„Jugendwerkhof“ ist die Bezeichnung für eine Art Kinder- und Jugendheim in der DDR. Die Bildungs- und Erziehungspolitik der DDR hatte die Herausbildung „sozialistischer Persönlichkeiten“ zum Ziel. Eigenschaften wie Gehorsam, Angepasstheit, Arbeitsfleiß, Ordnung und Sauberkeit gehörten dazu, ebenso wie Mitgliedschaften in staatlichen Kinder- und Jugendorganisationen. Junge Menschen, die sich dem nicht unterordnen konnten oder wollten, mussten mit Strafen und Maßregelungen rechnen. Zu den drastischsten Maßnahmen gehörte die Einweisung in einen Jugendwerkhof.
Die Jugendwerkhöfe befanden sich über die gesamte DDR verteilt, oftmals in abgeschotteten alten Gutshäusern, Jagdschlössern oder früheren Strafanstalten. Zuletzt gab es 41 Jugendwerkhöfe mit über 3.000 Plätzen. Mehr als 130.000 Mädchen und Jungen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren wurden hier zwischen 1949 und 1990 festgehalten. In Einzelfällen waren die Betroffenen bis zu 20 Jahre alt. Über die Einweisung befanden Kommissionen bei der staatlichen Jugendhilfe. Die Jugendlichen selbst nannten die Einrichtungen „Jugendknast“ oder „Kindergefängnis“.
Anstatt auf eine freie Entwicklung der Persönlichkeit zielten die Jugendwerkhöfe auf eine Erziehung bzw. Umerziehung in der Gemeinschaft ab. Anstatt einfühlsam und vertrauensfördernd verhielten sich die oftmals unfähigen bzw. überforderten Aufseher und Erzieher streng und unnachgiebig. Militärischer Drill, Misshandlungen, Demütigungen und harte körperliche Arbeit prägten den Alltag in den Jugendwerkhöfen. Besonders schlimm waren die Zustände im geschlossenen Jugendwerkhof Torgau. Einzelarrest und körperliche Strafen gehörten hier zum normalen Umgang.
Viele der Betroffenen leiden bis heute an den physischen und psychischen Folgen ihrer menschenunwürdigen Erfahrungen und Traumatisierungen in den Jugendwerkhöfen. Die historische und gesellschaftliche Aufarbeitung der Geschichte der Jugendwerkhöfe in der DDR dauert noch an.
BLPB, Mai 2022
Teilen auf
Neuen Kommentar hinzufügen