Hausmannskost

Zwischen Jägerschnitzel und Teltower Rübchen

Was ist typisch brandenburgisches Essen? Die Kartoffel – aufgezwungen. Nudeln – eingewandert. Bratwurst – aus Thüringen. Buletten – gibt es wie viele andere Gerichte auch anderswo in Deutschland, wenn auch unter eigenartig verfremdeten Namen.

Jägerschnitzel

Jägerschnitzel à la DDR. Foto: Thomas Schubert | flickr

Was ist typisch brandenburgisch an dem, was in Brandenburger Küchen gekocht wird? Der erste Gedanke ist: »Na auf jeden Fall: …« Dann folgt die gerunzelte Stirn. Richtig Typisches, also original Brandenburgisches drängt sich erst einmal nicht auf. Die Kartoffel – aufgezwungen. Nudeln – eingewandert. Bratwurst – aus Thüringen. Buletten – gibt es wie viele andere Gerichte auch anderswo in Deutschland, wenn auch unter eigenartig verfremdeten Namen.

Ein untrügliches Zeichen für Beliebtheit sind lange Schlangen in der Kantine bei bestimmten Gerichten. Besonders beliebt noch aus DDR-Zeiten sind die sogenannten Kindergartenspaghetti. Gebratene Jagdwurst in einer Tomatensoße auf Mehlschwitzbasis lässt Jung und Alt das Wasser im Mund zusammenlaufen. Auch wenn die Kalorienanzahl Ernährungsbewussten die Schweißperlen auf die Stirn treibt. Jagdwurst ist auch die Grundlage für das beliebte Jägerschnitzel, was bei Nicht-Einheimischen immer wieder für Verwirrung sorgt. In anderen Teilen Deutschlands versteht man darunter ein Schweineschnitzel mit einer Pilzsauce, in Brandenburg ist es jedoch eine panierte Scheibe Jagdwurst. Weitere sprachliche Missverständnisse verursacht die »tote Oma«, ein Gericht mit zerlaufener Blutwurst, auch als politisch korrekte Topfwurst bekannt.

Woher kommen die Vorlieben?

Brandenburg ist weder durch seine Nachbarn stark kulinarisch beeinflusst, wie beispielsweise das Saarland durch Frankreich, noch durch seine geografische Lage, wie Schleswig-Holstein und die Küste Mecklenburg-Vorpommerns. Die Hugenotten brachten technisches Know-how in die Mark, die berühmte französische Küche blieb allerdings zurück oder die nötigen Zutaten brachte der brandenburgische Boden nicht hervor. Gehalten hat sich nur das Ragout fin (Würzfleisch) auf den Vorspeisekarten Brandenburger und Berliner Restaurants, das auch den Hugenotten zugeschrieben wird.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gab es viele der Flüchtlinge und Vertriebene aus Pommern, Schlesien und anderen ehemaligen Gebieten des Deutschen Reiches, die die Küche beeinflussten. Geprägt sind die Gerichte von Feldfrüchten wie Kohl, Zuckerrüben und natürlich der Kartoffel, Geflügel, Wild und Schmalz. Geräuchert oder eingeweckt wurden die Zutaten lange haltbar gemacht und garantierten eine Reserve in den kalten und dunklen Monaten. Königsberger Klopse sind ebenfalls ein typisches Essen in der Kantinen-Küche, aber eben, wie der Name schon verrät, auch nicht typisch brandenburgisch.

Im Sozialismus musste man in der Küche oft kreativ sein, da saison- und mangelbedingt längst nicht alle Zutaten zu jeder Zeit zur Verfügung standen. Improvisieren liegt Brandenburg. Die Soljanka, eine slawische Einwanderin, ist dafür ein hervorragendes Beispiel. Die »herzhafte Suppe« mit manchmal undefinierbaren Zutaten, die in der Konsistenz aufgehen und teils beliebig ersetzt werden können, erfreut sich nach wie vor im ganzen Osten Deutschlands größter Beliebtheit. Heute unterscheidet man im Wesentlichen drei Varianten, je nachdem, ob Fleisch, Fisch oder Pilze die vorherrschenden Zutaten sind. Gemeinsam ist allen, dass sie mit sauer eingelegtem Gemüse, wie Gewürzgurken, zubereitet werden. Wurst oder Fleisch – die Soljanka kümmert es nicht und verzeiht vieles.

Eingewanderte Gerichte haben durchaus eine reelle Chance zum Lieblingsessen zu werden. Döner Kebab gehört beispielsweise zu einem der liebsten Fast-Food-Gerichte in Berlin und Brandenburg. Außerhalb der Landesgrenzen ist er für den verwöhnten Brandenburger Magen allerdings oft nicht mehr genießbar. Ein dreieckiges Stück Fladenbrot ist für die meisten Fans Pflicht. Formabweichungen führen unweigerlich zu Geschmacksverlust und Ablehnung. Es gibt also beliebte Gerichte, aber so rein brandenburgisch ist nichts davon. Dafür muss man tiefer graben und sich an die Stärken Brandenburgs erinnern.

Brandenburg schafft sich erfolgreich Nischen

Brandenburg schafft sich Nischen und ist dabei sehr erfolgreich. Wenn es das brandenburgische Gericht nicht gibt, gibt es sicherlich einzelne Spezialitäten, die das Land hervorgebracht hat. Das berühmteste einheimische Produkt sind die Spreewälder Gurken. Schon Fontane erwähnt sie in seinen Wanderungen durch die Mark, was zur Auszeichnung als urmärkisches Produkt eigentlich reichen sollte, aber der Begriff ist auch seit 1999 nach EU-Richtlinien markenrechtlich geschützt. Nur Gurken aus dem Gebiet um den Spreewald dürfen den Namen tragen.

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Anbau von Gurken seit 1991

Erfunden haben sie wahrscheinlich flämische Einwanderer. Die Tuchmacher brachten die Gurkensamen aus ihrer Heimat mit in den Spreewald. Aufgrund des dunklen, humusreichen Bodens, der besonderen Wasserverhältnisse und zahlreichen Sonnenstunden, eignet sich der Spreewald bestens für den Anbau und das Wachstum der Gurken. Zur Haltbarmachung werden sie in einem Sud aus Essig und Gewürzen eingelegt, was den speziellen Geschmack erzeugt.

Früher nahm der Gärungsprozess in großen Fässern mehrere Wochen in Anspruch. Heute kommen die Gurken teilweise schon nach eintägiger Verarbeitung in den Handel – sei es als Gewürz-, Saure- oder Senfgurken. Zu DDR-Zeiten wurde die Spreewaldgurke vom VEB Spreewaldkonserve Golßen angeboten. Nach Mauerfall und Wiedervereinigung war sie eines der wenigen DDR-Produkte, die ohne Unterbrechung weiter erhältlich waren.

Auch andere Firmen haben mit ihren Produkten über das Jahr 1990 hinaus Erfolg. Zum Beispiel die Marke »Eberswalder«. Das privatwirtschaftlich geführte Familienunternehmen mit Sitz in Britz bei Eberswalde ist fest in der Region verwurzelt. Das Unternehmen ist aus dem 1977 gegründeten Schlacht- und Verarbeitungskombinat Eberswalde hervorgegangen – zu damaliger Zeit der größte Fleischverarbeitungsbetrieb Europas. Heute ist es der größte Hersteller von Fleisch- und Wurstwaren in Brandenburg.

Wer es vegetarisch mag, findet bei der Marke »Mark Brandenburg« der Odenwald Frischprodukte GmbH aus Elsterwerda eine breite Palette an Milchprodukten. Das Angebot reicht von klassischer Milch in allen Varianten über Joghurt, Quark, Sahne und Kefir bis hin zur Butter. Das Milchwerk in Elsterwerda produziert inzwischen wieder die zahlreichen Milcherzeugnisse der Marke. Die Abfüllung aller Produkte erfolgt dort. Milch von Brandenburger Kühen wird für die Frisch- und H-Milch garantiert.

Auch die »Werder Frucht GmbH« mit Sitz in Groß Kreutz hat ihre Beziehung zur Region zum Markenzeichen erhoben. Das Havelland um Werder ist der alte Obstgarten Berlins. Ausgehend von den ersten Obst- und Weinbergen der Zisterziensermönche des Klosters Lehnin entwickelte sich die Region um Werder bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts zur Obst- und Gemüsekammer der nahe gelegenen Städte Berlin und Potsdam. Schon vor über 100 Jahren brachten die Obstbauern ihre Ernte über die Wasserstraßen zum »Werderschen Markt« in die Hauptstadt. 1990 gründete sich die Firma mit dem Ziel, die Produktion sowie die Vermarktung von Obst und Gemüse und weiteren Spezialitäten aus Brandenburg zu fördern. Sie arbeitet mit Obst- und Gemüsebauern der Region zusammen und ist mit der Tradition des Werderaner Obstanbaugebietes tief verbunden.

Zu ihren bekanntesten Erzeugnissen gehören der Werderaner Obstwein, der immer wieder zum Baumblütenfest deutschlandweit ins Gespräch kommt, und der »Werder«-Ketchup, der »Werder Feinkost GmbH«. Beide Produkte gibt es in vielfältigen Sorten und sie sind über die Region hinaus überaus beliebt. Der Ketchup aus Werder ist mittlerweile auch in Supermärkten in den alten Bundesländern zu finden. Allerdings ist er dort wesentlich teurer, was dazu führt, dass in manchen Familien regelmäßig »Ostpakete « in den Westen geschickt werden.

König des Brandenburger Sandbodens

Der König des Brandenburger Sandbodens ist zweifelsohne der Spargel. Jedes Jahr ab April sprießen nicht nur die weißen Stangen aus dem Boden, sondern auch über das Land verteilt kleine Holzbuden, in denen das Gemüse verkauft wird. Der Spargel steht für frische, saisonale Küche aus der Region und wird stolz auf gesonderten Speisekarten in allen Variationen angeboten. Die Hauptanbaugebiete liegen um Beelitz im Landkreis Potsdam Mittelmark, am bekanntesten sind die Anbauorte Klaistow, Schäpe und Zauchwitz. Die Anfänge des Spargelanbaus rund um Beelitz gehen zurück auf die Mitte des 19. Jahrhunderts. Zu DDR-Zeiten fast zum Erliegen gekommen, gelang mit viel Enthusiasmus, Überzeugung und Unterstützung aus den alten Bundesländern nach 1990 ein Neustart.

Heute ist Brandenburg eines der drei größten Spargelanbaugebiete Deutschlands, Beelitz sogar die größte geschlossene Anbauregion. Auf über 1.700 Hektar wächst das Edelgemüse.

Fisch gehört ebenfalls auf einen brandenburgischen Speiseplan. In den zahlreichen Gewässern kann selbst nach einheimischen Süßwasserfischen geangelt werden oder man verlässt sich auf die Fischzucht und greift zu Karpfen oder Forelle. 45 Brandenburger Aquakulturbetriebe produzieren über 1.000 Tonnen Speisefisch pro Jahr. Der Karpfen macht 61 Prozent der Fischproduktion aus. Damit gehört Brandenburg neben Bayern und Sachsen bundesweit zu den bedeutendsten Erzeugern.

Weniger bekannt, aber nicht weniger lecker sind die Teltower Rübchen, eine besondere Form der Speiserübe. Geschmacklich liegt sie irgendwo zwischen Rübe, Kohlrabi und Radieschen und ist auch unter den Namen Märkische Rübe oder Mairübe bekannt. Im 18. und 19. Jahrhundert waren die Teltower Rübchen eine beliebte Delikatesse, die nicht nur Goethe und Kant orderten, sondern auch am französischen Hof bekannt waren. Zu DDR-Zeiten wurde die Pflanze kaum angebaut und geriet in Vergessenheit. Erst im Rahmen der Rückbesinnung auf regionale Spezialitäten nehmen Anbau und Verzehr wieder zu. Seit 1993 ist der Name als Marke beim Patentamt geschützt.

Lesetipp

Den Frieden mit der Kartoffel haben die Brandenburgerinnen und Brandenburger längst geschlossen und so gibt es neben den knapp zweieinhalb Millionen Einwohnern gefühlt ebenso viele Rezepte für Kartoffelsalat. Zum Nachtisch empfiehlt sich immer ein Fürst-Pückler-Eis, das in Brandenburg erfunden wurde und dem berühmten Landschaftsarchitekten aus der Lausitz gewidmet ist.

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Kartoffelanbau in Brandenburg seit 1991

Feinschmecker wollen immer öfter nicht nur mit allen Sinnen genießen, sondern auch wissen, was in den Lebensmitteln drin ist, woher die Zutaten kommen und wie sie verarbeitet werden. So kann man zum Beispiel in der Gläsernen Molkerei in Münchehofe bei der Herstellung von Käse, Butter, Milch und Quark zuschauen.

Regionale Bio-Produkte liegen im Trend. Zahlreiche Hofläden im Land, vom Sanddorngarten in Petzow bis zum Ökodorf Brodowin haben sich inzwischen darauf eingestellt. Und auch das Bierbrauen erlebt in Brandenburg eine neue Blüte. Die Braumanufaktur im Forsthaus Templin oder die Neuzeller Klosterbrauerei sind längst kein Geheimtipp mehr.
 

Katrin Marx
Aus: Das Brandenbuch. Ein Land in Stichworten. Brandenburgische Landeszentrale für politische Bildung, 3. Auflage, Potsdam 2020

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