Drei Gutachten zur Extremismusklausel

Initiativen gegen Rechtsextremismus und Rassismus, die finanzielle Mittel aus dem Bundesprogramm „Toleranz fördern  Kompetenz stärken“ erhalten wollen, müssen seit einigen Monaten die folgende Erklärung für Demokratie (PDF, 1 S.) unterzeichnen:

„Hiermit bestätigen wir, dass wir

- uns zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland bekennen und

- eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit gewährleisten.

Als Träger der geförderten Maßnahmen haben wir zudem im Rahmen unserer Möglichkeiten und auf eigene Verantwortung dafür Sorge zu tragen, dass die als Partner ausgewählten Organisationen, Referenten etc. sich ebenfalls den Zielen des Grundgesetzes verpflichten. Uns ist bewusst, dass keinesfalls der Anschein erweckt werden darf, dass eine Unterstützung extremistischer Strukturen durch die Gewährung materieller oder immaterieller Leistungen Vorschub geleistet wird.“


In einer Erläuterung (PDF, 4 S.) begründet das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Gesundheit die Klausel wie folgt:

„Es geht bei der Demokratieerklärung darum, zu verhindern, dass extremistische Organisationen von der Bundesregierung finanziell unterstützt werden oder ihnen unwillentlich eine Plattform geboten wird und sie so ihre extremistischen Weltanschauungen mit staatlicher Hilfe verbreiten können. Dafür bedarf es einer hohen Sensibilisierung der Träger, die u.a. über die Zeichnung der Erklärung erreicht werden soll.“

Die Demokratieerklärung ist heftig umstritten und wird von vielen Initiativen gegen Rechtsextremismus kritisch gesehen. Mittlerweile liegen drei juristische Gutachten vor, in denen die Frage der Rechtmäßigkeit der Klausel geprüft wird:

Das erste Gutachten wurde bereits im November letzten Jahres von Prof. Ulrich Battis (Humboldt-Uni) erstellt (PDF, 24 S.). Auftraggeber waren u. a. der Verein für Demokratische Kultur in Berlin und die Opferperspektive Brandenburg e.V. Battis kommt zu einem geteilten Ergebnis:

Gegen den ersten Satz der Erklärung hat er keine rechtlichen Bedenken. Es sei legitim und angemessen, dass nur Träger gefördert werden, die für „Demokratie im Sinne des Grundgesetzes“ (S. 2) eintreten.

Den zweiten und den dritten Satz hält Battis dagegen für problematisch. Beide Sätze seien unklar formuliert und genügten nicht dem Gebot der Verhältnismäßigkeit. Es sei unangemessen, „mit Hilfe unpräziser Begriffe“ den Projektträgern „das Erfordernis der gegenseitigen dauernden Kontrolle und Überprüfung aufzuerlegen“. Folge wäre ein „Klima des Misstrauens“, das sogar die Ziele des Bundesprogramms gefährden könne (S. 23f):

„Das wäre der Förderung von Demokratie, gerade in Bereichen, in denen zivilgesellschaftliche Strukturen oftmals in keinem großen Umfang vorhanden sind, nicht dienlich. Bei den potentiellen Letztempfängern handelt es sich um Gruppen und Initiativen, die in den letzten Jahren zu einem wesentlichen zivilgesellschaftlichen Fundament gegen Neonazismus und die Stärkung der Demokratie geworden sind.“

Der zweite und dritte Satz verstoßen nach Auffassung von Battis gegen Artikel 3 Absatz 1 des Grundgesetzes (Gleichheitsgrundsatz). Das Gutachten enthält die Empfehlung, auf diese beiden Sätze zu verzichten und die Bestätigungserklärung auf den ersten Satz zu beschränken.

Das zweite Gutachten wurde im Januar  von den Wissenschaftlichen Diensten des Bundestags erstellt. Verfasser der 21-seitigen Ausarbeitung (PDF) ist Regierungsdirektor Harald Georgii.

Georgii problematisiert u. a. die Verpflichtung der Zuwendungsempfänger, ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz abzulegen (s. insbesondere S. 12f). Ein solches Bekenntnis gebe es auf Bundesebene nur im Beamtengesetz und im Einbürgerungsrecht. In beiden Fälle gehe es um „eine auf Dauer angelegte, sehr enge Rechtsstellung“. Ein „Zuwendungsverhältnis im Rahmen einer Projektförderung“ sei dagegen nur „von vorübergehender Natur“. Mithin bestünden Zweifel an der Verhältnismäßigkeit dieser Verfahrensweise. Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit werde tangiert. „Der erste Spiegelstrich der Erklärung dürfte verfassungsrechtlich fragwürdig sein.“

Hingegen hat Georgii keine Bedenken dagegen, die Projekträger auf „eine den Zielen des Grundgesetzes förderliche Arbeit“ (zweiter Spiegelstrich) zu verpflichten. Dies ergebe sich schon aus der Zweckbestimmung der vorgesehenen Haushaltmittel. „Zu deren Erreichung darf der Staat Auflagen machen. Das Haushaltsrecht gebietet dies sogar“ (S.20).

Weite Teile des Erklärungstextes verstoßen nach Auffassung Georgiis wegen unklarer Formulierungen gegen das Bestimmtheitsgebot. Zudem sieht auch er die Gefahr, dass unter den Beteiligten „ein Klima des Misstrauens“ entstehen könnte, „das geeignet wäre, die Zweckbestimmung des Programms zu konterkarieren“ (S. 20f).

Das dritte Gutachten wurde im Februar von Prof. Fritz Ossenbühl (Uni Bonn) im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Gesundheit verfasst. Im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Texten bezieht sich dieses Gutachten (PDF, 34 S.) auf einen konkreten Sachverhalt. Da es auf die Details hier nicht ankommt, beschränke ich mich auf einige grundsätzliche Argumente des Autors.

Ossenbühl hält die im Battis-Gutachten vertretene Auffassung für „schlechthin abwegig“ (S. 21), die Einverständniserklärung stelle einen Verstoß gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Absatz 1) dar.

„Wenn die Leitlinien für die Vergabe von Zuwendungen ein Bewilligungserfordernis aufstellen, dann ist dieses Erfordernis von allen Subventionsempfängern in gleicher Weise zu verlangen. Eine Ungleichbehandlung liegt nur dann vor, wenn im Einzelfall oder in einer Gruppe von Fällen von diesem Erfordernis abgewichen und Einzelne damit privilegiert oder diskriminiert werden (S. 20).“

Das Grundrecht der Meinungsfreiheit wird nach Auffassung des Gutachters nicht berührt. „Es steht jeder Organisation frei, auf eine staatliche Zuwendung zu verzichten. Daran kann der Staat sie nicht hindern“ (S. 23).

„Eine Organisation, die sich nicht dafür verbürgt, die Werte und Ziele des Grundgesetzes mit den gewährten Mitteln zu verwirklichen, scheidet selbstverständlich als Letztempfänger aus. Es wäre absurd, wenn eine solche Organisation sich unter Berufung auf die Meinungsfreiheit gem. Art. 5 Abs. 1 GG am staatlichen Förderprogramm beteiligen könnte, um dann mit den staatlichen Zuwendungen das staatliche Förderprogramm zu konterkarieren“ (S. 23).

Ossenbühl gibt zu, dass mehrere Formulierungen der Erklärung „nicht ganz glücklich gewählt sind“ (S. 25) und regt sogar eine partielle Neuformulierung der Klausel an (S. 27). Verstöße gegen das Bestimmtheitsgebot sieht er allerdings nicht. Die Einverständniserklärung sei „interpretationsbedürftig“, aber nicht rechtswidrig (S. 27).

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