„Warum macht Ihr was zu Frauen?“, fragte neulich ein Ü70-Besucher. Er fand unsere Ausstellung vollkommen überflüssig. Die Frauen hätten schon so viele Rechte, dass die Gleichberechtigung des Mannes dahin sei.
„Warum macht Ihr was zu Frauen?“, fragte neulich ein Ü70-Besucher. Er fand unsere Ausstellung „Frauen, hört die Signale!“ vollkommen überflüssig. Die Frauen hätten schon so viele Rechte, dass die Gleichberechtigung des Mannes dahin sei.
„Gucken Sie Fußball“, fragte ich? Na klar, sieht er Fußball. „Aha, dann haben Sie vielleicht auch Claudia Neumann gesehen?“ Nein, hatte er nicht. Gut, aber ich hatte und danach die Kommentare auf Facebook. Zusammengefasst stand da: „Frau und Fußball? Geh mal Bier hol’n …“
Was war passiert? Erstmals hatte eine Frau im deutschen Fernsehen live ein Fußball-Männerturnier kommentiert. LIVE!! Und das 2016 zur EM in Frankreich, also im Hier und Jetzt und nicht irgendwo in Mittelerde. Die Facebook-Poser waren ausnahmslos Männer, die nach eigener Aussage noch niemals zuvor etwas im Netz kommentiert hatten.
Unser Besucher war inzwischen gegangen, aber vielleicht liest er das hier.
Unsere aktuelle Ausstellung ist keineswegs nur „was zu Frauen“. Denn es geht darin um die Gleichberechtigung von Mann und Frau. Mit Humor wollten wir das Thema angehen, obwohl es nicht zum Lachen ist, dass Frauen für die gleiche Arbeit im Schnitt immer noch weniger Geld erhalten. Oder dass die Frauenquote für Führungspositionen in großen Unternehmen inzwischen als „Leere Stuhl-Regelung“ bezeichnet wird, weil die Stühle für Frauen leer bleiben. Nie zuvor waren Frauen in den westlichen Industriestaaten so gut ausgebildet wie heute und dennoch müssen sie weiter um ihre Gleichberechtigung kämpfen. Weltweit sieht die Bilanz noch ernüchternder bis erschreckend aus.
Diese Fakten gaben den Ausschlag. Die Landeszentrale entwickelt, und das ist nicht selbstverständlich in der politischen Bildungslandschaft, ihre Ausstellungen selbst, von der Ursprungsidee über den Kauf der richtigen Rahmen bis hin zur Hängung der Ausstellungsstücke. Eine Mitarbeiterin fährt für die Vorbereitung einer Ausstellung manchmal durch ganz Brandenburg, um Künstler zu treffen oder sich mit den Menschen vor Ort zu unterhalten.
Für die Frauen-Ausstellung haben wir drei Karikaturisten und drei Karikaturistinnen gebeten, uns ihre Zeichnungen zum Thema zu schicken. Mangel bestand nicht: Die Künstler selbst hatten rund 1.000 Werke ausgewählt, etwa 90 sind nun in unseren Räumen zu sehen. Sie zeigen bekannte und weniger bekannte Situationen aus dem Familienleben, beruflichen Alltag und politischen Zeitgeschehen. Meine Lieblingskarikatur zeigt einen Scheich und seine vollverschleierte Frau bei der häuslichen Zeitungslektüre. Der Kommentar des Scheichs: „Klimaabkommen oder Frauenwahlrecht – man weiß nicht, was schlimmer ist!“
Für Brandenburger gibt es noch etwas Besonderes. Unter den Zeichnungen befindet sich eine, die noch nie zuvor ausgestellt wurde. Sie zeigt Regine Hildebrandt, die ehemalige Arbeits- und Sozialministerin Brandenburgs und eine starke Stimme für die Rechte von Frauen. Sie hat einmal gesagt: „Wenn die Männer benachteiligt werden, werde ich mich für sie einsetzen“.
Genauso sehen wir das in der Landeszentrale auch. Und wenn Männer einmal gar keine Fußballturniere mehr kommentieren dürfen, dann gibt’s bei uns auch eine Ausstellung dazu.
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Kommentare
Kommentierenwir pendeln
Bei vielen Themen, die polarisieren, meine ich feststellen zu können, daß man sich (in Deutschland) immer nur um die Extrempunkte schart und ein ausgewogenes Meinungsbild 1. kaum entsteht und 2. schwer zu verteidigen ist, da es von den Verfechtern der Extremstandpunkte, also von beiden Seiten gleichermaßen angegriffen wird. Ich finde schon, daß ein Umschlagen vom Extrem der Benachteiligung von Mädchen und Frauen hin zum Extrem einer beginnenden Benachteiligung von Jungen und Männern durchaus zu beobachten sein könnte.
Als Vater zweier schulpflichtiger Söhne fallen mir da doch etliche Indizien ein. Mich würde interessieren, wie die Autorin zu den Begriffen "kulturelle" und "politische Feminisierung" steht. und zu den Zitaten von Kritikern einer von diesen beobachteten Feminisierung in verlinkter PDF : http://www.maedchenarbeit-nrw.de/theorie-praxis-pdf/8_009%20Bro_Bildung_von_Geschlecht_low.pdf
Natürlich muß man mal in sich gehen und sich fragen, ob das, was als Feminisierung bezeichnet wird, tatsächlich schon eine Feminisierung der Gesellschaft ist oder ob das noch zum Weg raus aus der Männerdomäne gehört. Fragt man sich das aber nicht, so ist es für mich sicher, daß man wieder mal den Zeitpunkt verpaßt an dem man hätte bremsen sollen. Das Pendel schlägt dann zur anderen Seite aus und man ist beim nächsten Extrem gelandet.
Aus diesem Grunde finde ich es auch wenig charmant, wenn Leuten, die Fragen stellen, unterstellt wird, daß sie die "Rolle" der Frau am liebsten wieder ins 19. Jh. zurückbefördern wollen... In einer gleichberechtigten Gesellschaft, in einer offenen Gesellschaft in einer aufgeklärten Gesellschaft, in einer Gesellschaft in der ich gern leben möchte, wäre die Frage der Überschrift in der Tat berechtigt....
Berechtigte Frage
Sie haben völlig Recht. Die Frage in der Überschrift ist in der Tat berechtigt. Und weil wir sie ernst genommen haben, ist dieser Beitrag entstanden. Eine Unterstellung war in keiner Weise beabsichtigt. Zu Ihrer Frage: Ich finde die Begriffe "kulturelle" und "politische Feminisierung" sinnvoll, weil sie eben das helfen zu vermeiden, was Sie befürchten: eine Polarisierung, ohne auf Gegenentwicklungen in bestimmten Bereichen oder Extreme hinweisen zu können. Beste Grüße, Jana Wuestenhagen
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