Gehen, wenn’s am schlimmsten ist...

Mit der Verantwortung in der Politik ist es so eine Sache. Im Grunde ist sie ein ideeller Wert, denn wann haben politische Fehlentscheidungen tatsächlich einmal Folgen? Einfach mal zugeben, dass etwas schief gelaufen ist und Konsequenzen ziehen. Das tut weh, ist aber ehrlich.

Nigel Farage, ein Anstifter der Brexit-Kampagne, tritt von seinem Amt als Parteivorsitzender der rechtspopulistischen UKIP zurück. Zuvor hatte schon Boris Johnson verkündet, dass er nicht als nächster Premierminister kandidieren wird. Beide hatten den Austritt aus der EU mehr als lautstark gefordert und waren dann doch vom Ergebnis überrascht und werden die Folgen nicht tragen. Nigel Farage argumentierte er wolle sein Leben zurück. Die Millionen Briten, die die EU zurück haben wollen, haben diese Wahlfreiheit nicht.

Wenn das mal alles so einfach wär

Mit der Verantwortung in der Politik ist es so eine Sache. Im Grunde ist sie ein ideeller Wert, denn wann haben politische Fehlentscheidungen tatsächlich einmal Folgen? Berliner Flughafen? Verantwortliche verzweifelt gesucht. Rentensystem vor dem Kollaps? Für Norbert Blüm waren sie sicher – der Wähler hat es geglaubt. Ausrüstung der Bundeswehr? Eine Geschichte mit hundert traurigen Kapiteln. Atomausstieg? Endlich mal ein Schritt in die Zukunft! Atommülllager? Uuuund wieder einen Schritt zurück. Der Wähler trägt tatsächlich die Folgen, so oder so. Es ist beängstigend Verantwortung abzugeben, aber hat man eine Wahl? In der Demokratie sogar mehrere. Macht es das besser? Jein.

Politiker sein ist wirklich nicht einfach. Läuft es gut, wird es nur grummelnd zugegeben und leise maulend nach dem Haar in der Suppe gesucht. Es muss da sein, schließlich könnte es alles auch noch besser laufen. Aber eben auch schlechter. Sind wir mal ehrlich: es geht Deutschland gut. Der Großteil ist krankenversichert, hat Zugang zu medizinischer Versorgung, Grundrechte werden von allen politischen Lagern fleißig genutzt, es herrschen weder Krieg noch Hunger. Das sieht in vielen Teilen der Welt anders aus. Ja, es mag nicht alles perfekt sein, aber das Grundgerüst stimmt.

Das Haar in der Suppe

Nun aber wieder zu den Feinheiten. Das Problem mit der Verantwortung. Ein großes Problem der Politik ist die Glaubwürdigkeit. Geht etwas schief wird zunächst einmal ein Verantwortlicher gesucht. War es der Staatssekretär, der Referent, wo ist das Gutachten, wer wusste wann was? Alles wichtige Fragen, die leider zu häufig heftigen Erinnerungslücken gegenüberstehen.

Es kommt (wenn überhaupt) zu den berüchtigten Untersuchungsausschüssen, die Fehlverhalten aufdecken und Verantwortliche benennen sollen. Leider arbeiten diese recht langsam und stoßen immer wieder an ihre Grenzen. Siehe die Ausschüsse zur NSU oder dem schon benannten Endlosprojekt BER. Der Skandal ist dann meist schon einige Jahre ins Land gegangen und das politische Personal woanders untergebracht oder im Ruhestand. Oder einfach schlichtweg nicht zur Verantwortung zu ziehen.

Das ärgert den Bürger zu Recht! Verhält man sich im eigenen Job falsch, gibt es Abmahnungen, im schlimmsten Fall droht die Kündigung. Minister werden auch entlassen, behalten in der Regel jedoch ihre Pensionsansprüche. Wirtschaftlich hat das Verhalten keine Folgen – die trägt der Steuerzahler. Dass jemand tatsächlich offen zugibt etwas falsch gemacht zu haben, kommt so gut wie nicht vor und das, zusammen mit der fehlenden Konsequenz, ist ein großes Manko in der Demokratie.
 

Rückgrat

Wenn man schon die Verantwortung alle vier bis fünf Jahre in fremde Hände legt, hat man einen Anspruch darauf, dass transparent gehandelt wird und Verantwortung nicht nur eine Worthülse ist, solange man im Amt ist. Wenn alles mit einem Rücktritt erledigt ist, die Hände danach sauber geklopft werden und der Wähler mit den Folgen dasteht, führt das zu Frustration. Und bietet leider auch Nährboden für politische Elemente, die Ärger machen wollen und wenn der da ist, sich zurücklehnen und die Show genießen. Dafür ist die Demokratie zu schade, das kann sie besser!
 
Wir haben Kontrollinstrumente. Ausschüsse, Petitionen, auf Landesebene die direkte Demokratie und natürlich Wahlen, Wahlen, Wahlen. Jaaaa Demokratie ist anstrengend. Das muss allen klar sein. Kompromisse finden ist nicht leicht und es wird immer Unzufriedene geben. Aber auch Zufriedene. Neben den Wählern sind vor allem auch die Parteien gefragt. Sie bündeln in sich Meinungen und stellen das politische Personal. Postenschacherei schadet. Rausreden und Verantwortungen hin und her schieben auch.

Es geht einfacher: einfach mal zugeben, dass etwas richtig schief gelaufen ist und Konsequenzen ziehen. Das tut weh, ist aber ehrlich. Das kommt an beim Volk. Und viel leichter glaubt man dann auch, wenn positive Nachrichten verkündet werden. 

Zum Zeitpunkt des Beitrags befand sich die Autorin in Elternzeit und beobachtete die Entwicklung mit einem kritischen Blick „von außen“.

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Katrin Marx
© fbn

Katrin Marx ist Publikationsreferentin in der Landeszentrale und empfindet das als absoluten Traumjob. So konnte sie ihre beruflichen Ziele: "irgendwas mit Menschen" und "auf jeden Fall irgendwas mit Büchern" perfekt vereinen. Sie liest sich tagsüber durch die neuesten Sachbücher, stöbert nach Feierabend durch alle Genre und liest abends gerne und laut aus Kinderbüchern vor.

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Kommentare

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... nicht schon wieder: die Männer sind die Bösen, und das fehlende Chromosom rettet die Welt.

Aber zum Thema: Wer seinen Lebensunterhalt mit Politik verdient, muss wiedergewählt werden. Oder? Da machen sich Fehler schlecht. Wobei politische "Fehler" - anders als im Matheunterricht - eben nicht im Voraus zu berechnen sind. Wollen sie wirklich eine Politik, die völlig risikoscheu ist?

Die Energiewende zum Beispiel hätte es dann nicht gegeben. Sollte der Bundeskanzler für seinen Mut gescholten werden, auch wenn sich die Entscheidung am Ende des Tages als Fehler herausstellt?

Gut, persönliche Bereicherung ist immer ein Fehler, für den frau / man gerade zu stehen hat. Aber dafür gibt es ja das Strafrecht.

Also etwas mehr Gelassenheit, empfehle ich, bevor Fehler gegeißelt
und Selbstbezichtigung gefordert wird.

Sehr schöner Blogbeitrag und witziges Foto, liebe Landeszentrale. Bemerkenswert finde ich, dass es oft Frauen sind, die Verantwortung übernehmen, wenn ihr Handeln in der Politik schief geht. Noch bemerkenswerter aber, dass nicht selten Frauen gefragt sind, wenn wirklich keinER mehr den Karren aus dem Dreck ziehen will. So auch jetzt in Groß Britanien zu beobachten.

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