Das Volk der Sorben ist eine von vier anerkannten nationalen Minderheiten in Deutschland. Sie leben heute vornehmlich in den Bundesländern Brandenburg und Sachsen. Vor rund 1.500 Jahren wanderten slawische Stämme in den Raum ein, der von den Germanen während der Völkerwanderungszeit verlassen worden war: zwischen Ostsee und Erzgebirge, zwischen Oder, Elbe und Saale.
Während die slawische Bevölkerung nach der deutschen Ostexpansion des Mittelalters in der Mark Brandenburg zunehmend in der neuen, deutschen Bevölkerung aufging, hielten sich besonders in abgelegenen und schwer erreichbaren Gebieten sorbische Traditionen, Brauchtum, Sprache und Kultur bis in die heutige Zeit.
Das sorbische Volk
In Brandenburg liegt der Anteil der Sorben/Wenden an der Gesamtbevölkerung unter einem Prozent. Dennoch sind sie landesweit bekannt. Nicht zuletzt durch ihre reiche Folklore und Mythologie. Doch das ist nicht alles. Ein Blick auf eine quirlige Minderheit.
Sorben oder Wenden
Theodor Fontane, der berühmte brandenburgische Dichter aus dem 19. Jahrhundert, bezeichnete die Sorben überwiegend als Wenden. In Brandenburg steht der ältere Begriff „Wenden“ offiziell gleichberechtigt neben der Bezeichnung „Sorben“. Er geht auf römische Geschichtsschreiber zurück, welche die unbekannten Stämme im Osten mit dem Begriff „Veneti“ bezeichneten, was man später zu „Wenden“ eingedeutscht hat. Auch ihre Sprache wird gleichberechtigt als sorbisch/wendisch bezeichnet.
In der Landesverfassung Brandenburgs regelt der Artikel 25 die „Rechte der Sorben und Wenden“:
Das Recht des sorbischen/wendischen Volkes auf Schutz, Erhaltung und Pflege seiner nationalen Identität und seines angestammten Siedlungsgebietes wird gewährleistet. Das Land, die Gemeinden und Gemeindeverbände fördern die Verwirklichung dieses Rechtes, insbesondere die kulturelle Eigenständigkeit und die wirksame politische Mitgestaltung des sorbischen/wendischen Volkes.“
Im Einzelnen regelt das Gesetz über die Ausgestaltung der Rechte der Sorben/Wenden im Land Brandenburg den Schutz und die Förderung dieser Nationalen Minderheit.
In Sachsen gibt es die Doppelnennung nicht, da die Siedlungsgeschichte eine andere ist. Die Sorben im Freistaat werden in der sächsischen Verfassung in Artikel 6 geschützt.
Siedlungsgeschichte
Die wendische Bevölkerung in Nord-, Mittel- und Oberdeutschland wurde seit dem Mittelalter zunehmend verdrängt, passte sich an oder wurde dazu gezwungen. Doch erinnern noch Ortsnamen an das einst ausgedehnte slawische Siedlungsgebiet. Beispiele sind:
- Wendisch Baggendorf (Mecklenburg-Vorpommern),
- Wendischbrome (Sachsen-Anhalt),
- Wendisch Evern (Niedersachsen)
- Windischbuchen (Bayern),
- Windisch-Bockenfeld (Baden-Württemberg).
Nur in der Ober- und Niederlausitz aber konnten die Sorben und Wenden ihre kulturelle Eigenart über die Jahrhunderte in einem relativ geschlossenen Siedlungsgebiet bewahren und entwickeln – unterbrochen vor allem durch die antislawische Politik der Nationalsozialisten zwischen 1933 und 1945.
Sprache und Siedlungsgebiet
Die Sprache der Wenden in der Niederlausitz (Niedersorbisch) und der Sorben in der Oberlausitz, vor allem in der Gegend um Bautzen (Obersorbisch) unterscheiden sich. Nach der Reformation traten im sorbischen Siedlungsgebiet auch konfessionelle Unterschiede zutage. In der Niederlausitz, in der Gegend um Cottbus und im Spreewald, sind sie sind überwiegend evangelisch. Katholische Sorben leben vorwiegend in der Oberlausitz, vor allem in der Gegend um Bautzen.
Während die katholisch gebliebenen Sorben der Oberlausitz eine stärkere kulturelle Autonomie behaupten konnten (katholische Geistliche lasen die Messe auf Sorbisch), war das niedersorbische Siedlungs- und Sprachgebiet, besonders seit die Niederlausitz 1815 preußisch wurde, einem starken Angleichungsdruck ausgesetzt. 1875 wurde Sorbisch als Schulsprache an den meisten preußischen Schulen verboten, 1885 auch der sorbischsprachige Konfirmanden-Unterricht. Zuletzt verbot das preußische Kultusministerium 1888 den sorbischen Unterricht am Cottbuser Gymnasium. Das Ergebnis dieser langen Entwicklung: Niedersorbisch ist in Brandenburg sehr viel stärker gefährdet als das Obersorbische in Sachsen.
Institutionen
Die Domowina – Bund Lausitzer Sorben mit Sitz in Bautzen ist der politisch unabhängige Dachverband sorbischer Vereinigungen. Er erfüllt damit die Anforderungen des brandenburgischen Sorben/Wenden-Gesetzes. Die Domowina gliedert sich in fünf Regionalverbände und zahlreiche Ortsgruppen und Fachverbände. Der Verband will die Sprache, Kultur und Traditionen des sorbischen Volkes bewahren und weiterentwickeln. Dem Dachverband gehören ca. 7.300 Mitglieder an.
Die Stiftung für das sorbische Volk ist eine Einrichtung des Bundes, des Freistaats Sachsen und des Landes Brandenburg. Sie setzt sich ein für die Bewahrung und Entwicklung, Förderung und Verbreitung der sorbischen Sprache, Kultur und Traditionen als Ausdruck der Identität des sorbischen Volkes und fördert unter anderen die Domowina.
Der Rat für Angelegenheiten der Sorben/Wenden wird von den Dachverbänden gewählt und berät den Landtag. „Er hat die Aufgabe, bei allen Beratungsgegenständen, durch die die Rechte der Sorben/Wenden berührt werden können, deren Interessen zu wahren. Dazu ist er vom Landtag anzuhören“, heißt es im Sorben/Wenden-Gesetz des Landes Brandenburg.
In Deutschland leben vier anerkannte nationale Minderheiten: Dänen, Friesen, Sinti und Roma sowie Sorben. Wie viele Sorben es noch gibt, weiß niemand. Die Sorben/Wenden selbst arbeiten ohne Zahlen, da es keine belastbaren Kriterien gibt, nach denen diese erstellt werden können. Wer gehört zum sorbischen Volk? Wie wäre das nachzuweisen? Es gilt auch die gesetzliche Bekenntnisfreiheit. Zahlenangaben über nationale Minderheiten in Deutschland beruhen deswegen nur auf Schätzungen. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges werden in der Bundesrepublik Deutschland generell keine bevölkerungsstatistischen und sozioökonomischen Daten auf ethnischer Basis erhoben.
BLPB, Juni 2021
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