Hitler im Landtag - kommentiert

Im Brandenburgischen Landtag wird eine Ausstellung mit Arbeiten von Lutz Friedel gezeigt. Hitler hängt dort, Stalin auch, aber das ist nicht der Aufreger. Hitler ist es. Und deshalb soll kommentiert werden, aber warum eigentlich?

Der Maler und Bildhauer Lutz Friedel hat sich mit Geschichte beschäftigt, nicht als Wissenschaftler, sondern als Künstler. Er hat Porträts von historischen Personen geschaffen. Konkrete Kunst kann missverstanden werden, weshalb die abstrakte beliebter ist. Einige Abgeordnete sind sogar der Meinung, dass Friedels Kunst erklärt werden muss, möglichst gründlich und so eindeutig, dass niemand mehr etwas missverstehen kann. Das haben CDU-Abgeordnete durchgesetzt, wenn man Presseberichten glauben schenken will.

Man muss sich nicht an die DDR erinnert fühlen, wo parteiliche Kunsterzieher eigenständiges Denken verhindern wollten. Wer durch Berlin geht, findet abstoßende Beispiele zu Hauf. Oft sind es kleine Messingschilder aus den 1990ern, auf denen penetrant erläutert wird, dass es mal eine DDR gab und dass das Staatskunst war. Nun ja. Viele Menschen wissen das. Wer zu jung ist, keinen guten Unterricht genoss, aber sich dafür interessiert, wählt auf dem Smartphone die Wikipedia an. In Berlin war man damals zu mutlos, den Krempel abzuräumen und in einen Museumspark nach Budapester Muster zu verbannen.

Die Zeugnisse nationalsozialistischen Bauens finden sich auch in Brandenburg. Auch deshalb freue ich mich, dass Hitler als verfremdetes Porträt im Landtag hängt. Er gehört zur Geschichte des Landes, nicht nur wegen der Architektur oder wegen des Tags von Potsdam 1933, bei dem Hitler mit der Absage an die Monarchie den endgültigen Bruch mit der Geschichte Brandenburg-Preußens vollzog. Hitler formte das Land nachhaltig durch den von ihm angeordneten Bau des Konzentrationslagers Sachsenhausen, wo in seinem Sinn gemordet und gequält wurde. Auch ein Stalinporträt hängt in der Ausstellung im Landtag, vielleicht deshalb, weil die Besatzungsmacht Sachsenhausen weiterbetrieb. Wird das in der Erklärbroschüre stehen? Oder geht es nur um Hitler? Mit der Absage an den mündigen Bürger, der Kunst als Kunst nimmt, sie selbst betrachten, entschlüsseln und verstehen will, haben sich die Abgeordneten keinen Gefallen getan. Wer wird die Richtlinien für die Erläuterungen vorgeben? Werden die Abgeordneten sie beschließen? Mit Mehrheit? Im Konsens?

Der Blick in die Landesverfassung offenbart in Artikel 34 ein eindeutiges Bekenntnis: „Die Kunst ist frei.“ Daran will auch niemand rütteln, Friedels Werke werden nicht abgeräumt. Soweit so gut. Die Verfassung besagt weiter, „Sie bedarf der öffentlichen Förderung“. Davon, dass sie bevormundender Kunsterzieher bedürfte, steht dort nichts.

Henrik Eberle
(Jg. 1970) schreibt in loser Folge über historische Ereignisse. Der Autor ist Historiker und arbeitet als Journalist. Seine Schwerpunkte sind die beiden deutschen Diktaturen und die extremistischen Parteien der Gegenwart. 

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Kommentare

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Danke für die wahren und klaren Worte Herr Eberle. als Künstlerin habe ich gerade mit öffentlichen Einrichtungen die Erfahrung gemacht, dass Kunst von ahnungsfreien Politikern bevormundet wird und in ein politisches Korsett gepresst werden soll.

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