Mit dem Begriff Reichspogromnacht oder auch "Reichskristallnacht" wird vor allem die Nacht vom 9. auf den 10. November 1938 bezeichnet, als organisierte Schlägertrupps der Nationalsozialisten in vielen deutschen Städten Synagogen anzündeten, jüdische Geschäfte plünderten, Juden verprügelten und töteten. Die deutsche Bevölkerung schaute tatenlos zu, beteiligte sich - zeigte aber auch Zivilcourage und half den Opfern. Mit dem Pogrom und der anschließenden Verhaftungswelle erreichte die antisemitische Politik des NS-Regimes eine weitere Stufe, die am Ende in den Völkermord an den europäischen Juden führte.
Die Gewaltexzesse dauerten mehrere Tage, so dass manchmal auch von einer "Kristallwoche" die Rede ist. Innerhalb von drei Tagen wurden mindestens 91 Menschen ermordet, zahlreiche Synagogen zerstört, 30.000 Männer verhaftet und in die Konzentrationslager verschleppt, mehr als 6.000 in das KZ Sachsenhausen.
Wer den Begriff "Kristallnacht" erfunden hat, ist unklar. Lange wurde er den Nationalsozialisten zugeschrieben, belegen lässt sich dies jedoch nicht. 1978 schlug der damalige SPD-Bundestagsabgeordnete Klaus Thüsing vor, das Wort "Reichskristallnacht" zu vermeiden und passender von der "Reichspogromnacht" zu sprechen. Seit Ende der 1980er Jahre hat sich dieser Begriff in der offiziellen Sprachpolitik in Deutschland durchgesetzt. Vermieden werden soll damit eine nachträgliche Verhöhnung der Opfer durch einen Begriff, der eher an eine Feier als an tödliche Überfälle erinnert.
Noch heute scheint es an Wissen über die Bedeutung des Tages zu mangeln. Wie sonst ließe sich die Werbekampagne eines Wellnessbades in thüringischen Bad Klosterlausnitz erklären. Das Bad mit dem klingenden Namen "Kristall" hatte zu einer "langen romantischen Kristall-Nacht" eingeladen - für den 9. November 2013.
BLPB, November 2013
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