Frank Dietrich

Politik als Intermezzo

... Als Abgeordneter im Brandenburger Landtag gab es verschiedene Themen, die mir wichtig waren. Als Lausitzer, als der ich mich primär fühle, lag mir der Bergbau am Herzen. Zunächst war ich froh, dass der Raubbau an der Landschaft beendet wurde.

Frank Dietrich; Foto: Simone Römhold
© Simone Römhold

Aber dann merkte ich, dass wir mit der einseitigen Ausrichtung der Energiepolitik auf die Braunkohleverstromung den falschen Weg gingen. Ich habe das 1990/91 öffentlich gesagt, aber die Industriegewerkschaft Bergbau und Energie hat mir vorgeworfen, ich wolle 60.000 Arbeitsplätze verhindern.

Ich habe damals die Gewerkschafter aus den alten Bundesländern gefragt, wie viele Menschen denn noch in NRW im Tagebau arbeiteten, aber mir wurde immer beschieden, das könne man nicht vergleichen. Mit der Zeit haben doch viele ihren Arbeitsplatz verloren. Ich habe mich sehr über solche Besserwessis geärgert, die immer Recht haben wollten, als ob sie die Weisheit mit Löffeln gefressen hätten.

Die Bildungspolitik war ein weiterer Schwerpunkt meiner Arbeit. Glücklicherweise hatten wir 1990 die FDP als Koalitionspartner in der Regierung. Ohne ihre Unterstützung hätten wir in Brandenburg keine Realschule eingeführt.

Die damalige Bildungsministerin Marianne Birthler war gegen jeglichen Leistungsgedanken in der Schule, weil alle Schüler gleich seien, aber ich finde, Leistung muss sich lohnen und es muss eine gewisse Auswahl an Schulen geben. Wir leben nun mal in einer Leistungsgesellschaft, und Schüler sollten das frühzeitig verstehen.

Im Innenausschuss war damals die Kreisgebietsreform ein wichtiges Thema. Hier in der Lausitz ist diese Reform für viele nicht zufrieden stellend gewesen. Der Altkreis Guben wollte aus historischen Gründen mit dem Altkreis Eisenhüttenstadt zusammengehen.

Es gab eine heftige Debatte um den Zuschnitt dieser Kreise. Aber mit nur einer Stimme Mehrheit ist der Landkreis Spree-Neiße aus Guben, Forst, Spremberg und Cottbus-Land gebildet worden, und Eisenhüttenstadt wurde mit Beeskow zum Landkreis Oder-Spree zusammengeschlossen. Ich glaube, da hat es Absprachen gegeben. Kurioserweise wurde dann in Forst für viele Millionen ein Kreishaus gebaut, weil es dort nichts gab. Das Geld hätte man sich bei einem ehrlichen Umgang miteinander sparen können.

Bewegt hat mich auch die Arbeit im Richterwahlausschuss. Es ging darum, möglichst unbelastete Richter an unseren Gerichten einzusetzen. Ich war manchmal sehr überrascht, mit was für einer DDR-Vergangenheit, die aus den Akten ersichtlich war, sich Richterinnen und Richter wieder bei Gericht beworben haben. Trotzdem bin ich dafür gewesen, nach vorne zu schauen und aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen, obwohl ich persönlich das Gefühl des Vertrauensbruchs kannte. Denn nach der Wende habe ich erfahren, dass unser CDU-Kreisgeschäftsführer 1989 ausreisen durfte, weil er regelmäßig Berichte an die Stasi geliefert hat.

Die Stimmung in den Sitzungen war eigentlich immer gut. In der Volkskammer war sie von parlamentarischen Debatten geprägt und nach vorne gerichtet. Es gab viele Vorschläge von allen Seiten, so dass die Diskussionen nicht gleich in eine Richtung führten. Im Landtag von Brandenburg war das ähnlich. Der Prozess der Verfassungsgebung war ein besonders heißes Eisen. Die Verfassung musste ja mit Zweidrittelmehrheit beschlossen werden. Jede Partei musste eine Kröte schlucken, damit wir zum Schluss in vielen Punkten noch einen Konsens erzielen konnten.

Damals haben wir uns auch sehr stark mit der PDS auseinandergesetzt, die auf allen Ebenen noch einen Kurs rückwärts verfolgt hat. Vor allem bei der kommunalen Selbstverwaltung wollte sie nicht zu viel Selbständigkeit für die Kommunen. Alles sollte wieder schön kontrolliert werden. Ich war immer für Freiheit. Trotzdem finde ich, die Entscheidungen zur Landesverfassung in Brandenburg sind mehrheitlich demokratisch und frei gefallen. Sie ist ja auch per Volksentscheid angenommen worden.

Leider ist das Instrument der Bürgerbeteiligung, das wir damals geschaffen haben, heute schwieriger umzusetzen als in der Aufbruchzeit. Beim letzten Volksbegehren gegen den Tagebau mussten 80.000 Unterschriften gesammelt werden, wozu die Leute mit ihren Ausweisen zum Einwohnermeldeamt mussten. Viele scheuen einfach den Aufwand, zum Amt zu gehen, zumal sich die Einstellung breit gemacht hat, dass die Kommunen und Politiker sowieso alles über die Köpfe der Bürger hinweg entscheiden. Wir haben die Hürde einfach zu hoch gebaut. Aber damals hatten wir bei allen Entscheidungen eine unheimliche Dynamik.

Aus heutiger Sicht ist mir die Erfahrung des Gesetzgebungsprozesses am wichtigsten. Bei meiner jetzigen Arbeit in der Kommune sage ich zu meinen Kollegen oft, dass sie den Gesetzgebungsrahmen nicht so starr auslegen sollen. Wir in den Ämtern sollen ihn mit Leben füllen. Es muss doch nicht alles bis aufs Kleinste geregelt sein. Aber viele sind es noch aus alten Zeiten gewöhnt, dass man ihnen alles genau vorbetet.

Ich habe mich sehr darüber geärgert, dass alte SED-Genossen wie auch Mitglieder der Ost-CDU, die durch ihre Mitgliedschaft Karriere gemacht hatten, in den Landtag gewählt worden sind. Geärgert hat mich auch, dass andere ihre Arbeit behalten haben, die sie nur wegen ihrer Parteimitgliedschaft erhalten hatten. Das beste Beispiel sind für mich die Arbeitsämter. Sie waren in der DDR dem Rat des Kreises angegliedert und natürlich mit linientreuen Genossen besetzt. Ohne Überprüfung wurden diese Ämter in westdeutsches Recht überführt, die Mitarbeiter übernommen und teilweise sogar verbeamtet.

Da stand nun der arbeitslose Bittsteller, der auf der Straße demonstriert hatte, vor dem alten Parteimitglied und bekam zu hören, er sei selbst Schuld an seiner Situation. Das führte zu großem Frust. Es war ja schön, dass wir eine friedliche Revolution hatten. Aber es ist nicht schön, dass wir als Volksvertreter mit rechtsstaatlichen Mitteln bestimmte Prozesse nicht verhindern konnten.

Leider war es mir nicht vergönnt, länger Politiker zu sein. Ich hätte gerne noch mehr für die Bürger getan. Aber für meine Haltung zur Braunkohlenproblematik bin ich in der CDU wohl als Bauernopfer abgestraft worden. Ich bekam nur noch den Listenplatz 27. Ich habe versucht, meinen Wahlkreis direkt zu erobern, aber 1994 sind alle 44 Wahlkreise komplett an die SPD-Kandidaten gegangen, egal wie sie vorher ihren Wahlkreis vertreten hatten, denn die Sympathie der Bevölkerung für den SPD-Ministerpräsidenten Manfred Stolpe war nach den Stasi-Vorwürfen einfach überwältigend. ... 

Frank Dietrich,
geboren am 3. Mai 1966 in Guben/Lausitz, damals noch Wilhelm-Pieck-Stadt, war von 1990 bis 1994 Abgeordneter der CDU im Landtag Brandenburg. Von Mai 1990 bis Dezember 1991 war er Bürgermeister der Gemeinde Kerkwitz und bis zu seinem Tode als Mitarbeiter in der Gemeinde Schenkendöbern tätig. Er starb im Juli 2011.

zuletzt geändert im September 2012
 

Auszug aus Andrea von Gersdorff / Astrid Lorenz, "Neuanfang in Brandenburg", Potsdam 2010

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Frank Dietrich ist 2011 im Alter von 45 Jahren nach langer schwerer Krankheit verstorben.

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