Leichte Sprache: 17. Juni 1953
Der Aufstand vom 17. Juni 1953 war die erste Massenprotestbewegung in der erst 1949 gegründeten DDR. Die Menschen kämpften gegen das System, das sie als Unterdrückung empfanden, gegen Mangel und hohe Preise. Sie forderten Freiheit und Mitbestimmung und auch die deutsche Wiedervereinigung. Hunderttausende Jüngere und Ältere, Frauen und Männer, Arbeiter, Angestellte, Gewerbetreibende, Handwerker und Bauern sowie Parteilose, SED-Mitglieder und Gewerkschaftler protestierten gegen die SED-Führung. Wegen der Vielzahl der Demonstrationsorte und der Teilnehmenden wird die Protestbewegung als Volksaufstand bezeichnet.
Bis 1990 war der 17. Juni in Westdeutschland ein offizieller Feier- und Gedenktag. Erinnert wurde damit an die Teilung Deutschlands und das Ziel einer Wiedervereinigung. Nachdem diese am 3. Oktober 1990 mit dem Beitritt der ostdeutschen Länder zur Bundesrepublik Deutschland erreicht war, trat der 3. Oktober als Tag der Deutschen Einheit und Feiertag in den Vordergrund des offiziellen Erinnerns.
Das Gedenken an den Volksaufstand vom 17. Juni geriet im Verhältnis dazu mit den Jahren in den Hintergrund. Er bleibt aber ein wichtiger historischer Tag in der deutsch-deutschen Geschichte nach 1949.
Wie es zum Aufstand kam
Im Juli 1952 hatte der Chef der Regierungspartei SED, Walter Ulbricht, auf der 2. SED-Parteikonferenz den "planmäßigen Aufbau des Sozialismus" in der DDR verkündet. Zwei wesentliche Dinge verband die SED-Führung damit:
- die Festigung der deutschen Teilung,
- die Umgestaltung des ostdeutschen Staates. Dazu zählten der Aufbau bewaffneter Streitkräfte, der Umbau der Verwaltung, der Wirtschaft und der Landwirtschaft, der Justiz und des Bildungswesens sowie die Verschärfung des Kampfes gegen die Kirchen).
In der Bevölkerung stießen die Pläne auf Widerstand. Ausbleibende Erfolge und ständig neue Konflikte führten zu einer krisenhaften Stimmung. Mehr als eine halbe Million Menschen verließen die DDR in den Jahren 1952/53 nach Westdeutschland.
Warum das Thema spannend bleibt
Die Erinnerung an den 17. Juni 1953 scheint automatisiert. Vieles wird nur wiederholt, so Martina Weyrauch. Die Leiterin der Landeszentrale wendet sich gegen politische Rituale und setzt auf das Interesse der Bürger vor Ort an der eigenen Geschichte und auf neue Fragestellungen.
Die Krise spitzte sich weiter zu, als die SED-Führung, die zugleich auch die Staatsführung bildete, die Erhöhung der Arbeitsnormen zum 30. Juni 1953 beschloss – dem 60. Geburtstag Walter Ulbrichts. Für die Arbeiterinnen und Arbeiter bedeutete das: Sie sollten in der gleichen Zeit mehr produzieren, ohne dafür eine Lohnerhöhung zu erhalten.
Am 17. Juni gingen deshalb zunächst die Berliner Bauarbeiter auf die Straße. Schnell weiteten sich die Proteste gegen die Erhöhung der Arbeitsnormen in andere Teile der Stadt und andere Orte der DDR aus. Wirtschaftliche Forderungen gingen einher mit politischen Forderungen wie Wahlfreiheit und dem Ruf nach einer deutschen Wiedervereinigung.
Der Volksaufstand in Brandenburg
Auch in den Gebieten des heutigen Landes Brandenburg gab es Aufruhr. Allein in den drei brandenburgischen Bezirken Potsdam, Cottbus und Frankfurt (Oder) kam es rund um den 17. Juni in mehr als 150 Ortschaften zu Protesten. Schwerpunkte waren oftmals Industriestandorte oder Großbaustellen. Allein die Staatssicherheit nahm im Juni 1953 im Bezirk Potsdam 215, im Bezirk Cottbus 152 und im Bezirk Frankfurt 179 Menschen fest.
Die Verhaftungen zeigten, wie breit die Unterstützung des Aufstandes in der Bevölkerung war – Frauen und Männer, Arbeiter, Landwirte, Angestellte und auch Gewerkschafter sowie SED-Mitglieder waren darunter. Insbesondere am Industriestandort Brandenburg an der Havel, wo 15.000 Menschen demonstrierten, die SED-Kreisleitung, das Volkspolizeikreisamt und ein Gewerkschaftsgebäude belagerten sowie das Gericht stürmten, griffen die Sicherheitskräfte hart durch.
Fakten und Zahlen zu Brandenburg
- Proteste in mehr als 150 Ortschaften
- Schwerpunkte in Industriestandorten und auf Großbaustellen
- Verhaftungen durch die Staatssicherheit im Juni 1953: Bezirk Potsdam 215, Bezirk Cottbus 152, Bezirk Frankfurt 179 Menschen
Folgen des 17. Juni
Wahrscheinlich bezahlten den Aufstand knapp 100 Menschen mit ihrem Leben – vor allem Demonstrierende, aber auch Partei- und Staatsfunktionäre sowie Sicherheitskräfte. In den folgenden Monaten inhaftierten insbesondere ostdeutsche, aber auch sowjetische Sicherheitskräfte knapp 15.000 Menschen.
Für die SED-Führung war der Volksaufstand ein Schock, der sich in den folgenden Jahren auch in ihrer Herrschaft ausdrückte: die Überwachung nach innen durch das Ministerium für Staatssicherheit (Stasi) nahm bis zum Ende der DDR ein gewaltiges Ausmaß an. Aus Furcht vor einer neuen Protestbewegung wuchs der Geheimpolizei-Apparat in der Folge stetig an. Aus dem gleichen Grund verzichtete die SED-Führung auf angeordnete Einschnitte im Konsum- und Lebensstandard der Menschen. Den Untergang der DDR aus politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gründen seit Mitte der 1980er Jahre konnte dies jedoch nicht verhindern.
BLPB, Juni 2022 (unter Nutzung von: Sebastian Stude: Eine Biografie des 17. Juni. Zwischen SS-Mitgliedschaft und Streikleitung, in: Konstanze Soch (Hg.): Stasi in Brandenburg. Die DDR-Geheimpolizei in den Bezirken Cottbus, Frankfurt (Oder) und Potsdam, Berlin 2020, S. 14-18.)
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Kommentare
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70 Jahre Volksaufstand: Geschichts-App macht die Proteste vom 17. Juni lebendig
Ein Beitrag in der Tagesschau vom 8. Juni 2023
Die App wird am 16. Juni freigeschaltet. Sie wurde u.a. auch durch die Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung gefördert.
17.Juni (berlinhistory.app)
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