint wurde, und in dem Angehörige vieler Völker und ganz verschiedener christlicher Konfessionen zusammen lebten. Zeitlich reicht der europäische Vergleich vom Beginn der Reformation bis zur dynastischen Vereinigung der beiden Territorien 1618.
Was bedeutete den Menschen im Herzogtum Preußen und in der Mark Brandenburg die reformatorische Freiheit, und wie veränderte sie ihr Leben? Kennzeichnend für das 16. Jahrhundert ist die Vielfalt der Antworten auf diese Fragen. Die Ausstellung zeigt, wie und wozu sich Menschen aus unterschiedlichen Gesellschaftsschichten herausgefordert und ermutigt sahen.
Begleitprogramm
Ein umfangreiches Veranstaltungs- und Vermittlungsprogramm begleitet die Ausstellung. Jeden Samstag um 15:00 Uhr finden öffentliche Führungen mit unseren Ausstellungsguides statt. Darüber hinaus bietet auch die wissenschaftliche Kuratorin Dr. Ruth Slenczka Überblicks- und Themenführungen sowie eine Familienführung an.
Tipp: 6.12.2017, 18 Uhr: Reformation. Die 95 wichtigsten Fragen
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