Anastasia Biefang über Trans*sein in der Bundeswehr

Anastasia Biefang war die erste Kommandeurin der Bundeswehr mit Transhintergrund. Wir haben mit ihr über ihre Erfahrungen und ihr Engagement für queere Menschen in der Bundeswehr gesprochen.

Sie sind als Mann in die Bundeswehr gekommen zu einer Zeit als auch nur Männer in die Bundeswehr kommen konnten. Wann haben Sie festgestellt: Eigentlich will ich nicht weiter als Mann leben?

Anastasia Biefang: Nach einem sehr langen, fast zweijährigen, schmerzhaften inneren Prozess... da war ich Anfang vierzig und das einzige, was ich im Leben noch hatte, war mein Beruf. Ich habe sehr gut funktioniert und mich in meine Arbeit gestürzt. Ende 2014 habe ich dann beschlossen, dass ich jetzt einen Schlussstrich unter dieses Leben setze und mich entschieden, ich werde jetzt einfach nur noch als Frau nach außen leben. Das klingt sehr dramatisch, aber es ging mir danach schlagartig besser. Ich wusste nicht, was passiert, aber es ging mir danach besser.

Wie lange dauerte dieser Veränderungsprozess?

Anastasia Biefang: Also, die eigene Selbstfindung ist natürlich ein langer Weg, knappe zwanzig Jahre... Und der zweite Teil war immer noch dieses leidige Verfahren, nennen wir es mal Transsexuellen-Gesetz, was seit vierzig Jahren in Deutschland beharrlich Fortbestand hat. Um am Ende irgendwann in meinem Personalausweis nicht mehr „männlich“, sondern „weiblich“ drinstehen zu haben.

Und dann muss jeder Schritt, den man medizinisch haben möchte, indiziert werden, der entsprechende Leidensdruck vorherrschen. Sie brauchen eine Begleittherapie. Dann wird man einem Alltagstest unterworfen, wo tatsächlich verlangt wird, in seinem Wunschgeschlecht zu leben, aber noch keine Angleichungsmaßnahmen zu bekommen, also nicht einmal Hormontherapie.

Es kann bis zu zwölf Monate dauern, bis man die bewilligt bekommt. Aber man soll in seinem neuen Geschlecht funktionieren. Man soll das Leben darin erfahren. Das ist ein Konstrukt, was, wenn man es von außen nüchtern betrachtet, sehr merkwürdig anmutet... Sie wollen etwas und sagen: Das möchte ich. Und fragen sich immer: Wird mir das auch vom Gegenüber zugestanden? Und warum hat er eigentlich die Macht dazu, mir das zuzugestehen? Und warum wird das nicht automatisch gemacht?

Anastasia Biefang als Podiumsgast in der Landeszentrale
© BLPB
Anastasia Biefang

bekam bei ihrer Geburt das Geschlecht „männlich" zugewiesen. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere entschied sie, zukünftig als Frau zu leben.

Sie ist die erste Transgenderperson in der Geschichte der Bundeswehr auf dem Posten einer Kommandeurin und macht sich für queere Menschen in der Bundeswehr stark.

Der Film "Ich bin Anastasia" begleitete sie bei ihrem Angleichungsprozess zur Frau und die Reaktionen in der Bundeswehr.

Wie ist Ihr Umfeld mit Ihrer Entscheidung umgegangen?

Anastasia Biefang: Die Transition ist die Phase zwischen den beiden Geschlechtern, wenn man das so sehen möchte, in der binären Welt. Da hab‘ ich auch sehr schnell gelernt, dass ja nicht nur ich transitionieren muss, sondern auch mein Umfeld, also beruflich. Und das in einer Organisation, wo ich zu dem Zeitpunkt seit knapp zwanzig Jahren tätig war, wo mich wirklich jeder als Mann kannte. Auch wenn die Bundeswehr augenscheinlich als Organisation sehr groß ist: Wir kennen uns alle. Also, da sind wahnsinnig viele Menschen, die erstmal lernen müssen, dass Sie jetzt eine Frau sind.

Aber insgesamt hat mich die Bundeswehr sehr unterstützt. Dafür bin ich auch sehr dankbar. Da hatte ich sehr gute Vorgesetzte, die klargemacht haben, dass sich an meinem Charakter, an meiner Person und an meinem Wirken innerhalb des Ministeriums und der Bundeswehr nichts ändert. Und mein Abteilungsleiter im Ministerium hat klargemacht, dass er erwartet, dass die Abteilung genauso mit mir umgeht wie sonst auch. Alles andere würde er nicht akzeptieren.

Das war auch wichtig, dass ein starkes Statement von der Führung dazu kam, dass dieser Weg zu unterstützen ist. Das heißt nicht, dass einen jeder toll findet, aber der letzte weiß dann, dass er den Mund halten soll. Man braucht nicht noch mehr Stolpersteine auf dem Weg. Das galt auch bei der Familie, bei meinem Bruder, selbst bei meiner Nichte, fünf Jahre alt... Kinder vertragen in der Bildungsarbeit und auch in der Sexualkunde mehr als der angeblich aufgeklärte Erwachsene.

Welche Strategien haben Sie denn entwickelt, um auch Ihre Führungsposition auszufüllen?

Anastasia Biefang: Na gut, der Vorteil ist einfach, ich hatte meinen Dienstgrad. Ich war zu dem Zeitpunkt schon Oberstleutnant. Da werden nicht unbedingt sehr viele Fragen gestellt. Das ist eine Hierarchie...

Die Öffnung der Streitkräfte für Frauen in der Bundeswehr ist offiziell mit Wirkung 2001 gewesen. Das allerdings nicht durch einen inneren Veränderungsprozess, sondern auch da hat ein EU-Gerichtshof geurteilt, dass die Regelung, die wir hatten, nicht vereinbar war. Und dann durften die Frauen auch in alle Bereiche der Streitkräfte. Vorher hatten wir sie „nur“ im Sanitätsdienst. Also, ich nehme da immer noch eine Sonderrolle ein. Und es ist tatsächlich wirklich manchmal ein befremdliches Gefühl, wenn ich da als einzige Frau in einer Besprechung sitze...

Und ich hoffe, desto mehr Frauen langsam in der Führungsriege hochwachsen, dass es dann mehr und mehr kommt. Das wird die Bundeswehr noch besser machen als sie heute schon ist.

Lesetipp

Im letzten Monat hat sich die Verteidigungsministerin für die Diskriminierung von Homosexuellen in der Bundeswehr entschuldigt. Wie ist die aktuelle Situation queerer Menschen in der Bundeswehr?

Anastasia Biefang: Es ist mit Sicherheit gruppenspezifisch unterschiedlich. Ich kann natürlich nicht für alle 225.000 zivilen und militärischen Bundeswehrangehörige sprechen. Als stellvertretende Vorsitzende von QueerBw kann ich sagen, dass die Bundeswehr ein sehr akzeptierendes Umfeld ist, was queere Lebensweisen, was sexuelle Orientierung, was geschlechtliche Identität angeht...
Das Thema Diversity Management ist ein Thema, was mittlerweile in der Bundeswehr einen sehr hohen Stellenwert hat. Wir freuen uns darauf, dass die Bundeswehr vor eineinhalb Jahren angefangen hat, eine Studie aufzulegen, die heißt: Wie bunt ist die Truppe?

Da geht es darum erstmal überhaupt mitzubekommen: Wie sehen sich denn die Menschen in der Organisation selbst? Um dann zu sagen: Welche Maßnahmen können helfen. Wir als QueerBw stehen allen Angehörigen zur Verfügung, um sie zu beraten, beim Coming-Out zu unterstützen. Wir sehen uns aber auch deutlich als Netzwerkpartner für die Streitkräfte in der Bildungs- und Aufklärungsarbeit.

Unser Vorsitzender hat es letztens schön gesagt im Interview: Es ist kein Problem, schwul zu sein in der Bundeswehr. Du kannst es auch offen sein. Und das macht mich auch tatsächlich stolz. Weil sonst wäre es irgendwann doch schwer die Uniform zu tragen als queerer Mensch. Und ich trage sie sehr gern.

Als Offizierin ziehen Sie viel um. Wie war denn Ihr Start in Brandenburg?

Anastasia Biefang: Der war klasse... Ich wurde in der Stadt, in der Gemeinschaft, die wir haben zwischen dem IT-Bataillon, dem Bundeswehrstandort und der Stadt Storkow, aber auch dem Landkreis sehr herzlich aufgenommen. Also, ich hatte einen super Start. Ich fühle mich da sehr wohl. Und ich freue mich nicht auf den 27. Oktober 2020. Das ist nämlich der Tag, an dem ich mein Bataillon übergeben werde. Aber ich bin mir ziemlich sicher, dass ich Brandenburg noch immer sehr, sehr verbunden bleibe. Mein Nebenwohnsitz ist auch tatsächlich Storkow, weil ich ja auch in Storkow geheiratet habe. Das war auch eine sehr bewusste Entscheidung. Es war ein sehr schöner Tag.

Das ganze Gespräch mit Anastasia Biefang sehen Sie im Videomitschnitt:

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Anm. d. Red.: Das Gespräch wurde für die schriftliche Form redaktionell bearbeitet und gekürzt. Es gilt das gesprochene Wort.

BLPB, November 2020 (Das Gespräch wurde im August 2020 aufgezeichnet.)

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